Kein Mensch braucht angeblich Bestenlisten, dennoch liest sie jeder… Ich fange mal mit den Weissweinen an
Ich persönlich finde Bestenlisten gut. Ich mag das. Das Leben ist eine einzige Sehnsucht nach Überblicken und Anhaltspunkten und deswegen machen Bestenlisten Sinn. Oder auch nicht, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Wenn man so unglaublich viele Weine wie ich in einem Jahr vor die Flinte, oder vor die Nase und in den Mund bekommt, ist das gar nicht so einfach sich für eine Auswahl zu entscheiden. Schlussendlich muss mich, und ich wiederhole mich da permanent, ein Wein packen. Vom ersten Moment an. Ansonsten macht das für mich alles keinen Sinn. Ergo ist meine Bestenliste immer eine durch und durch subjektive. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und schon gar nicht objektiv. Objektivität gibt es bei mir eh kaum. Dazu müsste ich alle Weine blind probieren – und das kann und will ich nicht. Ich finde Blindproben toll und extrem aussagefähig. Aber mir fehlt die Muse dazu. Meistens jedenfalls. Wie auch immer… Das Jahr 2017 war voller grandioser Weinerlebnisse und die Auswahl fiel mir nicht leicht.
Unangefochtener Spitzenreiter in Sachen Weißwein war für mich im vergangenen Jahr das 2016 Pettenthal von Keller. Ein Wein, der in die Geschichtsbücher gehört. Mehr geht nicht, anders geht vielleicht, aber warum sollte es anders sein, wem bringt das was…? Diese Kombination von Eleganz, Feinheit und Druck ist einzigartig und ich muss gestehen, dass ich derartiges selten bis nie im Glas hatte. Der Wein ist aus einer anderen Welt!
Ein Wein aus dem Rheingau hat es mir auch ganz besonders angetan und das war das 2015 HASSEL VDP.GG vom Wein- und Sektgut Barth. Ein außergewöhnlicher Wein, der über ein Jahr im Fass auf der Hefe lag und der der komplette Gegenentwurf zum klassischen Rheingauer Riesling ist – zumindest zu dem, was sich manche so darunter vorstellen. Da ist nichts dropsig-süß-saures. Da ist Biss und Kraft und Salzigkeit und Hefe und Charakter ohne Ende. Ein großartiger Wein, ein großer Wein!
In Sachen Konstanz auf höchstem Niveau hat mich einer überzeugt, den man zwar kennt, der aber irgendwie nicht die gebührende Anerkennung bekommt. Einer, dessen Arbeit und Weine ich seit einigen Jahren verfolge und der sich konstant, Jahr für Jahr, weiterentwickelt. Ein Besessener, der nicht aufhört an allen Schrauben zu drehen und dessen Weine ich den ganzen Tag trinken könnte. Die Rede ist von Stefan Steinmetz und seiner atemberaubende 2016er Kollektion. An der Mosel, da wo die großen Namen residieren, hat es Steinmetz geschafft sich zu etablieren. Mit einem Stil der sowohl typisch Mosel, als aber auch typisch anders ist. Ein junges und unverbrauchtes Gesicht. Einer, der anders denkt und alles anders macht ohne aber dabei zu vergessen, wo er ist und was das bedeutet. Er verdient allerhöchste Anerkennung. Die Weine sind im Übrigen nicht nur gut zum Verkosten – man kann sie eben auch extrem gut trinken. Was ja durchaus Sinn macht. Insbesondere in einer Zeit, in der der ein oder andere Spitzenwein nur noch auf die bestmögliche Verkostungsperformance getrimmt wird und spätestens der dritte und echte Schluck zur Qual wird und ich mich frage, was der Sinn des Ganzen ist und wer das austrinken soll. Schließlich ist Wein ja ein Getränk…
Wer sich für “neue Weine” interessiert, abseits des Mainstream, der kommt aktuell am Thema “Naturals” nicht vorbei. Diese mehr oder minder “naturbelassenen” Weine werden entweder geliebt, oder gehasst – zwischendrin gibt es nichts. Wobei beide Lager gerne ritualisiert und beinahe religiös lieben oder ablehnen. Verwunderlich einerseits, denn der Wein lebt doch von seiner Vielfalt. Normal andererseits, denn so ist die Zeit. Es wird sich empört. Im Netz. Egal um was es geht. Eine der unangenehmen Begleiterscheinung der Digitalisierung.
Wie auch immer, ich mag diese Weine sehr und ich trinke sie auch gerne – wissend, dass dieser Weinstil polarisiert. Muss er aber auch, alles andere wäre geradezu absurd. Im letzten Jahr sind mir dabei besonders die Weine von Schmitt in Rheinhessen aufgefallen. Es lohnt sich sehr, sie einmal zu probieren. Aber bitte immer daran denken, dass das anders ist. Man muss sich darauf einlassen wollen… Wenige Kilometer weiter, im pfälzischen Bockenheim ist das Weingut Brand. Die machen in Sachen Naturals richtig Furore und Spaß. Unbedingt trinken muss man hier den PetNat. Der ist ein Knaller!
In Sachen Rotwein war mein Jahr 2017 sehr klassisch, aber von säurebetonten Rotweinen geprägt. Dazu demnächst mehr…
Guten Tag Herr Würtz,
ich möchte mich hiermit bei Ihnen für die ausführlichen Berichte und Analysen über Weine bedanken.
Bin seit geraumer Zeit stiller Mitleser und totaler Weinliebhaber.
Weißwein und Rotwein sind so grundverschieden aber doch gleich, daher hoffe ich auch weiterhin interessante Berichte von Ihnen hören zu dürfen.
Bis dahin. Alles Gute!