Heute hat einer der Granden der deutschen Weinwelt Geburtstag – Armin Diel wird 60.
Armin Diel ist in erster Linie Winzer. Mit Leib und Seele. Er ist aber auch Journalist – durch und durch. Wenn man näher mit ihm zu tun hat, ist das deutlich zu spüren. Er hinterfragt, gerne auch einmal penetrant und kritisch. Er kombiniert schnell und recherchieren kann er auch. Man kann sich wunderbar mit ihm streiten und kontrovers diskutieren. Gerade diese Eigenschaft schätze ich sehr an ihm. Andererseits kann er aber auch – wenn er will und wenn es denn sein muss – sehr diplomatisch und konziliant sein. Eine Eigenschaft, die als VDP-Präsidiumsmitglied und Regionalvorsitzender ganz sicher nicht falsch ist. Laut ist er – was in erster Linie von Haus aus an seiner Stimme liegt. Armin Diel ist niemand, der überhört wird. Auch nicht inhaltlich. Ich mag ihn, und ich habe Respekt vor ihm und seiner bisherigen Lebensleistung.
Wer ihn ein wenig näher kennt, weiß, dass diese Lebensleistung insbesondere seiner Familie geschuldet ist. Diel ist ein Familienmensch durch und durch. Sämtliche Elogen, die er heute voraussichtlich zu hören bekommt, hört er auch deshalb, weil seine Frau Monika – von allen nur “Mo” genannt – ihn seit Jahrzehnten unterstützt und ihm den Rücken freihält. Tochter Caroline hat in den vergangenen Jahren mehr und mehr die Verantwortung im Weingut übernommen und der in Hamburg lebende Sohn Victor ist insbesondere im Export tätig.
Und weil ein 60igster ja dann doch ein großes Ereignis ist, haben wir hin- und hergemailt und Armin Diel hat mir einig Fragen beantwortet.
Der große Curd Jürgens sang : “60 Jahre und kein bisschen weise”. Wenn wir das Wort “weise” weglassen, was setzt Du ein und warum?
Armin Diel: “und kein bisschen leise”, weil ich meine Überzeugungen leider schlecht für mich behalten kann!
Was waren für Dich die drei herausragendsten Ereignisse in den letzten 60 Jahren?
Armin Diel: Die Hochzeit mit meiner Frau Monika am 16. Juni 1979. Die Geburt meiner Tochter Caroline am 5. März 1980. Die Geburt meines Sohnes Victor am 5. Oktober 1982
Was war das ganz besondere berufliche Erlebnis?
Armin Diel: Als wir für zwei Eisweine des Jahrgangs 1992 von Robert Parker jeweils 99 Punkte erhielten.
Was war der schwerste Moment in Deinem Leben?
Armin Diel: Die Übernahme des seinerzeit wirtschaftlich nicht gerade gut dastehenden Weingutes an meinem Geburtstag, dem 1. Oktober 1987.
Du hast die deutsche Weinwelt, zumindest publizistisch, nachhaltig verändert. Als Chefredakteur und Herausgeber des Gault Millau warst Du sicherlich einer der einflussreichsten Persönlichkeiten der deutschen Weinwelt. Ist Dir das bewusst? Wie fühlt sich das an und wie ist der Blick zurück? Fehlt Dir etwas?
Armin Diel: Der Blick zurück ist in dreifacher Hinsicht entspannt: Erstens, war es für mich als Winzer von Anfang an eine große Belastung, Kollegen beurteilen zu müssen. Mein Abschied im Jahr 2009 war deshalb in jeder Hinsicht eine große Erleichterung. Zweitens, bin ich sehr froh, dass der Gault-Millau heute immer noch so gut dasteht. Drittens, bin ich geradezu glücklich, welchen Stellenwert der deutsche Wein inzwischen wieder in der öffentlichen Wahrnehmung einnimmt, sowohl im In- als auch im Ausland. Das war bei der Gründung des Gault Millau im Jahr 1992 in dieser Form nicht einmal zu erhoffen.
Ist ein Weinführer in dieser Form überhaupt noch für zeitgemäß?
Armin Diel: Ich denke schon, zumal es den Gault Millau ja inzwischen auch als App gibt.
Die deutsche Weinpublizistiklandschaft hat sich in den letzten fünf Jahren nachhaltig verändert. Auflagen sinken, das Internet boomt, soziale Netzwerke übernehmen mehr und mehr die Aufgabe der Information. WIE SIEHST DU DIESE ENTWICKLUNG?
Armin Diel: Das Interesse am deutschen Wein ist jedenfalls riesengroß und man wird sehen, welche Kommunikationsstränge sich auf Dauer behaupten werden.
Wie siehst Du als einer der “Präsidialen” des VDP die aktuelle Entwicklung in Sachen Klassifikation und Kommunikation der selbigen?
Armin Diel: Die Klassifikation des VDP ist in ihrer Substanz unumkehrbar: Große Lagen in Kombination in Verbindung mit regionaltypischen, klassischen Rebsorten, geringen Erträgen und klaren Geschmacksprofilen sind ein Meilenstein in der Profilierung deutscher Spitzenweine.
Macht es Deiner Meinung nach Sinn, ein Grosses Gewächs nur auf einen trockenen Wein zu reduzieren?
Armin Diel: Absolut ja! Für die klassisch fruchtigen und natursüßen Weine stehen die Prädikatsbezeichnungen als sinnstiftende Synonyma zur Verfügung. Das versteht die Welt weitaus besser als die hierzulande vermeintlich gelernte Differenzierung einer trockenen, halbtrockenen und süßen Spätlese aus ein und derselben Lage und Rebsorte. Damit kann kein Mensch in Amerika oder Japan mehr etwas anfangen.
Wird sich dieses System auf Dauer etablieren?
Armin Diel: Davon bin ich felsenfest überzeugt. In der Welt des Weines hat sich GG als Markenzeichen für große trockene Weine aus Deutschland schon etabliert.
Ist es mit 60 an der Zeit loszulassen und abzugeben? Auch im Hinblick auf den VDP?
Armin Diel: Für mich ist das überhaupt kein Problem. Meine Tochter Caroline hat seit ihrer Rückkunft ins eigene Weingut Schritt für Schritt die Verantwortung für die Arbeit in Weinberg und Keller übernommen und teilt sich heute die Arbeit mit unserem langjährigen Betriebsleiter Christoph Friedrich. Natürlich stimmen wir uns darüber ab, welche Weinberge wir kaufen, welche Rebsorten wir pflanzen und wie die jeweiligen Weine zu schmecken haben. Das geschieht übrigens fast immer in verblüffender Übereinstimmung. Was den VDP-Nahe anbelangt, sind wir schon länger auf der Suche eines geeigneten Kandidaten für die Nachfolge. Unser Problem ist, dass die ältere Generation altersmäßig um die sechzig Jahre herum liegt und die junge bei dreißig. Uns fehlt im Grunde genommen die Altersklasse zwischen vierzig und fünfzig Jahren. Aber wir arbeiten daran und werden in den nächsten Jahren ganz sicher eine gute Lösung finden, denn es muss ja vorwärts gehen.
Armin Diel: Du bist einer der grössten Kritiker des Rheingau? Warum, was stört Dich?
Es liegt mir gänzlich fern den Rheingau zu kritisieren, das verbietet schon der Respekt vor der Arbeit der Kollegen, mit denen mich sogar Freundschaften verbinden. Als ich in Geisenheim zur Schule ging, fuhr ich täglich zwei Mal am majestätisch gelegenen Schloss Johannisberg vorbei, welches für mich auch heute noch eine Art Kulturdenkmal des Rieslings ist. Jahrhunderte lang stand der Rheingau zusammen mit der Mosel archetypisch für den deutschen Riesling und es ist mir in der Tat ein Rätsel, weshalb der Rheingau heute nicht mehr ganz so glänzend dasteht. Möglicherweise hat dies mit dem Verschwinden einiger altrenommierter Güter wie Schloss Eltz und Schloss Groenesteyn zu tun. Vielleicht aber auch mit einem Hauch von Selbstgefälligkeit zu tun. Mich hat es schon in den 1970er Jahren sehr irritiert, mit welcher Herablassung man im Rheingau von der “Eebsch Sait” zu sprechen pflegte, womit man die vermeintlich mangelnde Qualität der Weine von der anderen Rheinseite abkanzelte. Das soll inzwischen aber gebessert haben, sowohl die Qualität der rheinhessischen Weine als auch die Wertschätzung durch die Rheingauer Winzer.
Armin Diel: Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus? Ruhestand? Insel?
Die Zukunft hat im Schlossgut Diel schon mit Carolines Rückkehr nach ihren Lehr- und Wanderjahren im Jahr 2006 begonnen. Mit der Lese 2013 nehmen wir nun unser neues Kelterhaus in Betrieb, welches in Ergänzung zu den historischen Kellergewölben eine zusätzliche Lagerkapazität von 100.000 Litern schafft. Ansonsten arbeite ich für mein Leben gern und wüsste nicht, was ich mit der vielen Zeit anfangen sollte. Meine Golfmitgliedschaft habe ich Ende vergangenen Jahres zurückgegeben…
Das Foto hat Andreas Durst gemacht