Alles über Wein und den Rest der Welt…

Alle blöd, oder was?

Wenn man, ich, auf Messen geht, erlebt man so einiges. Sowohl dann, wenn nur Fachbesucher kommen, als auch auf Privatkunden-Veranstaltungen. In jedem Fall  wird einiges klarer.

Am vergangenen Samstag war ich in Frankfurt beim Riesling Tag. Eine Veranstaltung, die mehr oder minder nur von Privatleuten besucht wird. Eine Woche zuvor war die Mainzer Weinbörse – da sollten eigentlich nur “Fachbesucher” sein. Beiden Messen gemeinsam war der enorme Andrang. In Mainz zumindest am ersten Tag. Deutscher Wein, Riesling, erfreut sich großer Beliebtheit. Sollte man zumindest meinen. Erstaunlich ist jedoch die aberwitzig hohe Diskrepanz zwischen dem was die Fachbesucher verlangen und dem, was die Endverbraucher trinken. Wenigstens im direkten Vergleich dieser beiden Veranstaltungen.

Trocken war und ist das große Thema auf den Fachveranstaltungen. Alle fragen danach. Trockener Riesling. Alles andere muss man nicht anbieten, wenigstens nicht aktiv. Es sei denn, man, also der Winzer, verzichtet auf den Hinweis, dass der Wein eben nicht trocken ist. Dann funktioniert auch das aktive Anbieten. Und natürlich dann, wenn man von der Mosel kommt…

Es scheint eine Art “no go” zu sein zuzugeben, dass man auch mal was trinkt, was nicht staubt. Wenigstens bei Fachbesuchern. Es ist auch irgendwie verständlich, denn schließlich ging es jahrelang, beinahe jahrzehntelang darum, von dem negativen “Süß-Image” weg zu kommen. Billig und süß hat den Ruf unserer Weine gründlich ruiniert. Gruselig, wenigstens in dem Kontext, ist  und war auch der Versuch nicht wirklich trocken schmeckende Wein über den Begriff der ”dienende Restsüße” irgendwie auf eine anderes Niveau zu heben. In der Regel eine Art Alibi oder Ausrede für eigentlich trockene Weine, die aber dann doch nicht trocken wirken und Lichtjahre von jeglicher Spannung und Balance entfernt sind. Nichtssagend obendrein. Was soll das sein, eine “dienende Restsüße”? Wem dient die Süße? Dem Trinker, dem Winzer? Dem Fehler, den die Süße gerne elegant überdecken soll? Unfassbar eigentlich, dass es dieser schwammige und völlig sinnentleerte Begriff überhaupt geschafft hat sich zu etablieren. Und benutzt wird er immer noch. Ein Wein ist trocken oder er ist es eben nicht. Da geht es auch nicht um Analysen, sondern schlicht um den Geschmack. Der scheint in jedem Fall auf “trocken” genormt.

Witziger weise wird aber deutlich mehr NICHT trockener Weißwein getrunken, als trockener. Erzählt man/ich das auf einer Fachbesuchermesse, wird man/ich ungläubig angeschaut. Dabei könnte man, als Fachmensch, sich beispielsweise einfach mal die DWI Statistik anschauen. Bei den Qualitäts- und Prädikatsweinen waren 2016 von 7,5 Millionen Hektoliter, mehr als die Hälfte NICHT trocken. Und bei dieser Statistik ist der Rotwein mit dabei! Wenn wir also davon ausgehen, dass ein großer Teil der Rotweine trocken ist, ist die Zahl NICHT trockener Weißweine noch einmal deutlich anders. Auf der Fachmesse löst das Erstaunen aus. Ganz anders auf der Privatkundenveranstaltung.

Auf besagtem Happening in Frankfurt waren mehrere Hundert Menschen. Zum allergrößten Teil waren es junge Leute, alles eher so Richtung knapp an die 30 – und gefühlt deutlich mehr junge Damen als Herren. 75 Prozent alle Anwesenden fragten nach NICHT trockenen Wein. Sie wollten was mit Süße. Rebsorte nebensächlich, quasi komplett egal. Und dabei hieß das Ganze “Riesling-Tag”…

Und was nun, was will uns das sagen? Die “Versüßung” und “Cocacolaisierung” ist soweit fortgeschritten, dass es eh keinen Sinn mehr macht trockenen Riesling zu produzieren, sondern nur noch Limo mit Alkohol? Alle sind blöd und haben keine Ahnung? Wir leben in einer Blase und bekommen nichts von der Realität mit?

Gar nichts dergleichen, würde ich behaupten. Dass es andere Realitäten gibt, als unsere klitzekleine Ultrapremium Weinwelt ist klar. Das ist unendlich oft und lang diskutiert und analysiert. Dass beinahe alles über den Preis geht sowieso und dass wir in einer Nische sind kann ich eigentlich kaum noch hören. Dass man aber die Leute begeistern und mitnehmen kann, das ist nicht genug thematisiert. Es wird eigentlich nur lamentiert.

Ich hatte am vergangenen Samstag nicht einen einzigen süßen oder gar lieblichen Wein dabei. Dennoch wurden die trockenen Wein auch von denen getrunken, die eigentlich nach etwas anderem gefragt haben. Und nicht nur bei uns. Trockener Riesling hat viele Facetten. Insbesondere abseits der gängigen Meinung, dass er eigentlich sauer sei.  Es genügt bereits die Frage nach der geschmacklichen Präferenz: “Soll es eher dick sein und schieben, oder eher leichter sein?”, und auf einmal ist Interesse da. Genau dann, wenn man an all den komplizierten Dingen vorbei fragt und den Leuten die Scheu nimmt. “Sie bekommen heute bestimmt ganz viele blöde Fragen gestellt”, war einer der Sätze, die ich am häufigsten gehört habe. Der “Normalo” hat Angst. Immer noch. Und das im Jahr 2018. Dabei waren die Fragen gar nicht so viel anders,als bei sogenannten Fachveranstaltungen… Der Konsument ist gar nicht so blöd, wie manche einem immer versuchen glauben zu machen. Er ist schlicht nur verunsichert.

Ähnlich geht es mir übrigens auch mit den Orange und Naturals. Auch die werden von den Leuten einfach getrunken. Abseits von all diesen mühseligen und enervierenden “Fachdiskussionen”. Aber das ist ein anderes Thema. Handwerklicher Wein hat immer ein Chance, auch in der Breite. Er muss nur die Chance haben anzukommen. Das ist die Botschaft. Und das interessiert auch die Leute außerhalb unserer Blase. Natürlich nicht alle. Aber viele

 

2 Kommentare zu “Alle blöd, oder was?

  • Joachim Schäfer

    Als Oeno-guide lese ich deine Worte… und höre
    Verunsicherte Verbraucher ; unverstandene Fachwörter die noch dazu eine Welt der Weine verkleinert, uniformisiert.
    Jeden Tag bringe ich meinen Kunden bei Weine zu verstehen aber mit Gefühl und Liebe. Lade sie ein Sie Selbst zu sein und erkläre das Wort “Terroirs”.
    Ich sehe das mein Beruf noch Zukunft hat !
    Bravo für diesen Artikel !

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