Selten habe ich in den vergangenen Jahren jemanden mit einer solchen Sprachgewalt und einem so köstlichen Wortwitz kennen gelernt, wie Felix vom Blog “Der Schnutentunker”. Das ist jemand ganz nach meinem Geschmack. Umso mehr freut es mich, dass er einige Gastbeiträge hier bei mir schreiben wird. Los geht es!
,Du musst unbedingt mal einen Gastbeitrag für meinen Blog schreiben, wenn Du Zeit und Lust hast‘ schrieb mir der Würtz vor einer Weile. Lust hatte ich sofort, aber die Zeit war das Problem. ,Im November während meines Kurzurlaubs an der Mosel‘ war meine spontane Idee. ,Aber es muss mit Deinen und meinen Weinvorlieben zu tun haben‘. Da wurden wir uns schnell einig. So sei es, hier kommt ein Gastbeitrag (dem hoffentlich diese Woche noch zwei weitere folgen werden).
Nun bin ich also Gast, muss mich mithin benehmen. Ich denke, ich kriege das hin, denn ich mag gutes Benehmen. Ich bekenne sogar, ich sammle Benimmbücher. Nicht, dass ich die alle lese. Meine Faksimile-Ausgabe vom Knigge ist ziemlich anstrengend und ,Manieren‘ von Asfa-Wossen Asserate ist ein Buch für Menschen, die glauben, gutes Benehmen lasse sich auswendig lernen (stinklangweilig, habe ich nie zu Ende gelesen). Mein Lieblingsbuch ist ,Hummer, Handkuss, Höflichkeit‘ von Prof. C. Bernd Sucher, da steht drin, dass dort, wo das Wissen um Benimmregeln zum Ausgrenzen weniger Privilegierter verwendet wird, der Regelbruch das wahrhaft gute Benehmen ist. Als ich das las, wusste ich, den will ich zum Leitbild erheben. Unter dem Stichwort ,Gast‘ steht folgendes in diesem tollen Buch (und deswegen schweife ich überhaupt ab): ,Der Gast hat fürchterliche Rechte‘. Das wäre also geklärt, Dirk.
,Ich gebe es gerne zu, ich bin kein grosser Freund der trockenen Moselweine, ich mag es da lieber fruchtig und süß.‘ schrieb Dirk an dieser Stelle in seinem Blog nach der Verkostung trockener Mosel-GGs und ich widerspreche. Trinkt Dirk 20 Riesling GGs aus Rheinhessen, findet er 4 enttäuschende, aus der Pfalz wären es sechs und aus dem Rheingau leider sogar acht. ,Es gibt halt nicht nur gelungene GGs‘ denkt er sich dann. An der Mosel findet er auch acht schwache (was daran liegen könnte, dass der VDP dort wirklich nicht die Gebietsspitze repräsentiert) und denkt sich: die sollten lieber süße Weine machen. Das ist kein faires Urteil, das ist Autosuggestion. Woher ich das weiß? Ich weiß es nicht, ich unterstelle es bloß. Aber der Gast hat fürchterliche Rechte.
Also werde ich in meinem Urlaub sechs Winzer besuchen, sie hier vorstellen und je einen trockenen Riesling zum Würtz in die Königsmühle bringen, wo wir sie mit sechs trockenen Rheingauern zu einer schönen Probe mengen. Den Probenbericht schreibt der Würtz dann als Gastbeitrag in meinem Blog. Das könnte ihn vor Probleme stellen, weil er sich nicht öffentlich negativ über Weine von Kollegen äußern mag, er sagt dann lieber nichts. Wenn aber alle Probanden bekannt sind, wird Schweigen beredt. Nicht mein Problem – der Gast hat fürchterliche Rechte.
Eine ,Welches Gebiet macht die besseren Weine?‘-Verkostung wird es sicher nicht werden, solcherlei Wettstreit passt weder zu meinem Blog noch zu Würtz-Wein. Das gäbe auch ermüdende Diskussionen. Während Rheingauer den Moselanern noch zugestehen, dass sie im süßen Bereich einzigartige Weine keltern, ist der wahre Moselfan sich sicher, dass an Mosel, Saar und Ruwer die besten edelsüßen, fruchtigen, feinherben, halbtrockenen und trockenen Gewächse entstehen. Moselfreaks haben einiges mit Apple-Jüngern gemein und den Moseljüngern ist der Rheingau ihr Microsoft. Da wird mit Leidenschaft gebasht. Ich bin da ganz neutral.
Dabei ist der Vergleich so anachronistisch, wie auch in der Welt der Technologie; längst tobt die Schlacht nicht mehr zwischen Apple und Microsoft, Samsung ist der eigentliche Konkurrent – und das Samsung des deutschen Weinbaus ist ja wohl Rheinhessen. Hier werden großartige Weine verschiedensten Zuschnitts in großen Mengen zu günstigen Preisen produziert. Die Spitzen gewinnen internationale Wettbewerbe und die Mittelschicht erobert die Gastronomie – unendlich bunte Vielfalt. Entsprechend pikiert reagieren die Moselfreaks. Die Weine seien so pompös, da brauche man zwei Hände um das Glas zu halten, heißt es herablassend. Ich bin da allerdings ganz neutral.
Man könnte den Vergleich weiter treiben, könnte zum Beispiel in den Pfälzern Nokia entdecken (gehen unbeirrt ihren eigenen Weg – leider in die falsche Richtung), doch spätesten an der Nahe scheitert das Bild, die passen mit ihrer herausragenden Performance nicht mehr in den Vergleich. Also beenden wir das jetzt. Wären sowieso nur pauschale Urteile – und ich bin da ganz neutral.
Zurück zum Thema: Gastbeitrag. In meinem Blog gibt es zum Schluss immer eine Verkostungsnotiz von einem Wein, der zum Thema gehört. Nachdem ich in den letzten Wochen viele Rheingauer Rieslinge getrunken habe und in den nächsten Tagen viele Moselrieslinge auf mich warten, machte ich mir vor der Abfahrt noch einen Rheinhessischen Riesling auf. Von einem Winzer, der für mich sowas von Samsung ist – ich könnte allerdings nicht genau sagen warum; ich bin ihm nie begegnet, kenne nur seine mediale Inszenierung und will ihm nix Böses. Ich bin da ganz neutral.
Weingut BattenfeldSpanier, Riesling Mölsheim -S-, 2007, Rheinhessen. In der Nase zunächst sehr fruchtig und süß, mit Luft etwas verhaltener, Aprikose, Pistazie, Aloe Vera und blonder Tabak. Am Gaumen ist der Riesling voll, mit mittelkräftiger Säure, stoffiger Konsistenz, ziemlich trocken, leicht überreifer Frucht (Dörraprikose) und geprägt von einer sehr intensiven aber feinen Mineralik. Er ist herrlich gereift und zeigt eine gute Mischung aus Frische und Würze. Da ist alles drin, alles dran – der Wein ist intensiv, aber nicht fett, herrlich strukturiert und mit sehr langem Abgang gesegnet. Das ist die perfekte Interpretation klassischen Rheinhessischen Terroirs. Hardcore-Moselaner würden fragen, was denn an flüssigem Kartoffelacker bitte beeindruckend sei. Von mir käme solcherlei Zynismus niemals. Ich bin da ganz neutral – wirklich.
Sent from my iPhone (hihihi)
Klasse Idee – findet jemand, der die Mosel lange als seine Weinheimat bezeichnet hat und nun seit ein paar Jahren VERSUCHT, auch alle anderen neutral zu beurteilen….
Feiner Text! Bei Weinen würde man sagen “lecker”, bei Texten nur trocken “gut geschrieben”. Hat Spaß gemacht…
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Jetzt verstehe ich was du an ihm schätzt – sehr eloquent der Herr !!!
Liest sich äußerst angenehm und kurzweilig sein Sprachstil!
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