Heute muss der Gampe wieder ran…
Ich schreibe hier über meine „Droge“ Wein und nicht über das Suchtmittel Alkohol. Der Wein hat mich ganz in seinen Bann gezogen. Wein ist Teil meines Lebens geworden und ich ein Teil von ihm. Eine Zukunft ohne einander können wir uns beide nicht mehr vorstellen.
Teil 1
Für mich begann die dreitägige Weinparty letzten Samstag in Köln. Surk–ki Schrade von der Weinhandlung „La Vincaillerie“ aus Köln, veranstaltete den ersten Weinsalon Natürel 2015 in Deutschland und lud jeden Weinbegeisterten, ob Amateur oder Profi, ins “Jack in the Box e.V.” ein. Das Vorurteil, Naturweine seien generell fehlerhaft, ist unter eingefleischten Weinprofis immer noch gang und gäbe.
Dabei ist es genau so wahr, wie es falsch ist. Natürlich haben diese Weine teilweise komplett andere Aromen und Geschmäcker als so manch polierter, filtrierter und mit allen Mitteln der Kunst behandelter Wein, den wir sonst so eingeschenkt bekommen. Und gerade deshalb sind es eigentlich die ehrlichsten Vertreter ihrer Art. Denn so wie die „Naturwein Hippies“ ihre Weine keltern, so wurde das schon vor tausenden von Jahren gemacht und so selbstverständlich, wie die Winzer mit dem Thema Wein umgehen, so entspannt tun sie das auch untereinander. Ich habe selten ein harmonischeres Miteinander von Winzern und potentiellen Kunden erlebt, wie an diesem Samstag in Köln. Die Organisatorin Surk–ki Schrade lebt dieses Gefühl schließlich auch vor.
Ursprünglich kommt sie vom Film, bis sie schließlich im Jahre 2009 ihre Naturweinhandlung „ La Vincaillerie“ in der Leostraße 57 in Köln–Ehrenfeld eröffnete.
„Menschen kommen zu mir in den Laden und sagen direkt: Ich habe keine Ahnung von Wein! Meine Antwort: Ich auch nicht, ich weiß aber was mir schmeckt!“, so die gebürtige Straßburgerin selbstbewusst. Für mich ist es einer der zentralen Punkte der „Naturwein-Szene“. Dieser natürliche, lockere und ungezwungene Umgang mit einem Naturprodukt. Hier möchte niemand auf Teufel komm raus den Klugscheißer geben, hier gibt es statt den typischen Ellenbogen eher freundliches Händeschütteln.
Die ersten Gläser trank ich bei den befreundeten Winzern Enderle & Moll (Baden) und Andreas Durst (Pfalz), dessen Stand ich zum späteren Zeitpunkt kurz übernahm, da der Andrang doch enorm war. Beide Winzer hatten auch komplett ungeschwefelte Weinproben mitgebracht und teilten mir mit, dass jene Weine an diesem Tag sogar die größere Zustimmung fanden. Übrigens eines DER Trendthemen auf der diesjährigen ProWein, wie sich noch später herausstellte.
Meine beiden Entdeckungen des Tages waren:
Das Weingut Partida Creus (Katalonien, Provinz Tarragona) mit dem Rotwein SuMoll vom Charakterkopf Massiomo Marchiori. Normalerweise werden aus der Rebsorte SuMoll einfache Rotweine gekeltert, anders verhielt es sich bei diesem Tropfen. Diese tief dunkelrote Farbe, die hohe Viskosität mit der sich dieser Wein im Glas präsentierte, der verführerische Duft von Waldbeeren, Erdnüssen und Eukalyptus, die rassige Säure und der volle Körper, all das zusammen war so umwerfend schön, dass ich mehr davon trinken wollte und dies auch tat.
Das Weingut Cotar aus Kras in Slowenien hatte es mir mit seinem Teran (Refosco Traube) besonders angetan. Vater Branko und Sohn Vasja Cotar erzeugen hier ein paar Kilometer Luftlinie von der Adria entfernt, die eigenständigsten Weine dieser Region und das 100 Prizent vegan (für die, die es interessiert…). Die Terra Rossa, mit ihrer stark eisenhaltigen Erde des Karstes, gibt den Weinen eine unverwechselbare Note. Sie erinnern an frisches Blut und verfügen über eine markante Säurestruktur. Beim ersten Schluck umspülen dunkle Beerenfrüchte und weiche Tannine meinen Gaumen. Welch ein fantastischer Wein! Da ist richtig Trinkfluss und ich muss meine Gier nach weiteren Gläsern langsam bremsen, da ich hier noch weiter machen möchte. Für den Sommer werde ich mir aber ein paar Flaschen besorgen und diese dann leicht gekühlt, mit ein paar Freunden, zum Grillen genießen.
Das Schöne bei den meisten Weinen war, dass sie sich super leicht trinken ließen ohne typisch „easy drinking“ zu sein. Es gab jedoch auch andere Beispiele auf dieser Messe und ein paar davon hatten für mich die Grenze des guten Geschmacks deutlich überschritten. Urinstein, Pferdemist und Gülle waren einige Aromen, die mir da um die Nase flogen. Auch bei den „Naturwein Hippies“ scheint nicht immer alles glatt zu laufen und dennoch verzichten sie konsequent auf jeden Versuch der Weinschönung.
Ich gönnte mir dann noch ein paar Flaschen Kölsch mit Freunden, bevor ich am Abend den Weg ins Dorf an der Düssel antrat.
Teil 2
Am nächsten Morgen stand ich dann, dank des Düsseldorfer Verkehrsmanagement pünktlich eineinhalb Stunden nach der Eröffnung der ProWein am Ticketschalter. Die Nacht war kurz, da der Nachbar unserer angemieteten Wohnung dem Anschein nach seine Frau umbringen wollte und ganze drei Stunden Terror machte, bis dann nach mehreren Anrufen endlich die Polizei kam. Trotzdem war ich bestens gelaunt, als ich am ersten Stand ankam.
Ich hatte mir für diese ProWein nicht vorgenommen zwanghaft neue Weine entdecken zu müssen. Vielmehr herrschte in mir die innere Freude eines bevorstehenden „Facebook Klassentreffens“ ! Stefan Steinmetz (Weingut Günther Steinmetz, Mosel) mit seiner 2014 Kollektion, war meine erste Anlaufstation. Volltreffer! Hier passt jetzt wirklich alles. Mit dieser Meinung stand ich dieses Jahr nicht alleine da, denn während ich letztes Jahr noch entspannt in Stefans „Séparée“ rumsitzen und in Seelenruhe das komplette Sortiment probieren konnte, herrschte dieses Mal ordentlich Betrieb am Moselstand. Da ist es gut, dass er stets mit seiner wunderbaren Mutter Edith unterwegs ist. Mit Leib und Seele und einer gehörigen Portion Leidenschaft verkörpert sie genau so wie Stefan selbst, die Qualität die in jeder einzelnen Flaschen steckt.
Beeindruckt haben mich die Weine von Georg Rumpf (dem Matthias Sammer des Weines) vom Familienweingut Kruger–Rumpf an der Nahe. Nicht nur wegen seiner roten Haare muss ich immer an Sammer denken, nein auch wegen seiner akribischen Arbeitsweise und seinem Hang zur Perfektion. Sein Riesling Quarzit 2014 trocken ist für mich einer der Besten Gutsrieslinge in der Preisklasse von 7,50 €!!! Auch der Dorsheimer Riesling 2014 trocken für schlappe 11€ hat ordentlich Druck und Zug. Er wurde erst im Stückfass vergoren später dann im Stahltank ausgebaut und überzeugt schließlich mit zarten floralen Noten, Weinbergspfirsich und steiniger Mineralität die im langen Abgang nachhallt.
Meine gute Laune wollte ich mit Leuten teilen, die mir mittlerweile richtig ans Herz gewachsen sind. So trugen mich meine Füße direkt zum Stand der „Gipsy Wines Crew“. Der Stand, der um unseren Winepunk der Herzen Marco Zanetti aufgebaut wurde, war stets bestens besucht und Anlaufstelle der Wein Facebookgemeinde. Auch der junge Winzer Philipp Kettern ist ein Teil dieser Gipsy Familie.
Das Niepoort/Kettern Goldtröpfchen Projekt!
Die Trauben für diesen außergewöhnlichen Wein wurden Anfang Oktober, aus einer der besten Parzellen im Goldtröpfchen mit der Hand gelesen. Im Anschluss lagerte der Wein zwei Jahre in einem 1000 Liter Fuderfass. Das Fass wurde stets voll gehalten, um jeglicher Oxidation zuvorzukommen. Daraus entstand ein fabelhafter Wein mit 12 Prozent Alkohol. 8 Gramm pro Liter Säure und knalltrocken. Bei einer Blindprobe hätte ich das eher nach Frankreich in Richtung Chablis gepackt. Diese Niepoort/Kettern Connection ist etwas ganz wunderbares und das Ergebnis beeindruckend! Die Weine verfügen alle über mächtig Power und dennoch versprühen sie eine Leichtigkeit, die einen nicht mehr so schnell loslässt.
U78+++Horror+++Altbier+++Schlafen+++Tag 2+++
Am zweiten Tag reiste ich dann nach Österreich. Besser gesagt in Halle 17. Unsere liebenswürdigen Nachbarn haben durch die neue Halle beinahe am Meisten profitiert. Endlich hohe Decken, genug Platz und frische Luft. Perfekt!
Artur Toifl kannte ich bisher nur via Facebook und seine Weine noch gar nicht. Also nichts wie hin. Er ist Kellermeister beim Weingut Thierry Weber und macht nebenbei noch seine eigenen Weine. Energie hat der Bursche genug. Extrem angetan war ich von seinem Grünen Veltliner Reserve (Kremstal DAC) trocken. Der „sur lie“ (auf der Feinhefe) Ausbau verleiht dem Wein einen schönen cremigen Touch, der dank der spritzigen Säure trotzdem druckvoll und frisch daher kommt. Erst folgt ein würziger Einstieg, dann runden Noten von Ananas, eingelegten Zitronen und Grapefruit das Ganze harmonisch ab.
Österreich ohne Blaufränkisch? Geht nicht und deswegen ging ich gleich, zu einem meiner Meinung nach besten Blaufränkisch Produzenten überhaupt, dem Weingut Wellanschitz (Burgenland/Neckermarkt).
Der „Sonnensteig“ ist das neue Flagschiff der Familie. In einer Höhe von 430 Metern liegt diese Steillage in der Nähe der ungarischen Grenze. Selbstverständlich werden die Trauben hier per Hand gelesen (30hl/ha) und danach für 24 Monate in kleinen Holzfässern (davon 50% gebraucht) ausgebaut.Der Wein duftet nach Curryblättern, Süßholz und Nelken. Nach einiger Zeit gesellen sich dunkle Beeren und ätherische Noten wie Eukalyptus hinzu. WOW!!! Dieser vollmundige und doch extrem kühl wirkende Blaufränkisch ist ganz großes Kino. Mit 34 € zwar kein „deutsches Schnäppchen“, dafür aber jeden Cent wert. Trinken oder weg legen, beides ist möglich. Wunderbar!
Das typische ProWein Fazit überlasse ich anderen. Ich persönlich interessiere mich nicht dafür wie viele Aussteller und Besucher da waren und welcher Rekord gebrochen wurde. Wie ich den deutschen Jahrgang 2014 zu bewerten habe, mag ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen da die ProWein dieses noch früher stattfand als üblich. Die talentierten Weinbauer schaffen es sowieso jedes Jahr mit den teils schwierigsten Gegebenheiten um zu gehen.
Den dritten Tag habe ich wie viele andere Winzer auch genutzt. Ich trat meine Heimreise an. Drei Tage auf der „Droge“ Wein waren genug für mich und als ich dann endlich in meiner Wohnung war und auf dem Bett lag musste ich zufrieden schmunzeln. Ich liebe diesen Weinzirkus und die ganzen Verrückten wirklich sehr. Ich will und kann es nicht mehr missen. Danke!
Sehr schöner Artikel!
Ja die sogenannten Naturweine, Orange Wine, Amphorenwein etc.: extrem polarisierend und wahrscheinlich ist es das, was ich an dieser Strömung so liebe. Die Weine zwingen einen, ausgelatschte Pfade zu verlassen und mal seinen Umgang mit Wein neu zu bewerten. Wer dazu nicht bereit ist, wird den Zugang dazu nur schwer oder überhaupt nicht finden. Ich habe festgestellt, daß viele Wein”kenner” ständig im Zwang stehen, vergleichen zu müssen. “Schmeckt wie…”, “Schöner xxx-Sitl…”, da kann ich ja gleich das “Original” trinken. Ich betrachte lieber jeden Wein für sich ohne nach links und rechts zu schauen, wenn er dann Spaß macht, ist es i.O., wenn nicht, dann eben nicht. So einfach kann es doch sein (ist es jedenfalls bei mir). Das schönste Statement, was ich zu diesem “Marktsegment” gefunden habe, steht auf dem Etikett eines 2012er Landgeflecht – Riesling vom Weingut Peter Jakob Kühn aus dem Rheingau: “Wein im ursprünglichen Sinn”…
Die Klasse von Thiery-Weber bzw. Artur Toifl kann ich nur bestätigen. Er hat mir im letzten Jahr fast sein gesamtes Sortiment persönlich vorbei gebracht, als er gerade auf Auslieferungstour war. Die Hälfte habe ich zwischenzeitlich probiert und wurde ausschließlich sehr positiv überrascht, sowohl von den “Standards” wie GV und Riesling als auch von den eher außergewöhnlichen Weinen wie dem “Wolferl”, ein quasi “Gemischter Satz” oder seinem eigenen Wein, ein GV Reserve, der unter seinem eigenen Namen verkauft wird und den er selbst als “Wein für Fortgeschrittene” tituliert.