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Tage des Rieslings – Teil 2: Mosel & Nahe

Gleich vorweg das Fazit: 2013 war nicht das Jahr von Mosel und Nahe. Zumindest nicht bei den trockenen Weinen. Dass dieser Satz sich natürlich relativiert, wenn man auf die einzelnen Weine und Weingüter schaut, ist auch klar. Aber eben weil beide Regionen etwas sehr durchwachsene Weine zeigten, erlaube ich mir, sie zusammenzufassen (etwas, was ich mir bei der Nahe die letzten Jahre nie erlaubt hätte – da hatte sie ihren herausragenden Einzelplatz immer sicher).

wiesbadenGG_01Die Mosel hat es erfahrungsgemäß bei den Grossen Gewächsen immer etwas schwerer. Das Filigrane und Schwebende, was die besten Moselweine auszeichnet, passt oftmals nicht zu einem trockenen Körper, der bei Moselweinen mithin den Eindruck der Kargheit entstehen lässt. Die Stärke der Mosel bleiben Weine, die mit etwas Restzucker aufwarten. Die letzten Jahre wurden in Wiesbaden nicht nur die Grossen Gewächse der Mosel, also die trockenen Weine, gezeigt, sondern auch eine Auswahl von Weinen aus Grossen Lagen, die mit mehr Süße spielen. Die Entscheidung des VDP, wirklich nur noch die trockenen Moselweine in Wiesbaden zu zeigen, reduziert die Weinauswahl natürlich. Mit einem Jahrgang wie 2013 leider auch die Klasse.

Einer, der letztes Jahr seinen ersten Auftritt bei den Grossen Gewächsen hatte, war das Weingut Heymann-Löwenstein. Auch mit dem 2013er konnte er wieder echte Grosse Gewächse präsentieren, wobei der “Uhlen Rothlay” als einziger fehlte. Den füllt Reinhard Löwenstein wohl wieder erst nächstes Jahr zu Ostern ab. Die beiden anderen Weine aus dem “Uhlen” – der “Blaufüsser Lay” und der “Laubach” – lassen die Vorfreude auf den “Rothlay” auf jeden Fall ansteigen. Kompakt, dicht, sehr elegant, wobei der “Laubach” einfach der schmeichelndere und, wenn man mir das Wort erlaubt, leckerere Wein ist. Ich habe „schön, schön, schön“ notiert und glaube, dass es auf den Wein am besten passt. Er ist einfach schön. Während der “Blaufüsser Lay” etwas würziger und kräutriger wirkt und dabei sogar in die Richtung Ingwer und Anis tendiert, ist der “Laubach” sehr deutlich auf der Fruchtseite: saftiger Pfirsich, süßer mürber Apfel gepaart mit einem, diesmal sehr dezenten, phenolischen Gerüst und einem sehr harmonischen Körper ohne jede Breite. Hatte ich es schon erwähnt? Es ist ein schöner Wein. Punkt.

Den Vogel an der Mosel hat aber mit dem loosenJahrgang 2013 das Weingut Loosen abgeschossen. Loosen ist ja eine Art Riesling-Institution, vergleichbar den Ikea-Möbeln: jeder kennt ihn, jeder hatte ihn schon mal im Glas und ihn gibt es wirklich auf der ganzen Welt. Dass Loosen nicht nur Ikea kann, sondern mindestens auch Vitra (was ich oftmals vergesse), beweist er mit den 2013ern. Insgesamt sechs Grosse Gewächse hat er angestellt, von denen vier – “Treppchen”, “Himmelreich”, “Würzgarten” und “Lay” – großartig sind. Einer jedoch, der “Prälat” aus 2013, ist sensationell. Es ist der Wein, zu dem ich meine längste Verkostungsnotiz geschrieben habe, weil ich nicht aufhören konnte, an ihm zu riechen und ihn im Mund zu haben. Außerdem habe ich ihn, um ganz sicher zu gehen, am zweiten Tag nochmals nachverkostet.

Der “Prälat” hat Tiefgang, ist für Mosel-Verhältnisse eher auf der fülligen Seite, aber eben wunderbar reif. Die Schieferaromatik in der Nase ist deutlich, trotzdem ziseliert und hintergründig, sie springt nicht an und nimmt in Besitz, sondern sie ist freilassend und dabei weise lächelnd. Der reife Körper hinterlässt einen herrlich cremigen Eindruck im Mund und die Steinobstnoten sind mit einer klitzekleinen Grapefruit-Bitterkeit unterlegt, die dem Wein eine tolle Spannung verleiht. Die Länge des Weins sollte man in Lichtjahren bemessen oder besser noch: eine neue Maßeinheit erfinden. Wirklich großartiger Stoff nahe der Perfektion. Loosen ist meine „Kollektion Mosel 2013“!

Zwischen Mosel und Rhein liegt bekanntlich die Nahe, eigentlich die sicherste Bank an Spitzenweinen der letzten Jahre. Leider konnte sie mit den 2013ern nicht brillieren. Da sind Dönnhoff und Emrich-Schönleber, die mit weitem Abstand die besten Weine abgeliefert haben, und dann kommt recht lange nichts. Aber keine Angst, die Weine von Dönnhoff und Emrich-Schönleber sind dafür allererste Sahne.

Bei Dönnhoff ist es vor allem die “Hermannshöhle”, die mich mit 2013 richtiggehend flasht. Irgendwie scheine ich auf den Geschmack von perfekt gemachten Gentleman-Weinen gekommen zu sein. Habe ich sie früher eher durch die ideologische „die-sind-aber-nicht- authentisch-Brille“ angeschaut, so finde ich inzwischen immer mehr Gefallen an ihnen. Vielleicht werde ich alt.

Was sicher ist: die “Hermannshöhle” von Dönnhoff ist extrem fein aufgegliedert, sie spreizt sich förmlich im Mund auf und offenbart von eher dunklen Aromen bis hin zu einer hohen Tonalität alles, was in einem Riesling sein kann: von tabakigen Aromen bis hin zu Schlehdorn und etwas Quitte ist das ganze Potpourri vertreten. Dazwischen natürlich alles, was in einem Fruchtkorb so drin zu sein hat. Dabei wirkt alles wie beiläufig drapiert und ist dennoch an seinem unverrückbaren Platz, ohne Effekte einzusetzen. Der Wein, so wirkt es, will gar nicht überzeugen oder laut „hier, hier, hier!“ schreien, sondern einfach nur ruhig dahinfließen und leise Bewunderung hervorrufen. Ein feiner Wein, der etwas Erhabenes hat.

Ungestümer dagegen wirkt der “Halenberg” von Emrich-Schönleber. Dieser Wein ist seit mehr als einem Jahrzehnt eine so sichere Bank, dass dem Weingut eigentlich der „Award of ewiger Verlässlichkeit“ verliehen werden müsste. Denn der “Halenberg” von Emrich-Schönleber ist ja nicht einfach nur ein guter Wein, der jedes Jahr aufs Neue gut ist. Nein, es ist ein Wein, der wirklich jedes Jahr begeistert. Und das durch Jungsein und Altwerden hindurch. Denn er hat die Anlagen zum Gentleman-Wein, auch wenn er noch die angedeutete Wildheit des Naturburschen in sich trägt. Am besten ist es, sich George Clooney mit Dreitage-Bart und derangierter Frisur vorzustellen. Es ist alles da, was ihn zum schönsten und begehrtesten Mann der Welt macht, trotzdem wirkt er fast nachlässig und das Herz erwärmend, dass man nicht umhin kann, sich nach ihm verzehren zu wollen. Nicht distanzierte Bewunderung ruft er hervor, sondern menschliches Begehren. So ist es auch mit dem “Halenberg” von Emrich-Schönleber. Ihn möchte ich an meiner Seite wissen, auf dass er mich erfreue, tröste und mit seiner Natürlichkeit wärme. In guten wie in schlechten Zeiten.

Amen.

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