Ich liebe Rotwein. Wenn er elegant ist, wenn er vielschichtig ist und wenn er Säure hat. Letzteres ist für mich mithin das wichtigste überhaupt. Deswegen trinke ich nie Merlot. Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel…
Mit der Einleitung ist auch direkt erklärt, warum ich selten bis nie spanische Weine trinke. Meist ist mir das zu dick, zu alkoholisch und zu viel Holz hat es in der Regel für mich auch. Damit wir uns nicht falsch verstehen: es ist nicht so, das ich das schlecht fände, oder gar minderwertig. Ich trinke es eben einfach nur nicht gerne. Aus diesem Grund, fehlt mir natürlich das tiefe und profunde Detailwissen über spanische Weine. Ich kenne Vega Sicilia – aber wer kennt das nicht. Und ich mag das. Ich kenne Senor Fernandez und alles was er so macht und trinke das, wenn ich sonst nichts auf einer Weinkarte kenne. Verlässlicher Mainstream, absolut in Ordnung und in der Regel auch seinen Preis wert. Alvaro Palacios kenne ich auch recht gut und in den Anfängen war ich ein großer Fan. Mittlerweile ist mir das alles aber meist zu dick – wenngleich die Weine natürlich auf einem hohen Niveau sind.
Als wir vor fünf Jahren durch Spanien gefahren sind um Filme zu drehen, waren wir selbstverständlich auch in der Rioja. Die aberwitzige Größe einiger Weingüter hat mich damals extrem beeindruckt. Wann sieht man schon mehrere zehntausend Barriques auf einen Schlag?! Industrie auf höchstem handwerklichen Niveau. So etwas finde ich immer sehr faszinierend und ich habe höchste Hochachtung vor solchen Läden.
Das, was die Region ausmacht, habe ich damals allerdings nicht verstanden. Die Seele eines Anbaugebiets, die Identität findet man natürlich nicht eben mal im Vorbeigehen und schon gar nicht in den Barrique-Fässern der großen Marken. Erst recht dann nicht, wenn die zweifellos vorhandene Seele in einem ultramodernen „winemaking“ verpackt ist. Ich habe damals öfter gefragt, wie die denn so ist, die Identität, aber die Antworten, die ich bekam, waren nur oberflächlicher Art. Das Resultat war, dass ich mich nicht weiter für das Thema interessiert habe. Mainstream gibt es auf der ganzen Welt. Da bleibe ich dann lieber bei meinem Deutschen Mainstream. Der ist allemal zu unterstützen, erst Recht für mich als quasi Deutschwein-Lobbyist
Wie es aber immer so ist im Leben, kommt alles manchmal ganz anders. Ich wurde bei uns im Haus zu einer Verkostung eingeladen. Das ist nicht weiter ungewöhnlich, denn erstens verkosten wir relativ viel und zweitens sitzt bei uns auch eine große Weinhandelsagentur. Um möglichst selten, besser nie in den Verdacht zu geraten, für irgendetwas aus unserem Haus, oder was über Ecken zu unserer kleinen Wein-Familie gehört, Werbung zu machen, halte ich mich von derartigen Verkostungen gerne fern. Die Welt ist, wie sie ist, und irgendeiner unterstellt einem immer irgendwas. So läuft es – leider! Wie dem auch sei, dieses Mal bin ich hin. Zum Glück. Wäre ich nicht hin, ich hätte mein Erweckungserlebnis in Sachen spanischer Wein verpasst. Daran mag ich gar nicht denken… Wer also zu diesen ewigen nörgelnden Verschwörungstheoretikern gehört, die immer alles und alle der Übervorteilung verdächtigen und des Interessenkonflikt bezichtigen, der möge bitte hier aufhören zu lesen. Alle anderen können weiterlesen und es sei ihnen versichert, ich habe keinerlei Vorteile aus diesem Post. Auch ich muss den Wein ganz normal kaufen und keiner bezahlt für diesen Text hier.
Die Rede ist von Telmo Rodriguez. Der war da und stellte seine Weine vor und wir aßen und tranken. Gemeinsam essen und trinken ist in der Regel der beste Weg Menschen kennen zu lernen. Ich hatte zwar schon einmal von Herrn Rodriguez gehört, bis dato aber noch nie einen Wein von ihm probiert. Die Gründe habe ich ausführlich aufgeführt. Spanien halt…
Telmo ist so eine Art “Hans Dampf in allen Gassen” und betreibt Weinbau in mehreren spanischen Regionen. Klingt aufregend und ein wenig auch nach Multikonzern. Klein ist sein Laden tatsächlich nicht und die produzierte Flaschenmenge ist enorm, aber er ist dennoch weit davon entfernt, so etwas wie ein Weinindustrieller zu sein. Er ist ein Freak. Er ist besessen. Er ist anders. Die Weine in der Spitze sind das auch. Und wie!
“Vergangenheit ist Zukunft”, war einer seiner ersten Sätze, die ich mir gemerkt habe, Klingt unspektakulär, aber im Kontext mit seiner Frage “Was ist Rioja”, wird es sinnig. Er sucht nach der Identität. Und da sind wir beim Thema. Da saß also einer, der mir innerhalb weniger Momente die Identität dieser Region erklären konnte. Und eingeschenkt hat er sie mir auch… Was für den Basken Telmo Rodriguez nichts mit Rioja zu tun hat, sind Marken, Barriques und modernes “Weinmachen”. Er hat sich auf die Suche nach dem Geschmack der Region gemacht. Er hat verkostet, immer und immer wieder. Alte Weine. Riojas altern grandios, das weiß selbst ich. Er hat alte Keller aufgespürt und alte Weinberge. Er hat erkannt wie wichtig die Flora eines alten, ursprünglichen Kellers für die Weinwerdung ist. Er hat für sich erkannt, dass es Sinn macht immer mehrere Sorten in einem Weinberg anzupflanzen. “Gemischter Satz” würden wir hier dazu sagen. Und er ist vom ökologischen Weinbau überzeugt. Öko ist er, weil er so aufgewachsen ist – er hat es im Weingut seiner Eltern nicht anders erlebt. Er ist da relativ unaufgeregt. Natürlich muss man das nicht mögen und natürlich darf man anderer Meinung sein. Für Telmo sind alle diese Faktoren der Schlüssel zur Herkunft, zur Identität eben. Und wenn ich den 2013 “Las Beatas” trinke, kann ich nachvollziehen, was er meint.
Der Weinberg ist 1,9 Hektar groß und es hat beinahe 20 Jahre gedauert, bis Telmo dort seinen ersten Wein tatsächlich auch füllte. Ausgebaut in einem mehr als 300 Jahre alten Keller in großen Fässern. Nix Barrique! “Man spricht nur über Holz, wenn man keine Ahnung hat”, meint er dazu. Eine ebenso gewagte wie deutliche Aussage. Wie auch immer, der Wein ist phänomenal Es ist einer der besten Rotweine, die ich in diesem Jahr im Glas hatte! Die Säure ist ein Knaller, der Wein ist dicht und fest, nicht im Ansatz überkonzentriert. Pfeffer, etwas Tabak und eine extrem elegante und feine Kirschnote dominieren. Beim trinken fiel mir direkt wieder dieser eine Weinberg ein, den wir damals auf unserem Dreh besucht haben. Karg, alte Buschweine, extrem kühl und windig war es dort. Ein Bild, das wie die Faust aufs Auge zu diesem Wein passt. Unfassbar! Sechs Jahre später habe ich es verstanden, wie das mit dem Rioja und der Identität ist…
Telmo wird schnell politisch. Weinbaupolitisch, nach dem anderen habe ich sicherheitshalber nicht gefragt. Er ist Baske…
Er tut was. Er lädt Leute aus ganz Spanien, aus der ganzen Welt, ein und diskutiert mit denen über Herkunft. Nicht nur über Rioja. Über den spanischen Weinbau im Allgemeinen. Er will zeigen, wie spannend und komplex das Land ist. Das Kleinteilige erscheint ihm wichtig. Es ist deutlich, wie sehr ihn das aktuelle Image schmerzt. “Wir sind so viel mehr als eine Marke”, betont er immer und immer wieder. Es geht ihm um Respekt. Den vermisst er, wenn es um die großen Marken geht. Die sind, so meint er, nicht an der Kultur interessiert. Er sucht die Identität. Ich verstehe ihn so gut. Die Herkunft und alles was damit zu tun hat ist ein aberwitziges Thema. Es lässt einen – mich – nicht los!
Ich gebe es gerne zu, Telmo Rodriguez hat mich beeindruckt. Nicht nur mit seinen Meinungen und seinen Weinen. Als Mensch. Ich könnte mir vorstellen, dass da noch viel mehr vorhanden ist. Politisch.. Vielleicht auch noch viel Radikaleres. Beim nächsten Mal frage ich ihn einfach. In jedem Fall hat er es geschafft, mein Interesse für spanischen Wein zu wecken. Das ist doch auch schon einmal was!
Warum verteufelt Herr Rodriguez den Barriqueausbau derart? Worum genau geht es ihm dabei? Die Rioja gilt quasi als die Wiege des spanischen Barriqueausbaus. Was ist mit der Idee alle Weine trinkreif zu vermarkten? Stichwort Crianza, Reserva, Gran Reserva.
Barrique verfälscht für ihn die Herkunft. Das kann man durchaus so sehen, wenn man will
Das ist ein Argument. Jeder sollte das produzieren wofür er steht und was ihm wichtig ist. Was der Kunde am Ende kauft ist natürlich eine andere Frage.
Hi Dirk,
Laut seiner Produktbeschreibung http://telmorodriguez.com/index.php/en/wines/rioja#05 erfolgte der Ausbau im Barrique: “Maturing: Oak French barrels of 225 l”
bzgl. Barrique oder nicht ist sich Telmo wohl selber nicht sicher
VG
Dirk
Interessant. Mir hat er was anders erzählt
129 Euro / Fl. sind aber auch ein Wort, ein gewisser Herr Parker vergibt hier seit 2011 Höchstnoten (2013: 98/100 PP.)
Ist solch ein Preis überhaupt gerechtfertigt? Um einen Rotwein mit 98 PP zu bekommen brauche ich nur einen Bruchteil zu bezahlen. Für mich kommen solch teure Weine grundsätzlich nicht in Frage, da sie offensichtlich eher “ideologisch” als vom “Genussmehrwert” bestimmt sind.
@Conrad Bramm
“ideologisch”??? Ach je… Viel Spaß beim Schnäppchenjagen und in der genuss- und spaßbefreiten Zone. Und ja, irgendwo gibt es immer irgendwas billiger!
Qualität hat eben seinen Preis, das ist doch mit allem so. Aber es stimmt schon, gerade beim Wein heißt nicht unbedingt teuer auch lecker. Qualität ist für mich auch eher eine Frage des Geschmacks und nicht des Preises.
Vielen Dank für diesen ausführlichen Beitrag. Ich würde mir wünschen mehr solcher toller Artikel zu lesen.