Felix vom Blog “Der Schnutentunker” auf seiner Mosel-Mission…
Nun bin ich also an der Mosel, in Würtzmission, undercover. Es wird noch geerntet. Was in die Keller kommt, ist sehr gutes Ausgangsmaterial. Mehr lässt keiner raus, aber die Augenwinkel legen den Schluss nahe, es könnte was Großes werden. Lassen wir uns überraschen. Einstweilen geht es um Kandidaten aus 2011.
Der junge Milde
Die Mosel unterteilt sich für mich in drei Bereiche: Terra incognita an der Obermosel, da fahre ich nur hin, um an Ruwer oder Saar links abzubiegen; mittlerer Teil, Schauplatz meiner Rieslingsozialisation und unterer Teil, der für mich aus ein paar wenigen Namen besteht: Clemens Busch ist für mich Arbeit: viel Stoff, viel Alk und viel Aroma – für viel Genuss, wenn in vernünftigen Dosen genossen. Löwenstein ist eine Geschichte für sich, auf meinem Blog ausreichend thematisiert. Dazu noch Franzen und Knebel. Letzteres ist ein Gut, zu dem ich nie Zugang fand. Fast so dick wie Busch aber lange nicht so facettenreich – ich habe es oft genug versucht und irgendwann aufgegeben. Dann kam eine tolle Weinmesse in Berlin, die Winevibes. Ich wurde überfallen, vom Würtz, der dort ausstellte. ,Pass mal kurz auf meinen Stand auf, ich muss jetzt Chilenen saufen gehen‘ (je dringender das Bedürfnis, desto direkter der Würtz), wurde ich kurzerhand gekidnappt. Da zwischendurch selbst beim Weltspitzenmeisterweingut Ress der Stand ohne Interessenten sein kann, durfte ich beim Nachbarn naschen gehen: Matthias Knebel präsentierte seine 2011er. Ob der Kürze der Zeit wurde auch ich direkt: ,Keine Zeit für den Basisquatsch, gib mal Uhlen‘ eignete ich mir die Würtz‘sche Sprache an. Was kam war ein Elektroschock. Der Winninger Uhlen ist eine der spannendsten Lagen der Welt (ginge vermutlich auch eine Nummer kleiner, habe ich jetzt aber keine Lust zu). Löwensteins 2001er und 2005er Uhlen-R gehören zu den zehn schönsten (halb)trockenen Rieslingen, die ich im Leben trinken durfte.
Die Weine von Knebel aus dieser Lage kamen da nie mit. Doch Matthias Knebel, der das elterliche Weingut mit dem Jahrgang 2010 übernommen hat, schaltet einfach einen Gang zurück. Was er produziert, ist ein Wein ,normalen‘ Reifegrades, mittlerer Konzentration und (mir fällt keine bessere Beschreibung ein) gezähmter Machart. Das ist nicht unbedingt das, was man von einem erwartet, der seinen zweiten Jahrgang produziert, aber es tut so gut. Denn was rauskommt, ist die Lage in leise und das reicht vollkommen. All das kam mir beim ersten Schluck in den Sinn. Weil man es übertreiben kann mit der Weininterpretation, bin ich hingefahren, einfach noch mal probieren. Das Bild hat sich bestätigt: eine tolle Kollektion. Der Hamm ist der trockenere Wein und ebenfalls eine Granate, ich spielte kurz mit dem Gedanken, diesen für unsere Verkostung zu nominieren. Aber dann kam der Uhlen an die Reihe und mit ihm der Elektroschock zurück. Er ist nicht gesetzlich trocken, aber da dehne ich die Regeln – den Rheingauer Bestimmungen für das erste Gewächs entspricht er nämlich..
Die einsame Spitze
Der Bremmer Calmont ist eine faszinierende Ecke. Der Weinberg ist der steilste Europas, die Mosel macht dort ihre engste Kurve (die definiert, wie lang ein Moselschiff maximal sein darf, denn diese Kurve gilt es zu nehmen – von oben zu beobachten, wie so ein Kahn durch diese Schleife schippert, lässt Männer wieder zu Jungen werden) und mitten im Weinbergs-Klettersteig steht ein Warnschild, das Deutschland als Land der Dichter und Denker ausweist (,Rumpeldipumpel, weg ist der Kumpel‘) – wenn es mehr als nur einen richtig guten Winzer auf der Ecke gäbe, ich würde mich dort niederlassen. Aber es gibt nur die Franzens. Also nimmt man nur für sie die Extrakilometer von Bernkastel auf sich.
Wenn man ein Gebiet so mag und so gründlich erkundet, wie ich die Mosel, hat man irgendwann ein Problem, man erhält Post von 30 Betrieben und möchte am liebsten 30 mal bestellen – aber wer soll das alles trinken? Also heißt es aussieben. Und so fiel das Gut irgendwann aus meinem Raster. Der Würtzwettstreit war willkommener Anlass, meinen Franzenboykott ad acta zu legen. In der Zwischenzeit ist viel passiert. Reinhold Franzen verunglückte 2010 tödlich, Sohn Kilian und seine Frundin Angelina Lenz übernahmen, sprangen notgedrungen ins kalte Wasser und brauchten gerade mal ein Jahr, um sich freizuschwimmen. Die Kollektion ist großartig. Der ,FranZero‘ kommt ganz ohne Restzucker aus. Trotzdem nehm ich ihn nicht mit zum Würtz, denn es gibt zwei bessere Kandidaten. ,Der Sommer war sehr groß‘ heißt eine Lagencuvée, die trocken, fruchtig und so charmant wie ihr Name ist. Der Bremmer Calmont Goldkapsel ist eine Wucht und ebenfalls heißer Kandidat. Ich werde im Frühjahr beide Weine noch einmal prüfen und kurzfristig entscheiden, wer die Mosel beim Würtz vertritt. Höhepunkt ist der feinherbe ,Calidus Mons‘, ein dicker Angeberwein, also genau das richtige für mich. Aber der wird für zehn Jahre eingekellert.
Der Titan
Wer Mosel und trocken in einen sinnvollen Zusammenhang bringen will, muss Markus Molitor in die Gleichung aufnehmen. Für viele ist er der beste Produzent trockener Rieslinge an der Mosel. Er ist ein Qualitätsfanatiker mit ausgeprägtem Selbstbewußtsein. ,Jedes Weinbaugebiet hat seinen Markus Molitor‘ sagte mir einmal ein Insider der Weinszene ,im Rheingau heißt er August Kesseler‘. Das klang so, als wäre es für keinen von beiden als Kompliment gemeint, aber ich kann da nur mutmaßen. Das Gut ist so groß, dass es über eine Vertriebsmannschaft verfügt und ich habe nie mit dem Chef verkostet. Ich bin ihm am Rande begegnet und da wirkte er sehr symphatisch. Auch aus seiner sehr guten Kollektion (kleine Gebrauchsanweisung: Sehr gut ist in meiner Welt steigerbar, etwa durch ,herausragend‘ oder ,groß‘) habe ich zwei Kandidaten zwischen denen ich mich noch entscheiden werde. Der Zeltinger Sonnenuhr Kabinett trocken -Fuder 6- ist der Archetyp eines trockenen Moselrieslings: filigran aber aromatisch breit gefächert, sehr mineralisch und gleichzeitig fruchtig. Alternativ nehme ich die Graacher Domprobst Spätlese trocken. Sie ist der Beweis, dass man auch mit extremen Mitteln handzahme Weine produzieren kann.
Teil eins meiner Einkaufstour ist damit abgeschlossen, auch wenn erst ein Wein für die Verkostung gesetzt ist.
Knebel, Riesling Uhlen, 2011, Mosel. In der Nase ist das ein Baby: Hefe und Banane, leichter Sponti-Stinker, etwas Malz. Am Gaumen ist das eine spannende Mischung aus Kemm‘schen Kuchen, Bratapfel, Mandarine und fetter Mineralik. Das klingt nach Weihnachten, aber ein bisschen frischer ist der Wein dann doch. Der Abgang ist extrem mineralisch und lang. Großartiger Wein, der perfekt wäre, wenn er mit einem halben Prozent weniger Alkohol daher käme. Es gibt noch eine ,R‘-Version davon, aber das ist für mich eher ein Rückfall in alte Zeiten.