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Carsten Henn im Gespräch

Carsten Henn, Chefredakteur des neuen “VINUM” Weinführer Deutschland gibt Antworten…

Nachdem es in der letzten Woche ja recht kurzweilig in Sachen Weinführer hier im Lande zuging, gibt Carsten Henn, ehemals Gault Millau Chefredakteur und jetzt VINUM Weinführer Deutschland Chefredakteur Antworten auf Fragen, die ich ihm gestellt habe.

 

WÜRTZ-WEIN: Die VINUM und der Christian Verlag geben gemeinsam einen Weinführer heraus. Wie kam es dazu? Wie fühlt es sich an, nach so vielen Jahren den Gault Millau zu verlasssen?

Carsten Henn: Ganz ehrlich: ich freu mich über die neue Konstellation. Die Partnerschaft mit einem Weinmagazin macht für einen Weinführer nämlich viel mehr Sinn als mit einer Marke, die international fast ausschließlich für Restaurantführer bekannt ist. Der Christian Verlag hat viel Erfahrung mit dem Weinführer, hat fast ein Vierteljahrhundert lang den Gault&Millau herausgegeben, wollte die Lizenz jetzt aber aus verschiedenen Gründen nicht verlängern. Was man gerne wollte, war den erfolgreichen Weinführer fortführen. Das aber nur mit einem starken Partner – den hat man in Vinum gefunden.

WÜRTZ-WEIN: Braucht Deutschland tatsächlich noch einen Weinführer?

Carsten Henn: Das wird der Markt zeigen. Als der Eichelmann erschien, fragte man sich das, und als der Falstaff erschien auch. Beide existieren weiterhin und verdienen Geld. Für Weingüter ist solch eine Meinungsvielfalt auf jeden Fall gut. Konkurrenz belebt zudem ja das Geschäft und führt in der Regel zu besseren Produkten. Man kann davon ausgehen, dass sich sowohl der „Gault&Millau Weinguide“ wie der „Vinum Weinguide“ ins Zeug legen werden.

WÜRTZ-WEIN: Annähernd alle Verkoster sind vom GM weg und mit Euch, dir und Joel Payne, zu dem neuen Projekt. Was bedeutet das für das Buch und für den Gault Millau? Wie kam es dazu?

Carsten Henn: Für den Gault&Millau bedeutet es, dass er nun ein nahezu völlig neues Produkt ist. Das ist eine große Herausforderung wie eine große Chance. Es bedeutet allerdings auch, dass dort die Verkostungsstrukturen erst aufgebaut werden müssen. Die schwierigste Aufgabe jedes Weinführers ist eine kohärente Bewertung aller Weine und Betriebe zu garantieren, obwohl verschiedene Verkoster die Weine benoten. Das Team des „Vinum Weinguide“ ist seit Jahren darin geschult, weil wir ein System mit Eichproben, regionalen Finalproben und Bundesfinalproben etabliert haben, um eine Gleichbehandlung zu erzielen. Zudem wird fast immer in Zweierteams verkostet, um Tagesschwankungen auszugleichen. Das ist ein bewährtes Procedere mit erfahrenen Verkostern, die ihre Regionen im Detail kennen. Der „Gault&Millau“ wollte diese Verkoster verständlicherweise halten, doch fast alle sind gegangen, unter anderem weil einige Ideen des neuen Verlags sie befremdeten – wobei unklar ist, ob nächstes Jahr alles so kommt wie angedacht. Sicherlich spielt auch eine Rolle, dass die Verkoster gern mit Joel und mir zusammenarbeiten. Was mich natürlich sehr freut. Wir pflegen, denke ich, einen sehr guten Umgang mit dem Team und leben eine leidenschaftliche Diskussionskultur in Sachen Wein.

WÜRTZ-WEIN: Was macht Ihr künftig anders, was sind Eure Stärken?

Carsten Henn: In diesem Jahr geht es erstmal darum, trotz der geringeren Zeit mit der gleichen Sorgfalt den Marktführer zu publizieren. Das wird ein heißer Herbst. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich durch die Partnerschaft mit „Vinum“ langfristig viel ändert wird. Dort ist ja wahnsinnig viel Know-How, Wissen und Expertise vorhanden. Man kann Magazin und Weinführer im Jahreskalender zudem sinnvoll verschränken. „Vinum“ ist für die Zukunft sehr aktiv was das Internet betrifft, bald wird es eine extrem gute neue Homepage geben. Da kommt also was. Bis dahin gilt, was ein User auf FB geschrieben hat „Der „Vinum Weinguide“ ist der ehemalige „Gault&Millau Weinguide“ – anders ausgedrückt: „Raider heißt jetzt Twix“.“ Veränderungen gibt es natürlich auch schon dieses Jahr, zum Beispiel einige neue Verkoster. Aber ich will da noch nicht zu viel verraten. Ein bisschen Spannung muss schließlich sein – auch bei der Konkurrenz.

WÜRTZ-WEIN: Es gab ja immer wieder deutliche Kritik an Euch, respektive am alten Gault Millau. Stichwort Interessenkonflikte der Verkoster, immer die üblichen Verdächtigen in den Listen uswusw. Was entgegnest Du dieser Kritik?

Carsten Henn: Wenn ein Weinführer seit fast einem Vierteljahrhundert existiert und alle ihn gut finden, dann hat er etwas fundamental falsch gemacht. Insofern wundert mich Kritik überhaupt nicht. Man muss zudem aushalten können selbst kritisiert zu werden, wenn man andere kritisiert.

Was mögliche Interessenkonflikte betrifft, haben wir das immer sehr transparent gehalten und es auch im Buch so geschrieben: Wenn jemand mit einem Weingut wirtschaftlich verbunden ist, darf er dessen Weine nicht bewerten. Punkt. Ganz konsequent. Verkoster werden zudem regelmäßig zwischen den Weinbaugebieten gewechselt, um da keine Betriebsblindheit aufkommen zu lassen. Und wenn wir den Eindruck hatten, dass jemand grundsätzlich die falsche Einstellung hat, wurde sich eben getrennt. Wie bei einem Fußballteam: schwache Spieler gehen lassen, bessere dazuholen.

Die Kritik daran, dass immer die üblichen Verdächtigen in den Listen auftauchen, kann ich nicht nachvollziehen. Um beim Fußballvergleich zu bleiben: Wundert man sich denn auch darüber, dass Bayern München und Dortmund immer an der Spitze der Bundesliga stehen? Es gibt eben einige Weingüter, die seit Jahren herausragend arbeiten. Andererseits schaffen immer wieder neue Weingüter und Weine den Sprung nach oben, und Klassiker oder sogar Legenden werden abgewertet. Das führt ja häufig zu heftigen Reaktionen im Netz. Es gibt also Ärger wenn Weingüter über Jahre hoch bewertet werden, aber auch wenn sie plötzlich abgewertet werden. Das ist bei Weingütern auch wie bei Fußballteams: sie haben Fans und Hater. Durch die Vielzahl unserer Verkoster sind die Ergebnisse immer ein Gruppenergebnis, damit sind wir viel pluralistischer als wenn einzelne Verkoster mit einer ganz speziellen stilistischen Vorliebe bewerten. Beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile. Wir möchten viele Meinungen, möchten bei den Verkostungen Diskussionen, wir wollen als Team deutsche Weine bewerten.

WÜRTZ-WEIN: Was glaubt Ihr, wie umfangreich das Ganze wird? Die Zeit ist ja reichlich knapp…

Carsten Henn: So umfangreich wie in den Vorjahren. Zur Not musst du uns bei den Verkostungen helfen! Willst du vielleicht den Rheingau machen? Die Winzer sind allerdings sehr anspruchsvoll dort, was ihre Verkoster betrifft!

WÜRTZ-WEIN: Scherzkeks, wir haben ja mittlerweile mit Dr.Henk einen sehr kompetenten Verkoster bekommen. Ihr braucht mich sicherlich nicht… ;-) Zurück zu den Fragen: Welchen Vorteil hat der Weinführer für die Vinum, welche Synergien versprecht Ihr Euch?

Carsten Henn: Zum einen ist da die Marketing-Ebene, zum anderen kann man jetzt zum Beispiel mit Nominierungen im Magazin arbeiten. Man hat auch ganz andere Möglichkeiten die Preisträger zu präsentieren, vielleicht sogar über ein ganzes Jahr hinweg. Da beginnen die Gespräche aber erst.

WÜRTZ-WEIN: Wie finanziert sich der neue Weinführer?

Carsten Henn:: Spenden werden gern genommen! ;-) Nein, Quatsch, er finanziert sich genau wie der alte: Zuallererst durch den Verkauf in den Buchhandlungen, außerdem über Werbeanzeigen und über die Marketingpakete, die Winzer freiwillig ordern können. Auch weiterhin ist die Aufnahme in den Führer kostenlos. Die Marketingpakete bieten vor allem die Möglichkeit mit dem Weinguide-Text und dem Logo auf der eigenen Homepage werben zu dürfen. Dazu kommt dann glaube ich noch ein Schild für das Weingut und natürlich Buchexemplare, sowie der Betriebstext als PDF. Die Weingüter werden übrigens erst wegen der Pakete angeschrieben, nachdem die Verkostungen durch sind, wir wollen da kein Geschmäckle. Die Mitarbeiter erfahren auch nicht, wer etwas bucht und wer nicht.

WÜRTZ-WEIN: Wie sieht das Ganze künftig digital aus?

Carsten Henn:: Wer heute nicht digital denkt, der hat schon verloren. Sowohl die APP wie der Netzauftritt müssen gegenüber den „Gault&Millau“-Zeiten deutlich zulegen. Da ist „Vinum“ genau der richtige Partner, denn dort werden die Weichen für die digitale Zukunft zur Zeit massiv gestellt.

Hier geht es zur VINUM Seite

 

4 Kommentare zu “Carsten Henn im Gespräch

  • de Pälzer

    Sehr geehrter Herr Henn,
    die Kritik vieler richtete sich nicht nur daran, dass einige etablierte Güter zu hoch bewertet wurden, sondern das andere Güter viel zu niedrige Noten bekamen.
    Nun ist es sicherlich oft Geschmacksache, wie benotet wird, wenn allerdings vor 10 Jahren Pfälzer Weingüter wie Jakob Pfleger oder Schumacher im Eichelmann mit 4 Sternen, im Gault Millot nur mit einer Traube benotet wurden, hatte dies mit Geschmack allein nichts mehr zu tun. Auch mit Knipser tat man sich jahrelang im Gault Millau schwer.
    Ich denke, dass da Jürgen Mathäß eine große Rolle spielte, so dass man ihn offiziell aus der 1. Reihe nahm. Auch bei VINUM (ich bin noch Abonnent) habe ich des Öfteren das Gefühl, dass Verbandelungen oft als neutraler Journalismus verkauft werden. Ich persönlich werde weder einen der 2 neuen noch einen “alten” Weinführer kaufen. Es gibt im Netz genügend Tipps und als “Pälzer” habe ich im Radius von 50km tolle Möglichkeiten, zu probieren und mir selbst eine Meinung zu bilden

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  • WS

    Sehr geehrter Herr “de Pälzer”.

    Im Grunde teile ich Ihre Kritik und auch Ihr Handlungsvorschlag hat viel für sich. In den Regionen, in der ich mich etwas auskenne, ist es nämlich ähnlich. Einiges an Bewertung im GM passt m.E. genau, bei einigen Bewertungen habe ich aber “Drei Monde” für “Die spinnen” verteilt, mit anderen verfolgen sie konsequent eine bestimmte “Schule”, die mir nicht gefällt, manchmal ist auch in der Vergangenheit etwas schief gelaufen, was dann weiter nachhängt (auf beiden Seiten übrigens), usw. usw..

    Das Problem ist aber, dass man, wenn man nicht aus einer Region stammt und sich über Unbekanntes informieren will, an einem derartigen Führer nicht vorbei kommt, wenn man in die Region erstmals (!) “einsteigt”. Da war und ist der GM eine Einstiegshilfe gewesen. Die war allerdings in den letzten Jahren in meinen Augen nicht mehr so verläßlich. In “meinen” Regionen war er nicht nur nach meiner Meinung “irgendwie” Stück für Stück immer weiter von dem entfernt, was sinnvoll ist. Warum? Egal, Spekulation. Es bestand also Handlungsbedarf.

    Über die jetzige Entwicklung bin ich überhaupt nicht glücklich. GM bleibt als VINUM wie es ist und eine von NACHVOLLZIEHBARER Fachautorität getragene umfassende Orientierungshilfe – mehr kann und soll so etwas nicht werden – wird sich wegen der weiteren Zersplitterung des Marktes nicht mehr heraus schälen. Mit “Ich bin GM/VINUM/Falstaff (oder von mir aus Hänsel und Gretel) und darum ist das hier gut oder schlecht!” kann es jedenfalls nicht gehen.

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  • Richter

    Sehr geehrter Herr Henn,
    habe mich wie jedes Jahr au f meine Weinbibel gefreut.
    Aber leider leider; leider ist das layout eine Katastrophe.
    1. es wurde an Farbe bei den Typen gespart, die Texte sind bei Lampenlicht kaum zum lesen, deswegen muß ich mir eine Lesebrille kaufen, obwohl ich sonst keine Probleme habe.
    2. Das Symbol für die Besten ist kaum zu erkennen.
    3. Die Preise stehen nicht mehr untereiander in einer Spalte- diente der Übersichtlichkeit.
    4. Es fehlen die Daten zur Lagerfähigkeit.
    5. die bewerteten Weine sind viel zu eng gedruckt, DAS IST DAS SCHLIMMSTE!!!!!!!!!!!!!.
    6. es fehlt allgemein an farblich unterlegter Gestaltung

    VIELLEICHT IST DAS JA ALLES DER HEKTIK GESCHULDET, ABER BEI DER LESBARKEIT SOLLTE MAN KEINE FEHLER ZULASSEN:
    Wenn das nächstes jahr nicht besser wird kaufe ich nur noch den
    Eichelmann.
    mit besten Grüssen ein enttäuschter Leser

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