Alles über Wein und den Rest der Welt…

Voll “Grenz-Wertig”! Seligmacher !

Hier endet der Rheingau und das Mittelrheintal fängt an. Hier endet Hessen, und die Grenze nach Rheinland-Pfalz ist nur einen Steinwurf weit weg. Hier liegt der Seligmacher. Ein Grenz-Wein sozusagen. Gar nicht grenzwertig, sondern eine ernst zu nehmende Lage. Vielleicht schon bald eine Große Lage (im Sinne des VDP). Klassifiziert gehört der Wingert allemal. Allerdings hat der vielversprechende Name der Lage so wenig mit Glückseligkeit zu tun wie die Johannisberger „Hölle“ oder der Assmannshäuser „Höllenberg“ mit ewiger Verdammnis. Der Name der renommierten Lorchhäuser Lage leitet sich vielmehr aus dem Mittelhochdeutschen ab und lässt sich auf Salweiden an Weinbergmauern zurückführen.

Aber wen kümmert das schon. “Dann trink doch ein Glas Lorchhäuser Wein – er wird auch Dein Sorgenbrecher sein“, so hieß es früher unter den Zechern. Heute genießt der Seligmacher zu Recht einen guten, aber zu Unrecht kaum bekannten Ruf. Er ist nördlichste Weinberg des Rheingaus und einer der kühlsten. Geschmacklich hängt es allerdings davon ab, ob der Wein vom Fuß des steilen Hanges stammt, wo der Lößanteil im tiefgründigen, von Schiefer durchzogenen Boden höher ist, oder von den oberen Gewannen.

Örtliche Erzeuger im traditionsreichen, einst sogar selbständigen Weindorf mit ausgewiesenem „Seligmacher“ im Angebot sind vor allem Theodor Nies und König. Für ein Renommee über die Grenzen des unteren Rheingaus hinaus sorgen allerdings nur August Kesseler, Eva Fricke und neuerdings auch Sohns in Geisenheim. Dabei ist der Weinberg ein gutes Beispiel für den tiefgreifenden Strukturwandel im Mittelrheintal, auch wenn das hessische Lorchhausen weinrechtlich zum Rheingau gehört. Geografisch aber ist das ohne Zweifel Mittelrheintal und daher auch Teil der Unesco-Welterberegion. Niedrige Weinpreise, eine unrentable Bewirtschaftung der steilen Weinberge und hohe Wildschäden ließen in der Vergangenheit trotz Flurbereinigung viele Nebenerwerbswinzer ihr Handwerk aufgeben. Zwischen 1963 und 1979 halbierte sich im westlichsten Dorf von Hessen die Rebfläche von 50 auf 24 Hektar, und sie ging bis 2007 noch weiter auf spärliche neun Hektar zurück. Übrig blieb neben dem Rosenberg als Paradelage der „Lorchhäuser Seligmacher“. Also her damit!

Wir haben das Beste der Lage aktuell verkostet:

Eva Fricke: 2015 Lorchhäuser Seligmacher Riesling trocken

Sohns: 2015 Lorchhäuser Seligmacher Riesling trocken

August Kesseler: 2015 Lorchhäuser Seligmacher Riesling trocken

… alle drei als Lagenweine im jeweiligen Portfolio mit dem Status eines Premiumtropfens

Laut Eva Fricke sind die von ihr bewirtschafteten Schieferböden durchsetzt von Quarzit, und die Weine weisen Noten von Pfirsich und  Maracuja auf. Weine mit dezente Restsüße und einem mineralisch-salzigen Abgang, der uns sehr gut gefällt. Der 2015er braucht in jedem Fall viel Luft. Der Wein schien zunächst so verschlossen, dass auch an einen hintergründigen, schleichenden Korkschmecker zu denken war, eine Konterflasche war leider nicht zu Stelle. Mit 11,5 Prozent der leichteste der drei Seligmacher, sehr elegant, geradlinig, wenn auch ein wenig verhalten, aber lecker.

Für Weinhändler Lobenberg hingegen war der Tropfen von August Kesseler (Zitat) „der erste ganz große Wein aus Lorch, den ich probiere“. Das Mikroklima in dieser Lage führe zu einem extremen Powerwein, der den Druck aus der Mineralität und der Frucht aufbaue, meint Lobenberg. Lobenberg lobt „unglaubliche Intensität“, eine „Kombination aus Viskosität, eleganter, verspielter Kraft und mineralischer Länge“ und gibt 97-98 von 100 Punkten. Das ist mal eine Ansage! Ganz so hoch würde ich nicht greifen, aber die hohe Reife, die Dichte, die fein ineinander verwobenen Aromen, die Klarheit, die Frische und Eleganz sowie die Handschrift überzeugen allemal.

Geschmacklich ist der Sohns näher bei Kessler als bei Fricke, und der Seligmacher, also die Herkunft beider Weine, ist auch unverkennbar. Das stellt der Lage ein ebenso gutes Zeugnis aus wie den Erzeugern, die das Terroir gut herausgearbeitet haben. Sohns selbst sieht den Weinberg als Garant für „fruchtige Weine mit feinnervige Säure, ausgeprägte Mineralität“. Das ist  jetzt irgendwie nicht sehr galant ausgedrückt… ich bin von der Griffigkeit, der ausnehmend hohen und gefälligen Salzigkeit im Abgang, der Präzision, der Kühle und dem hohen Trinkfluss aller drei Weine jedenfalls ordentlich beeindruckt… und irgendwie auch selig… mehr davon! „Schneller Trinkgenuss auf höchstem Niveau“ meint Kesseler selbst zu den Weinen aus dieser kaum bekannten Lage. Wer vermöge da schon widersprechen…

2 Kommentare zu “Voll “Grenz-Wertig”! Seligmacher !

Hinterlasse einen Kommentar zu Wahl Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>