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“Wetten, dass”…das auch ganz anders geht!

“Wetten, dass”, das wahrscheinlich erfolgreichste deutsche und europäische Fernsehformat aller Zeiten hat ausgedient und wird, zumindest vorläufig, eingestellt. Damit endet nicht einfach nur eine TV-Show, damit endet ein Stück TV-Geschichte.

Früher, ganz früher, da habe ich keine einzige Sendung verpasst. Ich war 11 Jahre alt, als die erste Sendung ausgestrahlt wurde und ich war immer dabei. Jeder, wirklich jeder, in meinem Umfeld hat Samstagsabends “Wetten, dass” geschaut und Montagmorgens in der Schule gab es kein anderes Thema. So lief das über viele Jahre – Jahrzehnte – und diese Sendung war ein fester Bestandteil der bundesdeutschen TV-Kultur. Überhaupt war, zumindest zu meiner Zeit, der Samstagabend heilig, quasi ritualisiert. Die Samstagsabendshow – egal welche –  war der Höhepunkt der Fernsehunterhaltung und der Höhepunkt der Woche. Dabei war der Samstagabendmoderator irgendwo zwischen Kanzler, Papst und Beckenbauer angesiedelt. Jeder kannte ihn, er war jemand und spätestens nach dem Ableben des selbigen, ging die Verklärung bis ins Unendliche – siehe Kuhlenkampf… Das, liebe Kinder, kann man sich heute gar nicht mehr wirklich vorstellen, aber so war das damals, im Zeitalter vor dem Internet. Ja, iiiihhhh….kein Internet!!!

Das Fernsehen hatte ein ganz andere Bedeutung, als es heute auch nur noch im Ansatz der Fall ist. Die drei Sender, die es gab, nahmen es dann teilweise doch ziemlich ernst mit dem Auftrag und am Ende ging es nur um Relevanz. Fairnesshalber muss hier angemerkt werden, dass die damalige seichte Unterhaltung durchaus auch Relevanz hatte. Sämtliche Heimatfilme, Volksmusikbeschallungen und was sonst noch dazu gehörte, war ein Teil des Wiederaufbaus. Der Samstagabend war ein kollektives, republikweites, verbindendes Kuschelerlebnis. Wohlfühlen war angesagt – vergessen sowieso!

Diesen Teil unserer Kultur verschweigen wir heute ja gerne. Zumindest verstecken wir ihn, es sei denn, wir sind auf der Skihütte und haben um die 1,5 Promille. Kuscheln ist uncool. Braucht keiner! Der Musikantenstadl, eines der erfolgreichsten TV-Formate aller Zeiten, mitsamt dem Inhalt ist angeblich zu ertragen, wie überhaupt die Welt des Schunkelns und der Volksmusik gerne als Parallelwelt abgetan wird. Und nein, Helene Fischer gehört nicht in diese Welt, die gehört in eine eigene. Viel eher gehört da Andrea Berg rein. Eine Frau, die in Deutschland länger in den Charts war, als die Beatles. Und keiner hat es gemerkt. Oder tut heute zumindest so. In der Mediensozialisierung der letzten zwei Jahrzehnte hatten die Andrea Bergs so oder so einen “Goût”. Wo heute Helene Fischer gleich im Doppelpack alles wegmoderiert, was wegzumoderieren ist, wurde bis vor Kurzem der Teil des Echos, der sich der Volksmusik widmete, einfach herausgeschnitten und nicht gesendet. Das gab es nicht, das durfte es nicht geben. Selbst dann nicht, wenn sich der ein oder andere Volksmusikstar neu erfand und mit Schnellscheißerhosen und Basekapp versuchte, ein neues Zielpublikum zu erreichen. Wie auch immer, das Fernsehen war früher anders.

Ich gehöre zur ersten Generation Bundesbürger, bei der das Fernsehen, versehentlich versteht sich, in die Rolle des Erziehungsberechtigten rutschte. Zwar wurde damals “Tom und Jerry” wegen ausufernder Gewalt aus dem Vorabendprogramm verbannt und irgendwo in Richtung “heute-journal” verfrachtet, geschaut wurde es trotzdem. Es gab TV-Sendungen, wegen denen durfte man – ausnahmsweise – früher aus der Schule nach Hause, um sie zu sehen. Kaum vorstellbar, oder?! Es gab Sendungen, die liefen dann sogar in der Schule, im Unterricht. Und das war nicht nur das “Telekolleg” oder ähnlich einschläfernde Folter. Der Frontalunterricht wurde durch ein bewegtes Bild aufgelockert. Revolutionär, beinahe. Dabei fällt mir gerade auf, dass es den klassischen Frontalunterricht heute noch an den Schulen gibt. Wie frustrierend! Aber das ist ein anderes Thema!

Zurück zum Thema

“Wetten, dass” ist jetzt Geschichte. Fürs erste zumindest. Markus Lanz wird als derjenige in die Annalen des TV eingehen, der dieses Format in den Tod moderiert hat. Das ist sein persönliches Schicksal. Davon wird er sich nur schwer erholen. Es würde mich nicht wundern, wenn das Jahr 2015 ein eher “Lanzfreies” Jahr wird. Zu den bereits vorhandenen Stigmata kommt nun auch noch dieses dazu: “Zerstörer der erfolgreichsten TV-Sendung Deutschlands, Europas, der Welt”. Ein Sabbatical, von mir aus auch ein längeres, wäre angesagt.

Er wollte es so, keine Frage, niemand hat ihn zur Gottschalk-Nachfolge gezwungen. Der bekam zwar auch immer direkt Sonntags medial die Hucke voll, an dem ist das aber irgendwie abgeperlt. Gottschalk hat das beinahe nie gejuckt. Lanz schon. Der ist, ähnlich wie Till Schweiger, in den Momenten der größten Kritik eher dünnhäutig und weinerlich. Wobei Schweiger eher aggro wird – so wie Klopp. Aber mal ehrlich, wer kann das schon? Wer kann schon wirklich gut mit Kritik umgehen? Das Fordern nach einem guten Umgang mit selbiger geht schnell und ist ziemlich einfach…

Und ganz sicher tut mir der Lanz auch ein wenig leid. Wir sind nicht nur ein Volk von Fußballtrainern, wir sind auch lange schon ein Volk von Moderatoren. Nicht nur wenn es um Fußball geht, leider! Natürlich mögen wir kaum einen  Fußballmoderator und auch mir graut es jetzt schon wieder vor Bela Rethys live Jobs im Sommer in Brasilien. Aber das gehört zum guten Ton, zu unserer TV-Fußball-Kultur. Aufregen ist wichtig und der Moderator muss dafür herhalten. Meist zu Recht, übrigens….

Neu, zumindest für mich, ist die Tatsache, dass “man” jetzt auch sämtliche Gala-, Live- und Talkshowmoderatoren für Pfeifen, und im Umkehrschluss sich selbst für überlegen hält. Das fängt im Kleinen an. Schönes Beispiel diese Woche Chefcholeriker Klopp und der junge Mann vom ZDF – Jochen Breyer. Zugegeben, seine Fragen waren nicht Pulitzer-Preis verdächtig. Das hat er dann auch selbst eingesehen. Der Kollektive Volkszorn war ihm sicher – garniert mit nützlichen Tipps. Zumindest im Netz. “Milchbubi”, “Mädchenpensionat”, “geh üben”, “moderiere lieber einen Seniorennachmittag”. Die Meinung in Richtung Breyer war eindeutig. Dabei ist der Mann ein echtes Talent. Zu besichtigen Samstags Abends im “Aktuellen Sportstudio”. In so Momenten bin ich übrigens immer froh, dass es das Internet gibt. Wo sollte sich denn sonst der Zorn, diese schier unendliche Erregung kanalisieren, wenn nicht hier. Man stelle sich das einmal anders vor… besser nicht!

Im großen Kontext schlussfolgert sich quasi wie von selbst, dass jeder – wirklich jeder – so ein “Wetten, dass” besser moderiert, als Lanz das getan hat. So klingt das alles zumindest immer für mich. Dabei, Ihr lieben “Bessermoderierer”, ist wahrscheinlich der Seniorennachmittag schon das Ende der Fahnenstange. Zumindest was die Moderation betrifft. Die wird ähnlich erfolgreich sein, wie Eure Taktikschulung der Deutschen Nationalmannschaft. Ich meine das nicht böse, ich will das nur einmal gesagt haben… Wenn ich auf der “Wetten, das” Bühne stehen würde, ich bekäme kein Wort heraus! Aber ich bin auch nicht so cool, wie Ihr alle.

Aber, und jetzt kommt das große ABER, alles das (schon gar nicht meine kleine Erregung), ändert nichts an der Tatsache, dass Lanz der völlig falsche Mann für “Wetten, dass” war. Und leider hat er es nicht rechtzeitig eingesehen. Da war schon einmal einer, der das nicht konnte. Lippert hieß der und dessen Karriere hat sich eigentlich nie wieder wirklich von diesem Desaster erholt. Einziger Trost für Lanz und Co: Irgendwann in absehbarer Zeit interessiert das Ganze so oder so kaum noch einen. Mit der Einstellung von “Wetten, dass” setzt das ZDF für mich ein deutliches Signal. Wenn auch nicht direkt und sofort ersichtlich, aber dennoch deutlich. Das Fernsehen, so wie wir es kennen, ist tot. Sagen wir, es beginnt zu sterben. Schon heute schaut der überwiegende Teil der Deutschen kein TV mehr. Eine Top-Quote von 12 Millionen Zuschauern ist was? Pi mal Daumen ein Siebtel der Bevölkerung. Genau das ist der größte Unterschied zu früher. Die gesellschaftliche Relevanz ist perdu. Die hat jetzt das Internet!

2 Kommentare zu ““Wetten, dass”…das auch ganz anders geht!

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