Im Rheingau gibt es, einzigartig in Deutschland, seit 1999 eine gesetzliche Lagenklassifikation. Basis hierfür ist eine wissenschaftlich erarbeitete Gütekarte, die es bisher erlaubte, aus bestimmten klassifizierten Lagen sogenannte „Erste Gewächse“ zu produzieren. Ab dem Jahrgang 2012 wird alles anders…
Im vergangenen Jahr hat der VDP in Deutschland seine verbandsinterne Klassifikation modifiziert. Im Zuge dieser Modifikation hat sich der Rheingauer Regionalverband des VDP dazu entschlossen, künftig ebenfalls „VDP.Grosse Gewächse“ zu produzieren. Grundlage hierfür ist natürlich immer noch die gesetzliche Lagenkarte des Rheingaus. Allerdings wird es künftig eine ganz entscheidende Änderung geben, und das ist der Weg, den ein Wein nehmen muss, um ein „VDP.Grosses Gewächs“ zu werden.
Der Rheingau, und hier allen voran der VDP, stand mit seinen „Ersten Gewächsen“ in den letzten Jahren im Zentrum starker Kritik. Teilweise berechtigt, teilweise natürlich auch getragen von Emotionen, die der ganzen Sache sicherlich nicht immer gerecht wurden. So angesagt es war, bestimmte Gebiete und Weine zu feiern, so angesagt ist es allem Anschein nach auch, auf den Rheingau zu schimpfen. Das gehört irgendwie zum guten Ton und ist aber bei näherem Hinschauen mindestens genauso falsch wie das übertriebene Bejubeln anderer Dinge. Wein ist und bleibt eben ein hoch emotionales Thema. Dass der VDP hier ganz besonders im Fokus steht, wird alleine schon dadurch deutlich, dass über 40 Prozent der Rheingauer Weinbaufläche von VDPisten bewirtschaftet wird. Das dürfte in Deutschland sicherlich eher die Ausnahme sein. Der Rheingauer VDP ist, gemessen an der Gesamtfläche des Gebietes, sehr groß. Zum einen ist das dem Zusammenschluß von Charta und VDP im Jahr 1999 geschuldet, zum anderen liegt das natürlich auch an der Tradition des Gebietes. Hier wurde eben schon immer fast ausschließlich Riesling auf einem sehr hohen Niveau produziert. Weingüter wie Künstler, Leitz, Weil, Kühn, Schloß Johannisberg, Spreitzer oder Kesseler gehören ganz sicher zu den besten Produzenten des Landes. Natürlich auch Breuer – auch wenn der Betrieb nicht mehr im VDP ist. Die Dichte an erstklassigen Rieslingerzeugern ist einfach sehr groß. Daneben wächst übrigens, weitestgehend unbemerkt von den deutschen Weinschreiberlingen, eine beachtliche Dichte an sehr guten Produzenten heran, die nicht im VDP sind.
Am vergangenen Montag hat der Rheingauer VDP nun ein neues und ziemlich einzigartiges Anerkennungsprozedere seiner neuen „Grossen Gewächse“ beschlossen. Bisher war es so, dass der Wein in einer Blindprobe beim Rheingauer Weinbauverband angestellt und genehmigt werden musste. In der jetzt beschlossenen Vorgehensweise wird ein Wein über einen langen Zeitraum begleitet und diskutiert. Über eine Blindprobe, mehrere Kollegenproben, bis hin zu seiner tatsächlichen Anerkennung, ist ein extrem transparenter und anspruchsvoller Prozess entstanden. Im Mittelpunkt steht das selbstkritische Hinterfragen eines Weines. Immer und immer wieder. Das Ganze gipfelt dann in einer „Anerkennungsprobe“, in welcher der Winzer offen einem größeren Kreis seinen Wein präsentiert, dieser dann diskutiert und, wenn der Wein dementsprechend ist, als „VDP.Grosses Gewächs“ anerkannt wird.
Ich höre schon einige aufschreien und lachen, dass „Selbstkritik“ doch sicher sehr schwierig bis nahezu unmöglich wäre. Ich bin mir sicher, dass dies nicht der Fall sein wird. Es geht ein Ruck durch den Rheingau, eine Art Aufbruchstimmung. Gleiches gilt auch für den Rheingauer Weinbauverband, der ebenfalls an seiner Prüfungsordnung nachhaltig arbeitet. An dieser Aufbruchstimmung sind im Übrigen alle eingeladen konstruktiv teilzuhaben. Das gesamte Prozedere ist transparent und offen. So offen, dass beispielsweise bei den Kollegenproben durchaus auch „Externe“ anwesend sein können, um die Weine kritisch und konstruktiv zu begleiten.
Sollte das dann wirklich so eingehalten werden besteht ja noch Hoffnung. Aber wie sieht es denn mit der “Lagenzuteilung” für das GG im Rheingau aus ? Es gab ja im Laufe des Jahres mehrere Diskussion, dass aus einer Lage nicht jeder ein GG machen darf/soll. Bzw. das wenn es ein GG aus der Lage gibt ein nichtGG trockener Lagenwein aus dieser Lage nicht mehr möglich sein soll. Habe das jetzt auch nicht mehr 100% im Kopf, habe nur mit einigen Kollegen im Rheingau gesprochen gehabt, die da auch noch etwas verwirrt bzw. uneins waren, über das neue System. Gibt es dazu auch schon was neues Dirk oder bis jetzt nur die Prüfmethode ?
@Constantin
Also: Grundsätzlich ist JEDE bisherige Lage auch zunächst einmal ein “Grosse Lage”. Alles andere wäre gesetzlich auch gar nicht möglich. Was im Moment aber passiert, ist, dass sich die Winzer in den einzelnen Gemeinden zusammensetzen und tatsächlich ganz unemotional bilanzieren, was denn nun tatsächlich eine “Grosse” und was vielleicht doch eher eine “Erste Lage” ist. Dieser Prozess ist angestoßen und läuft bereits ziemlich gut und konstruktiv. Natürlich bedarf es einer viel weitergehenden Betrachtung der einzelnen Lagen um sie final zu klassifizieren. Aber auch das ist angestoßen und kommt bestimmt irgendwann auf den Weg. Ein großer Vorteil an der Sache ist, dass es im Rheingau echte ausgewiesene Spezialisten gibt. Ich denke da beispielsweise an Herrn Presser vom Weinbauamt, der wie kaum ein Zweiter in der Lagen- und Bodenthematik drin ist. Er hat unter Anderem den “Standortviewer” mitentwickelt. Ein großartiges Tool, wie ich finde. http://www.hlug.de/static/medien/boden/fisbo/weinbau/WeinbauStandortViewer.html
Und so gibt es in der Region mehrerer extrem kluge Köpfe, die an die Sache rangehen.
Schöner Artikel. Die “Emotionalität”, mit der solche Debatten mitunter geführt wurden, ist aus meiner Perspektive allerdings nicht damit zu erklären, dass Wein ein “emotionales Getränk” ist sondern natürlich damit, dass es bei diesem ganzen Gezerre um die Klassifikation dem Rheingau um die Verteidigung einer historisch erarbeiten Spitzenposition ging, wahrscheinlich einiges an Neid entstand, als sich herausstellte, dass dieser Verband erfolgreich sein würde aber mit den anderen nicht mehr zusammen arbeitet – klar wird es dann “emotional”, wenn über Marktzugänge nicht mehr verhandelt werden kann. Ich interpretiere das Bemühen des VDPs, die Transparenz bei der Prüfung der GGs herzustellen auch als einen interessanten Versuch, die Kritik an der Intransparenz seiner Entscheidungsfindung ernst zu nehmen. Interessant wäre in dem Zusammenhang allerdings, ob es eine Obergrenze gibt/geben wird für die Anzahl der GGs oder ob die Mitgliedschaft im VDP als solche schon bedeutet, dass jeder sein/ihr GG bekommt..wirklich glaubhaft wäre die Obergrenze.
@Thorsten Kogge
Natürlich gibt es KEINE Obergrenze für GGs, dass kann es ja auch gar nicht geben. Was aber durchaus sein KÖNNTE, ist, dass es quasi von selbst weniger GGs irgendwann gibt. Das wird die Zeit zeigen
Aber um das noch zu ergänzen: der Ruck und die Diskussion als solche sind sehr positiv und sollten daher auch konstruktiv begleitet werden.
Gut. Wie lange dauert das dann?
Wieso sollten denn nicht GG aus großen Lagen keine Lagenweine mehr sein. So wie ich es verstanden habe, sind bei Lagenweine nur keine Prädikatsangaben bei trockenen Weinen erlaubt. Allerdings wird es schwer, uns Verbrauchern den Unterschied zwischen Weinen aus Großen Lagen und Großen Gewächsen zu erklären. Imho wäre die Vierstufigkeit (Gutswein, Ortswein, Erste Lage, Große Lage) leicht abgeändert besser umgesetzt: Gutswein, Orstwein, Lagenwein, (geprüftes) Großes Gewächs
@Tom
Der trockene Wein aus einer “Grossen Lage” ist das Grosse Gewächs. Es gibt aber die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung für einen trockenen Zweitwein aus einer “Grossen Lage”. Ab Kabinett aufwärts sind die Weine aus einer “VDP.Grossen Lage” rests- bzw. edelsüß.
Das klingt doch vernünftig und lässt das Bemühen erkennen, dass was sich Großes Gewächs nennt auch einfach “Grand Cru”-Niveau haben muss. Bleibt nur zu hoffen, dass das nicht zu einer Vereinheitlichung der GGs führt, weil man “eigenwilligen” Weinen den GG-Status nicht zubilligt.
@Rieslingfan
Gerade die Vereinheitlichung wird eben nicht passieren.
Sehr spannend, Frage – wann erfüllt ein Wein nach dem Rheingauer VDP die Kriterien um ein „Grosses Gewächs“ zu sein? Was zeichnet ihn aus? Wie werden also die Prüfer geeicht? Stimmt das mit dem ganzen VDP überein?
“Natürlich gibt es KEINE Obergrenze für GGs, dass kann es ja auch gar nicht geben” Nein? Wieso das denn nicht? Ich denke, die GGs sollen die Spitzenklasse der Weine einer Region darstellen – wenn das der Anspruch ist, MUSS eine Bezeichnung wie GG begrenzt sein, bezüglich der so klassifizierten Fläche bzw. der Anzahl der Weine, die aus diesen Lagen stammen. Ist doch selbsterklärend?? “Qualitätspyramide” macht anders auch keinen Sinn.
@Thorsten
Wie soll das denn in derPraxis gehen? Wenn Du eine klassifizierte Lage hast, die 15 Hektar groß ist und da 10 Besitzer drin sind und von den zehn, sieben einen großartigen Wein in einem Jahrgang machen, dann sagst Du: “Nö, es dürfen nur drei sein”?
@ Dirk: Dazu werde ich in der Weinrecht-Gruppe etwas ausführlicheres posten, heute oder am WE. Tenor: das ginge in der Praxis, bei der Gesamtfläche, die als GG durchgeht.
Lieber Dirk, ein tatsächlich zeitgemäßes Thema, von dem wir sicherlich nicht das letzte mal gehört haben werden! Könntest du mir bitte sagen, ob ich irgendwo die laufenden Änderungen der Prüfungsordnung des Rhg. WBV nachlesen kann? Vielen Dank
@Leelalaura
Nein, dazu habe ich im Moment noch keine Infos
Pingback: Düsiblog - Matthias Düsi
@Düsi
Übersetz mir das mal in normales Deutsch
Trotzdem danke!
Ich bin mir nicht sicher, ob mit der Umstellung auf diese neue Klassifizierung tatsächlich mehr Transparenz und ein echter Mehrwert für den Käufer entsteht. Das ist meines Erachtend ein sehr deutscher Ansatz. Aber ich bin mal gespannt, was sich hier tut und ob am Ende tatsächlich mehr Qualität in einer Flasche steckt, auf der Erste Lage draufsteht…
Pingback: 2011er Große Gewächse Rheingau, Franken, Baden – ein kleines Probenfazit » originalverkorkt