Wenn man Perabo heißt und im Rheingau wohnt, kommt man in der Regel aus Lorch. Alle Perabos kommen aus Lorch, sagt man. Bezeichnenderweise ist Peter Perabo mit keinem verwandt.
Im Rheingau weiß man, wer Peter Perabo ist. Er ist der Betriebsleiter und Kellermeister des Bischöflichen Weingut in Rüdesheim. Ja, das sind die, deren Chef einstmals der Limburger Großbaumeister war. Jeder erdenkliche Witz darüber, gut wie schlecht, ist gemacht – ich spare mir und uns das an dieser Stelle. Es geht um Perabo und seine Weine.
Man kennt sich unter Kollegen. Ich kenne Perabo schon seit 20 Jahren. Damals war er noch im Weingut Krone – dem Weingut des weltberühmten Hotels in Assmannshausen. 1995 kam Perabo in die Krone und hat dort erst einmal angefangen, alte Jahrgänge zu füllen. 1989 und 1990 lagen noch im Fass. Der damalige Besitzer wollte keine Weine im Fass verkaufen und die Tatsache, dass er die Preise von acht auf 27 D-Mark erhöht hat, war auch nicht wirklich hilfreich, die Weinbestände zu minimieren. Man wollte ein Spitzenweingut sein, und dazu gehören eben auch Spitzenpreise. Schon damals hatte Perabo ein Angebot der “Bischöflichen”, aber er hatte sich ganz bewusst für die Krone entschieden.
Perabo kennt das Potenzial der Assmannshäuser Lagen wie beinahe kein zweiter und was er damals mit diesem Wissen nur folgerichtig in der Krone produzierte, war herausragend. Es war, man kann es ruhig so sagen, wegweisend. Es waren Pinots, die ihren eigenen, ganz anderen Stil hatten. Kühl, nie zu fett, nie laut. So sind auch heute die Pinots, die Perabo bei den Bischöflichen produziert.
2007 war sein erster Jahrgang bei den Katholiken in Rüdesheim. Im Keller des Urklosters der heiligen Hildegard, quasi unterhalb ihres Schreins, entstehen seitdem Weine von herausragender Qualität. Und keiner merkt es. Fast keiner zumindest. Natürlich haben die einschlägigen Weinführer in den letzten Jahren die Qualität der Weine registriert und goutiert, aber in den wichtigen sozialen Netzwerken finden die Weine kaum statt. Hin und wieder, ganz selten, gibt es mal ein Foto eines alten Krone-Weins, zwei oder drei Weinfreaks jubeln kurz – das war es. Fast könnte man sagen, von allen herausragenden Weinmachern des Landes, ist Perabo wohl der unbekannteste. Und herausragend ist er in der Tat.
Sein Verständnis und sein Gefühl, gerade für den Pinot, ist immens. Und das, ohne jemals den Rheingau verlassen zu haben. Kein Praktikum im Burgund, in Neuseeland oder Oregon. “Die letzten zehn Prozent verrät Dir so oder so keiner”, meint Perabo und lacht. Den Spruch hat er von einem Koch, der mal als Gastkoch in der Krone war… Perabo ist einer, der hier verwurzelt ist. Und wenn es einer kann, und wenn einer unbedingt will und eine genaue Vorstellung hat, dann muss er vielleicht auch nicht weg. Vielleicht.
Perabos Philosophie ist relativ einfach. Penibelste Handarbeit, insbesondere was die Laubwand angeht, 20 Monate sind die Pinots im Fass und noch einmal 15 Monate auf der Flasche, bevor sie in den Verkauf kommen. Geschwefelt wird sehr traditionell – die Weine sind enorm haltbar. Die 2007er aus Rüdesheim und Assmannshausen zeigen das. Taufrisch, keinerlei Alterung, saftig und animierend. Das gesamte Portfolio ist einfach und übersichtlich strukturiert. Gutswein, Ortswein, “S”. Stünde eine Lage anstelle des “S”, wäre das die perfekte Umsetzung der VDP.Klassifikation. Qualitativ passt es sowieso.
Bestes Beispiel ist der 2010 Rüdesheim “S”. Ein perfekter Pinot. Man kann vielleicht etwas anders machen, aber ganz sicher nicht besser. Natürlich ist das Geschmackssache, aber wer kühle, dichte, saftige Pinots sucht, wer Säure im Rotwein mag, wer den straffen Zug eines herausragenden Pinots schätzt, der ist hier richtig. Den Wein gibt es leider nicht mehr – was bei 17,00 Euro pro Flasche auch nicht verwunderlich ist. Was es hingegen noch gibt, ist der 2012 Assmannshäuser “S”. Ein mindestens ebenbürtiges Monument für alle, die Assmannshausen lieben. Dieser spezielle Geruch, der diese Weine so einzigartig macht. Diese Mischung aus Cassis, Katze und Gummi (klingt komisch, ist aber gut) und diese sensationelle Säure. Es ist einzigartig! Im 2013 Assmannshausen ist das ganz besonders gut zu finden. Cassis ohne Ende. Der Wein kommt demnächst in den Verkauf. Für 17,00 Euro. Ich würde ihn reservieren. Den 2013 Rüdesheimer übrigens auch.
Im Grunde, und das ist weder meiner Euphorie noch Sympathie geschuldet, kann man alles blind kaufen. Auch die Rieslinge. Sie sind glasklar, strahlend, teilweise von einer feinsten Kräuterwürze durchzogen. Was Perabo macht, hat Hand und Fuß. Zumindest im Weinberg und Keller. Er ist kein Marketingmensch. Gar nicht. Seine fachliche Expertise ist gefragt. Sein Urteil zählt. Er berät immer noch das Weingut Krone und viele Kollegen lassen ihn ihre Roten kosten, um sein Urteil zu hören. Auf Weinmessen geht er nicht und ob er im sozialen Weinnetzwerk unterwegs ist, weiß ich nicht. Ich gehe eigentlich fest davon aus, dass dies nicht der Fall ist. Was also fehlt, ist die Omnipräsenz, der schnelle Internet Hype.
Die Frage, die sich automatisch stellt, ist, ob der Hype wirklich fehlt… Aktuell jagt ein Superlativ den anderen, wenn es um Wein geht. Auch ich benutze gerne Superlative. Zumindest dann, wenn sie mir angebracht erscheinen. Wenn mich etwas restlos überzeugt, erscheinen sie mir auch angebracht.
Perabo überzeugt mich. Restlos. Schon lange. Und ich kann auch genau erklären warum. Perabos Pinots sind keine gemachten Weine. Hier steht nicht die Machart im Vordergrund. Es sind wahrhaftige Herkunftsweine – Heimatweine. Hier wird nichts maximiert, hier wird optimiert. Keinerlei Überkonzentration, nichts marmeladiges, keine Röst- und Schokoaromen von tagelanger Mazeration oder neuem Holz. Perabo arbeitet wie die Großen im Burgund. Früher ernten, Frische und Säure einfangen und im Zweifelsfall lieber anreichern. Frische vor Druck. Ich muss nicht besonders erwähnen, wie sehr ich diesen Stil schätze. Der omnipräsente und so unsägliche Burgund-Vergleich verbietet sich. Es sind keine burgundischen Pinots. Es sind Rheingauer Pinots. Vielleicht aus einer anderen Welt – oder einer anderen Zeit. Aber es sind immer Rheingauer Weine. Heimatweine. Und vielleicht bekommt Perabo irgendwann den Ruhm und die große Anerkennung, die er eigentlich verdient. Vielleicht auch nicht. Ich würde es ihm wünschen!
Hier kann man die Weine kaufen. Und ich kann das jedem nur empfehlen. Wärmstens…
Jetzt bin ich sehr neugierig und muss das auch probieren. Danke für den Tipp, Dirk.
Cheers, Heike
Lieber Herr Würtz,
vielen Dank für Ihren Beitrag.
Ich möchte die Eindrücke und Ausführungen voll und ganz bestätigen!
Rieslinge und Spätburgunder begeistern in Ihrer unverwechselbaren Stilistik aud Ausdruck.
beste Grüße aus Bayern
Alexander Gabriel
Wie es der Zufall will hatte ich auf der ProWein die Gelegenheit, insbesondere die Pinots zu probieren. Volle Zustimmung: Das hat Klasse und ist bisher weder On- noch Offline oft erwähnt worden. Ich will auch mein übriges dazu beitragen, dass zu ändern.