Die Präsentation der Grossen Gewächse in Wiesbaden ist ja so etwas wie der Abschlussball des Weinjahrgangs. Erst danach ist klar, ob der Jahrgang wirklich etwas taugt und die Weine halten, was der Wetterverlauf versprochen hatte. Dass 2013 ein nicht nur kühles, sondern vor allem auch fäulnisproblematisches Jahr war, ist nichts Neues. Dass viele einfache Weine entweder zu sauer und unreif, oder aber durch kellertechnische Maßnahmen aufgehübscht daherkamen, ist ebenfalls nichts Neues. Würde sich dieser Trend bei den Grossen Gewächsen fortsetzen?
Das gleich vorweg: Nein! Natürlich gab es ein paar entsäuerte und knallhart geschönte Vertreter der Gattung „deutscher Riesling, den die Welt nicht braucht“. Aber erfreulicherweise war die Anzahl klein und sogar erheblich kleiner als in vergangenen Jahren. Der erste Eindruck nach dem Verkosten der Rieslinge aus 2013: es wird beim VDP strenger selektioniert und als Grosses Gewächs nicht zugelassen, was den selbst aufgestellten Qualitätskriterien nicht entspricht. Das ist wirklich erfreulich und nährt die Hoffnung, dass hier ein Verband lernfähig ist, statt es immer allen recht machen zu wollen.
Nehmen wir den Rheingau als Beispiel. Bisher stand diese mit Historie und Schönheit gesegnete Weinregion eher auf der Streichliste, wenn es darum ging, die Verkostungsarbeit abzukürzen und Weine einfach auszulassen. Inzwischen sollte man sich davor hüten. Denn im Rheingau scheint sich eine kleine Revolution zu vollziehen, und wenn dieser Prozess in einigen Jahren abgeschlossen ist, könnte der Rheingau ein Beispiel dafür sein, dass diese Kombination von Kulturlandschaft, langer Tradition und touristischer Infrastruktur nicht zwangsläufig zu Abstrichen bei der Weinqualität führen muss.
Mit dem Jahrgang 2013 schickt der Rheingau 56 Grosse Gewächse ins Rennen. Das ist zwar nicht weniger als letztes Jahr, aber zumindest ist der Trend zur immer weiter steigenden Zahl Grosser Gewächse gestoppt. Dass der Rheingau trotzdem noch die meisten Rieslinge in Wiesbaden anstellt (bei der viel größeren Pfalz sind es nur 48 Weine), ist dann wohl wirklich der langen Rieslingtradition geschuldet. Da geht sicher noch weniger, wenn es mehr sein soll. Aber die Richtung ist klar.
Ein Weingut, das mir bereits letztes Jahr aufgefallen war, hat mich auch mit den 2013ern überzeugt: Baron Knyphausen. Der quirlige Geschäftsführer Dr. Wolfgang Frank hat es geschafft, dieses etwas im Qualitätsschatten stehende Weingut wieder zu beleben. Warum von den vier Grossen Lagen nur die Lage “Wisselbrunnen” in Wiesbaden präsentiert wird, mag dem schwierigen Jahrgang geschuldet sein. Dass dieser “Wisselbrunnen” jedoch ein rundum spannender Wein ist, wird schon in der Nase deutlich: expressive Exotik, die sich mit einer gut eingesetzten Holzwürze paart. Keine Frage: dieser Wein versucht, in den Spuren von Winnings zu wandeln – oder zumindest Riesling „burgundisch“ zu interpretieren -, aber man spürt den Willen zur unbedingten Qualität. Das Holz ist gut, der Körper straff, die Säure reif, die Exotik animierend. Auf die anderen Lagenweine von Knyphausen darf man gespannt sein, wenn nicht dieses Jahr, dann mit dem nächsten Jahrgang.
Einer, den ich bisher nicht auf dem Schirm hatte, ist Ralf Schönleber vom Weingut F.B. Schönleber. Das sind grundehrliche Rieslinge, die nicht versuchen, irgendeinen Rheingauer Aristokratismus nachzumachen, sondern schlichtweg Herkunft zeigen und spannende, fordernde Aromen ins Glas zu bringen. Die Weine haben Grip, sind animierend und strahlen trotzdem Entspanntheit aus. Der Schönlebersche “Doosberg” ist auf der eher wilden Seite zu verorten mit Aromen nach Kräutern und vollreifen Früchten, während der Riesling aus dem “Nikolaus” mehr die überbordende Exotik betont. Beiden Weinen merkt man das reife, spät gelesene Traubenmaterial an. Der interessanteste Wein in der Kollektion ist ganz sicher der “Jesuitengarten”. Extrem kühl, etwas Minze, Lavendel, ganz leicht an der Grenze zum Flüchtigen, was dem Wein aber eine interessante „Coolness“ verleiht. Bei Schönleber bin ich mehr als gespannt, wie es weitergeht.
Überhaupt sind es die Bürgerlichen, die dem Rheingauer Weinadel den Rang ablaufen. Die Innovation findet auf Weingütern wie Kühn oder Ress statt (über den ich hier nichts schreiben werde). Und wer den Adligen vormacht, wie wirklich aristokratischer Wein geht, ist August Kesseler. Dazu muss ich vorwegschicken, dass ich nicht so der Fan dieser sehr vornehmen und ziselierten Weine bin. Sie strahlen Unnahbarkeit und Perfektion aus. Perfektion aber kann ich bewundern, lieben kann ich sie nicht. Zumindest nicht von ganzem Herzen.
Dass ich dem Weingut August Kesseler trotzdem die Medaille „Rheingau Kollektion des Jahres“ gebe, liegt einfach an der Tatsache, dass jeder einzelne der Kesseler-Weine großes Kino ist. Nicht nur die Rotweine, für die Kesseler eh schon berühmt ist, sondern dieses Jahr auch die Rieslinge. Und es fällt mir schwer, mich zwischen dem Riesling “Roseneck” und dem “Schlossberg” (beide aus Rüdesheim) zu entscheiden. Denn beide Weine sind absolut perfekte Vertreter eines feinen, zurückhaltenden, noblen, trotzdem spannungsreichen und packenden Rieslingtyps. Die Säure ist elegant und reif, perfekt eingebunden und beide Weine sind Schmeichler, ohne auch nur im entferntesten aufgesetzt zu sein. Ganz willkürlich entscheide ich mich für den Roseneck, einfach weil ich den “Schlossberg” noch im Zusammenhang mit dem Spätburgunder benötige.
Denn Kesseler setzt das, was er mit dem Riesling begonnen hat, beim Spätburgunder fort. Hier ist es der 2012 “Rüdesheim Berg Schlossberg” mit seiner grandiosen Cassis-Note, der vielleicht der beste 2012 Spätburgunder aus Deutschland ist. Aus dem Rheingau auf jeden Fall. Denn auch hier handelt es sich um einen perfekten und eleganten Vertreter eines zwar sehr traditionellen, nichtsdestotrotz ungemein eleganten und feinen Spätburgunders. Alles ist in sich gefügt, nichts hängt über, trotzdem hat der Wein Ausdruck ohne Ende und bringt einfach puren Trinkspaß.
Das ist aristokratischer Wein, auf den sich auch die echten Aristokraten aus dem Rheingau mal kaprizieren sollten.
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