Vergangene Woche haben wir uns in unserer kleinen Serie dem Gault Millau im Allgemeinen gewidmet. Heute wollen wir uns das Ganze etwas näher betrachten.
Im letzten Teil der Serie haben wir alles Grundsätzliche zum Gault Millau, der Schwierigkeit vom unabhängigen Weinjournalismus und den möglichen Interessenkonflikten aus unserer Sicht erläutert. Wenden wir uns also heute der Gegenwart zu.
Grundsätzlich arbeitet der Gault Millau wie folgt: Jedes Anbaugebiet hat einen eigenen Verkoster, der probiert alleine, manchmal zu zweit. Zu Beginn gibt es, gemeinsam mit dem Chefredakteur, eine Art Orientierungsprobe. In dieser Probe wird mehr oder minder die Messlatte gelegt. Die besten Weine jedes Anbaugebietes kommen in das regionale Finale. Die besten jeder Region kommen ab einer bestimmten Punktzahl in das Bundesfinale. Viele Proben fanden und finden auf Weingütern statt. Normalerweise in einer anderen Regionen. Das heißt beispielsweise, dass die Weine der Mosel in einem früheren Weingut in Rheinhessen probiert werden. Eine eher tollpatschige Ausnahme bildet der Rheingau, wo die einheimischen Weine in Schloss Reinhartshausen verkostet werden. Welcher Winzer schickt schon gerne seine Weine für einen Weinführer zum benachbarten Konkurrenten, der dann möglicherweise noch mitprobiert, seine Meinung dazu sagt und das Ganze vielleicht beeinflussen könnte??? Wir behaupten nicht, dass so etwas passiert, wir wollen nur die Schwierigkeit eines solchen Verkostungsortes aufzeigen. Grundsätzlich sollten die Weine eines Anbaugebietes nicht im selbigen probiert werden.
Die Gebietsverkoster sind, bis auf wenige Ausnahmen, alles Menschen, die beruflich mit Wein zu tun haben. Und da fängt es an schwierig zu werden. Wir haben da so einige Beispiele.
Ein kleines in seiner Dimension, aber nicht weniger schwieriges Problem, ist die Tatsache, dass der für die Ahr zuständige Verkoster, Christoph Dirksen, jahrelang für “Die Güter” arbeitete. Ein Zusammenschluß von neun Winzern, vertrieben über die DGV Gutswein Vertriebsgesellschaft mbH. Die DGV Gutswein gehört der Weinhandelsfirma Schlumberger und den beteiligten Winzern. Der Handelsvertreter von Schlumberger für den Raum Koblenz-Trier war einige Jahre eben jener Christoph Dirksen. In dieser Vereinigung finden sich einige sehr namhafte Weingüter Deutschlands, unter anderem einer der am Besten bewerteten Rotwein-Erzeuger Deutschlands, das Weingut Meyer-Näkel an der Ahr. Dirksen verkauft also Weine, die er selbst bewerten muss. Wenn das kein handfester Interessenkonflikt ist… Mittlerweile ist Dirksen zum Konkurrenten Wein-Wolf gewechselt. Ausweislich der Schlumberger-Homepage werden die Weine der Gruppe “Die Güter” weiterhin von der Schlumberger Tochter vertrieben, ebenso also die Weine von Meyer-Näkel. Das kann man relativ einfach auf der homepage von Schlumberger nachlesen. Interessanterweise hat Christoph Dirksen aber nach wie vor die Vertretung für Meyer-Näkel, jetzt eben für Wein-Wolf. Je besser die Weine von Meyer-Näkel im Gault-Millau bewertet werden, umso besser funktioniert der Abverkauf, wovon Dirksen durch entsprechende Provisionszahlungen unmittelbar profitiert. Einen eindeutigeren Interessenkonflikt kann es kaum geben! Das wiegt umso schwerer, weil er im Gault Millau auch noch vertuscht wird, wo man auf Seit 911 der aktuellen Ausgabe nachlesen kann: „Nach mehr als zehn Jahren im Weinhandel ist er jetzt freier Handelsvertreter und Weinberater. Dem Team des WeinGuide gehört Dirksen schon lange an und kümmert sich seit Jahren um die Ahr.“ Nicht die Spur eines Hinweises jedenfalls, dass er Provisionsvertreter für das Weingut Meyer-Näkel ist. Dazu passt es sehr schön, dass Werner Näkel im Jahr 2004 zum Winzer des Jahres gekürt wurde. Welches Motiv hätte Dirksen auch haben sollen, diese sicher verdiente Ehrung Näkels zu verhindern. Zu dieser Zeit, dass muss allerdings angemerkt werden, war die Vergabe diverser Titel durchaus eher Chefsache. Natürlich haben wir Dirksen per Mail zu dieser Geschichte befragt und ihm die Möglichkeit gegeben, Stellung zu beziehen. Leider erhielten wir keine Antwort.
Ein weiteres Beispiel ist im Schwäbischen zu Hause. Der frühere Sommelier und Buchautor Frank Kämmer ist laut Gaut-Millau heute „hauptberuflich als Consultant in der Wein- und Gastronomiebranche tätig”. Im Gault Millau Team ist der Schwabe seit vielen Jahren für Württemberg verantwortlich. In der Branche ist bekannt, dass Kämmer seit Jahren zeitgleich eine Beratungsfirma hat und das Pfälzer Weingut Dr. Bürklin-Wolf (vier von fünf Trauben im GM, Kollektion des Jahres 2010) und den badischen Spitzenbetrieb Weingut Dr. Heger (vier von fünf Trauben im GM) berät. Da stellt sich die Frage, warum sich ein so anerkannter Experte in Sachen Wein wie Kämmer, überhaupt in einen solchen Interessenkonflikt begibt. Zumal die Entlohnung als Gault Millau Verkoster alles andere als fürstlich ist.
Der dritte Kandidat heißt Manfred Lüer und lebt im Rheingau. Im Gault Millau ist Lüer aber Gebietsverantwortlicher für Rheinhessen, die Verkostungen finden seit einigen Jahren im Weingut Weil in Kiedrich statt. Manfred Lüer, der vor einigen Jahren kurzzeitig auch mal Chefredakteur von VINUM war, ist, ausweißlich des Impressums, unter Anderem auch Chefredakteur eines regionalen Magazins namens “Vivart”. Dieses Magazin erscheint schwerpunktmäßig in Rheinhessen und im Rheingau, wobei Lüer für Mainz und Rheinhessen verantwortlich ist. Das Magazin finanziert sich zum großen Teil aus Werbeanzeigen, eben auch aus solchen, die Weingüter aus Rheinhessen schalten. Winzer, die Lüer später im Gault Millau bewertet. Es liegt doch auf der Hand, dass Winzer sich durch diese Verquickung eher zu einer Schaltung von Anzeigen veranlasst fühlen können. Wer will schon dem zuständigen Gault Millau Verkoster eine Absage erteilen. Ein glasklarer Interessenkonflikt.
Der Chefverkoster für die Region Nahe ist Carsten Henn, Journalist und Buchautor. Ungeschickter Weise betreibt Henn nebenbei aber auch noch einen kleinen Weinhandel (1.000 Flaschen im Jahr), der auf den schmucken Namen “Deutsche Weinentdeckungs-Gesellschaft” hört. Man muss ihm unter Transparenz-Gesichtspunkten zugute halten, dass er dieses Projekt nicht verheimlicht, sondern ganz im Gegenteil gerne und oft darüber spricht, unter anderem in einer unserer “100 Grad Oechsle” Shows. Die Weine, die er über seine Entdeckungsgesellschaft vertreibt, stammen bis jetzt ausnahmslos von den höchtsbewerteten Weingütern im Gault Millau, sogenannte “Partner-Weingüter”, wie Knipser (Gault Millau Winzer des Jahres), Keller (Gault Millau Winzer des Jahrzehnts) oder Becker (Serien-Rotweinsieger im Gault Millau). Abgesehen davon, dass es sich hier im eigentlichen Sinne des Wortes nun wirklich nicht um „Entdeckungen“ handelt, ist es natürlich schon eher grenzwertig, dass einer der einflußreichsten Protagonisten des Gault Millau mit Spitzen-Winzern in einem Weinhandel zusammenarbeitet. Natürlich sind die Weine, die gemeinsam in Mini-Auflage realisiert werden, allesamt Projektweine und nicht im Gault Millau bewertet, aber trotzdem ist das ein glasklarer Interessenkonflikt (persönliche Anmerkung: den Carsten Henn sicherlich so nicht bedacht hat. Ich übrigens im letzten Jahr auch nicht. Mir wurde das erst jetzt bei der Arbeit an dieser Geschichte wirklich klar).
Für die Riesling-Hochburg Rheingau ist seit zwei Jahren Giuseppe Lauria zuständig. Im Gault Millau wird Lauria als selbständiger Kommunikationsberater und Mediencoach vorgestellt. Das nimmt er in der von ihm betreuten Region sehr wörtlich, denn Lauria wird nicht müde, Rheingauer Winzern eben solches Coaching offensiv anzubieten. Da darf die Frage erlaubt sein, wie sich das mit seiner Tätigkeit als Kritiker verträgt. Coachen und dennoch unabhängig kritisieren, klingt – um es freundlich zu formulieren – äußerst schwierig. Diesen Konflikt hatten wir bereits vor einiger Zeit den Verantwortlichen gegenüber einmal angemerkt, allerdings mit wenig Erfolg. Die Tatsache an sich wurde wohl bestritten. Uns hingegen liegen andere, schriftliche, Informationen vor.
An den aufgezählten Beispielen wird schnell klar, wie schmal der Grat zwischen unabhängiger Kritik und eigenem, durchaus wirtschaftlichem, Interesse ist. Ein Grat, den meiner Meinung nach keiner beschreiten sollte. Insbesondere dann nicht, wenn er eine verantwortliche Position in einem Weinführer inne hat, dessen Bewertungen wirtschaftlich relevante Auswirkungen haben. Der hier entstehende Interessenkonflikt ist kaum lösbar. Im Gegenteil, er bietet sogar allerhand Raum für wüste Spekulationen und Verschwörungstheorien. Wie objektiv können Verkoster sein, wenn sie auf vielfältige Art und Weise wirtschaftlich mit den zu bewertenden Weingütern verquickt sind? Warum werden diese Interessenkonflikte nicht deutlich und klar gekennzeichnet? Wer kann ausschließen, dass das eine oder andere Urteil nicht vom Eigeninteresse beeinflusst wurde? Fragen über Fragen! Leider ist die Informationspolitik des Gault Millau nicht wirklich offensiv. Selten werden die Dinge beim Namen genannt. Natürlich hat sich seit dem Weggang von Armin Diel einiges geändert. Diese Veränderungen werden aber leider nicht offen kommuniziert. Was fehlt ist Transparenz.
Damit wir uns ganz klar verstehen: Wir unterstellen hier niemandem, beeinflussbar oder gar korrupt zu sein. Uns geht es darum, bestimmte Dinge aufzuzeigen, die normaler Weise eher nicht thematisiert werden, die dennoch wichtig sind. Wichtig insbesondere für alle in der Branche, die nicht immer und über alles den Überblick haben. Ganz besonders diejenigen, die weit weg von der “Wein-Glitzer-Welt” sind. Wir zeigen einfach nur real existierende Interessenkonflikte auf und stellen dazu die, unserer Meinung nach, passenden Fragen. Manche davon sind offensichtlich, über andere muss man sich erst einmal Gedanken machen. Die einfachste Lösung wäre übrigens, allen Gault Millau Verkostern und Redakteuren ein ordentliches Honorar zu zahlen, damit sie tatsächlich unabhängig arbeiten können.
Da wir uns übrigens noch weiterhin ganz viele Gedanken gemacht haben, kommt auch noch ein weiterer Teil in dieser Geschichte. In diesem werden wir uns dann mit dem Chefredakteur und Herausgeber des Gault Millau höchstpersönlich beschäftigen.
Danke sehr. Mutig und absolut überfällig.
Verfluchte Hacke! Da muss ich dem Würtz doch tatsächlich ein Riesen-Kompliment aussprechen. Allerdings auch hinzufügen, dass in den letzten 20 Jahren, in denen ich mir das Maul über diese und andere skandalöse Interessenkonflikte zerrissen oder die Finger wundgeschrieben habe, die Sache keinen wirklich interessiert hat. Ich würde mich jedenfalls riesig freuen, wenn sich das jetzt ändern sollte.
Also bei Carsten Henn ist der Interessenkonflikt nicht wirklich gegeben, bis jetzt kam ja keiner seiner Weine aus der Region Nahe und die Weinentdeckergesellschaft würde ich eher als “Spassprojekt” bewerten.
seit dem verkauf, macht es sich Gault Millau in Frankreich bei den restaurants ( sicher auch bei den vignobles!) ganz einfach: für einen gewissen Geldbetrag ( ich glaube 400€) wird man im GM erwähnt.
Dazu braucht’s keine Worte mehr und ich kann allen nur anraten, bloss keinen GM zu kaufen!
Die heile Weinwelt. Guter und detailierter Post Dirk! Auf Drunkenmonday haben wir uns einem ähnlichen Thema gerade gewidmet: Transparenz! http://drunkenmonday.wordpress.com/2011/05/25/problematik-parker-punkte-transparenz-vs-gute-geschafte-vs-global-branding/
paar Anmerkungen dazu:
- an dir ist ein Journalist erster Güte verlorengegangen. Dank für diese Arbeit!
- was hat dann Diels Weggang gebracht?
- so gesehen ist es erstaunlich wie gut (=treffsicher) der GM dan doch bewertet
- du forderst etwas, was Mazzella in seinem Artikel auch gemeint hatte: “lasst die Fachleute ihren Beruf ausüben”
Gut recherchiert und geschrieben, Dirk! Aber was ich mich frage: wer ist denn noch wirklich unabhängig? Wer hat genug Ahnung vom Wein und ist nicht irgendwo angestellt?
Hallo, Dirk,
ich sehe das mit meinen knapp 1.000 Flaschen im Jahr eher als Hobby, da bleibt kaum was hängen. Natürlich ist es ein Weinhandel, aber dann wohl der kleinste Deutschlands. Die Weine sind Experimente, für mich und die Winzer, sie werden im GM nicht bewertet und die Zusammenarbeit endet stets nach einem Jahr.
In einem Punkt muss ich dir vehement widersprechen: die Winzer mögen keine Entdeckungen sein, die Weine sehr wohl! Keiner der Winzer hat den Gesellschafts-Wein vorher gemacht, das ist für sie völlig neu und ein Spaßprojekt – genau wie für mich. Deshalb plane ich mit den Winzern auch nur ungewöhnliche Projekte, wie den Rosé in diesem Jahr mit Beckers oder den Pinot im nächsten mit Johner (übrigens kein Top-bewerteter Betrieb im GM). Jeder Wein ist auch ein Statement, wie man es anders machen kann. Zum Beispiel: Weltklasse-Rosé aus Deutschland geht! Oder beim Knipser-Wein: Ein Cuvée nur aus deutschen Rebsorten und mehreren Jahrgängen funktioniert! Wenn ich es mit der Gesellschaft nicht mache, versucht es keiner – was ich echt schade fände.
Bisher habe ich zu dem Projekt noch kein negatives Feedback bekommen, auch Interessenkonflikte wurden mir nicht unterstellt (kommt ja auch kein Betrieb von der Nahe). Falls eine Mehrheit aber finden sollte, dass ich das lassen soll, mach ich den Laden einfach dicht – meine Frau wird’s freuen, die meint eh ich arbeite zuviel und soll lieber mehr mit ihr auf der Terrasse sitzen und Wein trinken statt darüber zu schreiben…
Der Vollständigkeit halber: Mit vier Freunden (darunter Weinjournalistenkollege Wolfgang Faßbender) betreibe ich ein Mini-Weingut (wir besitzen einen Viertel Hektar Weinberge an der Mosel). Der uns betreuende Winzer Uli Stein ist im GM nicht gelistet.
Beste Grüße!
Carsten
Ein “Nebenberufler” pro Region – das ist doch extrem kostenbewußt. Ich wußte garnicht, dass ich für ein “Billig-Produkt” bisher soviel Geld bezahlt habe! Vielleicht sollte man eine unabhängige Jury mit dem Weinprobieren befassen – wie bei einem Wettbewerb.
Hallo Herr Würtz,
grundsätzlich finde ich es zunächst einmal klasse, dass Sie sich so intensiv mit dem Gault Millau journalistisch beschäftigen und auch kritisch hinterfragen, wie er zustande kommt. Allerdings finde ich auch, dass die Sache schon ein wenig mehr journalistische Sorgfalt verdient hätte. Ihr Artikel erhebt den Anschein sorgfältiger Recherche. In meinem journalistischen Verständnis bedeutet dies aber, dass man zunächst die unmittelbaren Informationsquellen ausschöpft – d.h. mit den Personen, über die berichtet wird, selbst spricht. Warum rufen Sie mich also nicht einfach kurz an, wenn Sie etwas über meine Arbeit wissen wollen? Ich gebe doch stets gerne Auskunft und habe nichts zu verbergen!
Damit wir uns richtig verstehen: Alles was Sie über mich schreiben ist richtig und wahr – aber es ist eben nur die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit – und diese hätten Sie mit nur einem Anruf oder einer E-Mail leicht in Erfahrung bringen können – ist, dass…
ich grundsätzlich in keine Entscheidungsfindungsprozesse oder Urteile eingebunden bin, die mit meinen weiteren Tätigkeiten in Konflikt stehen könnten.
ich aus diesem Grund in dem Anbaugebiet (also Württemberg), das ich zu verantworten habe, grundsätzlich keine Beratungsaufträge o.ä. von einzelnen Weingütern akzeptiere
ich seit ich für den GM arbeite größtmögliche Transparenz als meine persönliche Leitlinie betrachte und jedem der nachfragt sehr gerne über alles Auskunft gebe und alle Entscheidungsfindungsprozesse offen lege. Zu diesem „Glasnost“ zählt beispielsweise auch, dass ich seit Jahren zur Finalprobe in Württemberg auch andere Weinfachleute oder Journalisten als Beobachter einlade (wenn Sie möchten, dann können auch Sie gerne einmal dazu kommen!).
Sie fragen sich „warum sich ein so anerkannter Experte in Sachen Wein wie Kämmer, überhaupt in einen solchen Interessenkonflikt begibt.“ Nun, eben weil ich mir der Problematik sehr wohl bewusst bin gehe ich eben auch sehr bewusst und offen damit um – deshalb beispielsweise die oben genannten Vorgehensweisen (die, nebenbei bemerkt, ja nicht wirklich außergewöhnlich sind, sondern viel mehr Selbstverständlichkeiten des journalistischen Handwerk sein sollten.)
Ich bin Ihnen also, lieber Herr Würtz, ein wenig böse, dass Sie im „Eifer des Gefechts“ die übliche und von Ihren Lesern sicher auch zu Recht zu erwartete journalistische Sorgfalt ein wenig vernachlässigen und es versäumt haben – was ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte – zunächst bei der betreffenden Person selbst nachzufragen.
Aber es überwiegt bei mir dennoch die Freude und auch das Lob an Sie, dass Sie das Thema überhaupt aufgenommen haben. Denn es geht hier ja um etwas Grundsätzliches, das nicht nur den Gault Millau betrifft und das durchaus der Diskussion würdig ist. Denken wir es doch einmal zu Ende: Man erwartet völlig zu Recht, dass in solchen Publikationen nur erfahrene Fachleute mit entsprechendem Insiderwissen ihr Urteil kundtun – andererseits sollten diese Fachleute dann aber möglichst nichts mit der Weinbranche zu tun haben…! Da aber dieser Widerspruch wohl nur in einer „idealen Welt“ aufgelöst werden kann, müssen wir Regeln finden, wie man mit ihm leben kann. Das kann jeder für sich selbst tun (so wie ich es für mich getan habe, siehe o.g. genannte Grundsätze), oder man kann öffentlich darüber diskutieren. Wenn sie dies tun wollen, so stehe ich stets gerne zur Verfügung.
Herzliche Grüße,
Frank Kämmer.
@Frank Kämmer
Hallo Herr Kämmer, ich habe einige Mails verschickt und wenig Antworten bekommen. In Ihrem Fall habe ich es definitiv nicht für notwendig gehalten Ihnen eine Mail zu schicken, das Ihre Tätigkeiten ganz klar und bekannt sind. Aus diesem Grund ist der Passus zu Ihnen ja auch dementsprechend kurz und allgemein gehalten. Die von mir in meinem Blogbeitrag gestellte Frage ist deswegen auch nur eine ganz pauschale, nämlich die, warum Sie dieses dünne Eis – das Sie ja gut meistern – überhaupt betreten. Ich gebe Ihnen Recht, ich hätte Ihnen eine Frage stellen können, die mir jetzt allerdings erst einfällt. Ich hole das jetzt aber gerne nach, sie würde ungefähr so lauten: “Warum gehen Sie der Kritikertätigkeit im Gault Millau nach, obwohl diese doch in Ihrem Fall mit sehr viel Erklärungs- und Transparenzaufwand verbunden ist und Sie das doch eigentlich nicht nötig hätten?” Oder vielleicht noch ganz anders und ganz klarer: “Warum schreiben Sie für den GM, wenn Sie an einigen wichtigen Entscheidungen gar nicht teilnehmen können?”
Was das ganz Grundsätzliche Ihres Kommentares angeht, so denke ich, dass ein wie auch immer gearteter Interessenkonflikt eigentlich erst gar nicht entstehen müßte. Wenn Sie die vorherigen Teil meines Postings lesen, dann wissen Sie sofort was ich meine. Kritiker und Journalisten gehören ordentlich bezahlt, dann passt das alles!
Kompliment, sehr guter Artikel.., so läuft es auch in Italien mit dem Gambero Rosso, war auch einer der Gründe wieso sich Slow-Food entschieden hat einen eigenen Führer zu veröffentlichen, (SF hat bis vor 2 Jahren, die Bewertungen für den GR durchgeführt, die aber von GR teilweise abgeändert wurden) Vinophile Grüsse aus bella italia,
André Eggli
Ihr macht im Prinzip das, was Politikwissenschaftler und Soziologen seit einiger Zeit tun: sich mit den multiplen Phänomenen/Chancen/Problemen der Netzwerkökonomie zu beschäftigen. Und mit all den problematischen Überlappungen, die wir hier sehen. Fast könnte man von einem Paradox sprechen: alles soll immer transparenter werden, inklusive die Qualitätsproduktion, aber um diese “Transparenz” herzustellen muss immer mehr kommuniziert/bewertet/geranked&gerated werden. Woher kommt das dazu nötige Wissen? Aus betriebswirtschaftlichen Büchern oder der drögen Marketingliteratur? Nein, das Wissen kommt aus dem Markt selbst also in diesem Fall: aus den Netzwerken dieser Personen. Und diese Netzwerke sind oftmals gerade nicht transparent: wie würde die vollständige “Netzwerkkarte” von Weinbau, Weinhandel, Fachhochschulen und Kritikern wohl aussehen? Eines dieser Diagramme mit hundertausend Linien und ganz vielen Klumpen. Das Problem scheint mir zu sein, dass gerade im Weinmarkt nur Leute als Experten anerkannt werden, die entweder selbst Wein gemacht haben oder die viele Jahre über Wein geschrieben/gesprochen haben, sich also eine Reputation erworben haben. Das macht einen hohen “vernutzungsgrad” dieser Menschen aber immer schon wahrscheinlich und es hängt dann an der fragilen Moral und Ethik, diese Netzwerke nicht schamlos auszunutzen. Das Werben um mehr Transparenz ist unter diesen bedingungen eher ein Kampf gegen Windmühlen Richtig finde ich jedoch die Forderung, durch eine ordentliche Bezahlung der Kritiker deren Unabhängigkeit zu erhöhen. Sehr viel besser jedenfalls als nur moralische Appelle – die helfen höchst selten, hm?
@Thorsten Kogge
Ich bin froh, dass Du exakt das realisiert hast, was eines meiner Hauptanliegen ist: Bezahlt den Leuten mehr Geld! Das ist natürlich oft nicht möglich, weil die Budgets wohl nicht vorhanden sind. Dann muss man das Ganze Projekt eben hinterfragen.
@Dirk Würtz
…klare Frage, klare Antwort (auch wenn mir dies fast ein wenig peinlich ist, denn da steckt schon ein wenig Naivität drin): Weil ich damals wollte, dass mein Anbaugebiet (das ja auch meine Heimat ist und damals lange nicht so gut angesehen war wie heute) endlich korrekt dargestellt wird. Hatte also auch schon ein wenig mit dem altmodischen Begriff „Sendungsbewusstsein“ zu tun… Anyway, 100 Prozent Zustimmung zur These „Kritiker und Journalisten gehören ordentlich bezahlt“ !!! …allerdings bleibt auch das wohl einer idealen Welt vorbehalten und ohne Enthusiasmus und gewisser „Leidensbereitschaft“ ist ein Werk wie der GM wohl nicht möglich. (OK, gebe zu es gibt Momente da macht es einfach auch Spass…!)
Übrigens: Toller Kommentar von Thorsten Kogge!
…und noch mal übrigens: Ich meine es tatsächlich Ernst: Wenn sie Interesse haben können Sie gerne dieses Jahr bei der Finalprobe Württemberg als „beobachtender Mitverkoster ohne Stimmrecht“ dabei sein.
@Frank Kämmer
Ich danke Ihnen für diese klare Antwort. “Sendungsbewußtsein” ist sicherlich ein ganz entscheidender Punkt. Sowohl was, wie in Ihrem Beispiel, die Heimatregion angeht, als auch natürlich das persönliche. Ich blogge beispielsweise um einen Teil meines Sendungsbewußtseins zu befriedigen – ganz klarer Fall!
Hi Dirk, super Artikel und ganz klar aufgedeckt was da brenzlich ist. Viele Sachen wusste ich garnicht. Mit Lüer ist das wirklich so eine Sache. Vivart hat mittlerweile schätzungsweise 3/4 aller Traubenbetriebe aus Rheinhessen als Anzeigen- bzw. “Artikel”kunden. Wir auch, natürlich auch mit dem offensichtlichen Hintergedanken, aber auch damit man in einer 1 zu 1 Situation mit Lüer verkosten kann und ihm erklären, was man sich bei den Weinen gedacht hat. Ich habe das mit ein paar Niersteiner Winzern zusammen gemacht, um auch den Roten Hang etwas zu fördern durch unseren unförmlichen Zusammenschluss.
Aber diese 1 zu 1 Situation ist mittlerweile bei Kritikern am wichtigsten, denn 50-80% der Topbewertungen hängen mittlerweile davon ab. Was Herr Lüer alles von Klaus Peter Keller weiss, ist bemerkenswert. Und international ist es unfassbar welche Stories fertig in Mundstücken aufbereitet übernommen werden, egal ob Schildknecht, Robinson, Gilman oder viele andere. Prinzipiell ist es erstmal gut im Falle von Keller und ich gönne KP seinen Erfolg. Dies ist aber eine Facette die man nicht unterschätzen darf und ein weiterer Teil, wo sich die Weinjournalie extrem abhängig macht von Meinungsmachern. Versteht mich nicht falsch, KP war einer Personen, die mich vor 10 Jahren von Rheinhessen überzeugt haben und ich mag seine Weine sehr, und ich bin froh über seinen Erfolg, der bringt Rheinhessen ins Gespräch, jedoch diese intensive Betreuungsarbeit der Journalisten und deren Beeinflussung gehen mir auf den Sack.
LG Felix
Im Prinzip ist es auch so gut wie fast unmöglich, dass jemand
aus der Weinbranche Weine völlig unabhängig bewertet.
Egal ob Winzer, Weinhändler, COach, Berater oder was auch immer –
man ist immer mit der Branche verbunden und arbeitet mit Leuten zusammen und/oder hat seine Meinung.
Den Vorwurf könnte man dir auch machen Dirk als Blogger über den GM – wenn ich mich recht erinnere, ist dein Wein nicht so gut weggekommen beim GM und somit könnte man auch behaupten du bist hier nicht unabhängig und es besteht ein Grund für deine Kritik.
Ich kenn dich zwar nur vom Web und einem Tvino Event – aber selbst das reicht mir das ich der MEinung bin du stehst darüber und es ist kein persönlicher Racheakt.
Andere könnten das aber denken!
Insofern – wirklich unabhängige wirds nie geben.
Selbst ich als jemand der nicht hauptberuflich mit Wein zu tun hat,
könnte nicht ausreichend Abstand haben um objektiv zu testen.
Dich zb. kenne ich, du bist mir sympathisch und schwups haben wir das Problem – ich könnte nicht mehr 100% fair beurteilen!!!!
Obwohl ich dann trotzdem nix verdienen würde daran!
@Gili
Klar, das könntest Du sicherlich so sehen. Aber ich bin keiner, der an so etwas wie Racheakte denkt. Im Übrigen habe ich für mich persönlich ja auch mit dem Thema letztes Jahr im Mai aufgeräumt. Ganz einfach deswegen, weil ich einen Interessenkonflikt gesehen habe. Nachzulesen hier: http://wuertz-wein.de/wordpress/2010/05/17/interessenkonflikt-und-die-losung/
Was die Unabhängigkeit angeht, so ist natürlich ein persönlicher Kontakt zu jemanden, der einem sympathisch ist, sicherlich unter Umständen ein Problem. Da muss man dann aber ganz einfach das tun, was man so oder so können sollte, so ganz pauschal, im Leben: TRENNEN! Einfach versuchen, die Dinge zu trennen.
@Gilli
Und noch eines habe ich vergessen. Ich berate ja Weingüter. Das aktuell von mir beartene kommt im letzten Gault Millau sehr, sehr gut weg und wird gelobt. Also nix mit Rache…
Die Idee einer besseren Bezahlung der Verkoster finde ich ja angenehm, gebe aber zu bedenken, dass in vielen Fällen diejenigen am leichtesten zu bestechen sind, die nach normalen Verständnis bereits weit mehr als genug haben…
Was mich umgekehrt in der ganzen Diskussion fasziniert, ist die Denke, dass der Kritiker dem Konsumenten die Bestellungen aufs Blatt diktiert und somit über Wohl und Weh der Weingüter bestimmt. Ich bin der altmodischen Ansicht, die Qualität des Weins ist ausschlaggebend und für die ist der Winzer und Weinmacher höchstselbst verantwortlich. Die Beurteilung dieser Qualität erfolgt durch den Markt. Der Kritiker hat die undankbare Aufgabe, den Geschmack des Marktes vorherzusehen. Liegt er mit seiner Einschätzung zu oft daneben, verliert sein Urteil an Gewicht. Das gilt für einen Theater-Kritiker genauso, wie für einen Weinverkoster. Man kann einen guten Wein vielleicht runterschreiben, aber nie einen schlechten Wein durch eine gute Kritik zum Verkaufsschlager machen… Der Schuss geht nach hinten los!
@Michael
da muß ich verhalten widersprechen – wie oft werden Weine hochgejubelt, die von Händlern/Importeuren mit Macht durch jede Verkostung getrieben werden? Ich denke da konkret an Mundus Vini und die TOP 100 der Weinwirtschaft. Da erscheinen immer wieder auch relativ gruselige Weine auf Spitzenpositionen und verkaufen Sich dann hervorragend (konkretes Beispiel auf Anfrage). Deutschland glaubt nach wie vor weitestgehend kritiklos, was es liest!
Dirk, eines der größten Anbaugebiete hast du glatt “vergessen”. Da gäbe es doch sicher auch das eine oder andere zu sagen …
@Werner
Welches?
@Stefan
An konkretem Beispiel bin ich durchaus interessiert… Meine Mail findest Du bei mir auf dem Blog. Und klar, gerade bei den Top 100 der Weinwirtschaft spielt die Marktdurchdringung natürlich eine Rolle.
Da ich es oben nicht erwähnt hab, ich schließe mich meinen Vorredner an und finde es toll, dass es diesen Artikel gibt. Wie sollten wir ansonsten diskutieren? Tolle Arbeit Dirk!
Ich finde den Beitrag ebenfalls toll geschrieben und sehr informativ. Wenn es tatsächlich so ist, dass der eine Gebietsverkoster durch Provisionen an den vom ihm gut bewerteten Weinen mitverdient und der andere den Winzern noch privat Beratungsgeschäfte anbietet, dann ist das einfach eine üble Sache und eines seriösen Unternehmens nicht würdig.
An sich betrifft mich das als Österreicher nicht direkt, der bei uns führende Weinguide hat aber andere Neutralitätsprobleme – nämlich dass manche der bewerteten Winzer ja auch gleichzeitig Anzeigenkunden sind.
Wie auch immer, ich persönlich sehe kommerzielle Weinguides ohnehin für wenig brauchbar, aus mehreren Gründen:
1. Der Weinguide ist darauf angewiesen, dass die Winzer ihre Weine kostenlos einreichen (oder sogar dafür bezahlen). Besonders bei angesehenen Weingütern wäre bei einer negativen Bewertung das Risiko groß, dass sie nicht mehr einreichen und der Guide damit unvollständig ist.
2. Die hoch bewerteten Weine/Weingüter in einem führenden Weinguide erfahren einen sehr starken Nachfrageschub, das Weingut kann es sich daher leisten, Jahr für Jahr die Preise kräftig zu erhöhen. Damit wird das PLV immer schlechter. Konkretes Beispiel: Wachau – die hochbewerteten Winzer erhöhen die Preise ständig, die weniger bekannten kaum oder gar nicht. Und das jedes Jahr, gleich ob mit geringer Erntemenge wie 2010 oder mit höherer wie 2008.
3. Der Markt verlangt (zumindest bei uns in Ö), dass die Weinguides schon sehr früh erscheinen, damit man knappe Weine schon bei der Freigabe durch das Weingut im Guide lesen kann. Da man aber tausende Weine nicht in ein paar Tagen verkosten kann, muss man damit schon sehr früh beginnen – ob man da den Weinen wirklich gerecht werden kann?
Persönlich sind mir daher die Eindrücke von Amateuren – am besten mehrere – am liebsten.
Grüße,
Gerald
Lieber Carsten Henn,
von den Weinentdeckerweinen kenne ich leider nur den bei/mit Knipsers gefüllten Rotwein. Pfundswein, schönes Projekt. Auf Euren Moselerstling bin ich in der Tat schon sehr gespannt.
Stefan Kaaf, danke für diesen Beitrag. Ich nenne den Mundus Vini eine Kollekte. 140 Euro Anstellungsgebühr x 6000 eingereichte Weine = ein Haufen Euros. Bewertungen im Takt wie “am laufenden Band”, Dalli Dalli wir sind ja als Verkoster nicht zum Spaß hier eingeflogen worden. Eine herrliche Quersubvention der Printprodukte eines einzigen Verlagshauses. A propos, wer bezahlt eigentlich Anreise, Aufenthalt der Verkoster des Mundus Vini? Die Antwort fände ich ich äußerst spannend. P.S. Schirmherr ist ein Herr “die Brücke” Hering.
@ Carsten Henn,
dürfen wir uns aus einem eventuellen Interessenskonflickt aus dem GM für eine Zeit lang ausklinken?
@ All
Ehrlich gesagt bräuchte man über diese Riesen – Konflikt – Problematik nicht diskutieren, wenn die Weine zu 100% Blind verkostet werden würden. Dabei sollten die Regionen auch untereinander gemischt werden.
Dumm nur, dass viele Weine zum Verkostungszeitpunkt ohne Hintergrundwissen falsch bewertet werden würden. Die Erfahrung der Verkoster mit der betriebsspezifischen Altersentwicklung der Weine sollte mit in die Wertung einfließen.
Leider stimmen dann empfohlene Trinkzeitpunkte / Haltbarkeiten nicht mit der Realität überein…
Ich seh es kommen und muß ein Blindverkostungsportal programmieren. Die Ergebnisse der Verkostungen kann ich ja danach dem GM verkaufen
…
ja lieber dirk, das ist die crux. Gute Leute finden ist nicht einfach. Sie ordentlich zu bezahlen, so dass sie nach Steuer und Versicherung auch davon leben können, ist inzwischen fast nirgends mehr üblich.
Wenn es aber jemand versuchen würde, ist das definitiv nur möglich, wenn dafür Verkostungsgebühren bezahlt werden. Das kann durchaus fair sein, wenn der kleinste unbekannteste Winzer dasselbe zahlt, wie der Superstar-Winzer. In der Regel ist es dann aber leider oft so, dass der Starwinzer nicht bezahlen will, bzw. seine Weine nicht einschickt, sondern verlangt, dass man bei ihm vorbei kommt und die Weine quasi unter seiner Aufsicht verkostet. Da der Verlag natürlich die Stars als Zugpferde im Buch/Guide braucht, bezahlen dann eigentlich die kleinen Winzer die Verkostungen der bekannteren mit. Obwohzl sich die das viel eher leisten könnten – egal ob sie das steuerlich absetzen können oder nicht.
Bei dieser Ausgangssitutation – und wissend, dass man am Verkauf auch nicht wirklich viel verdienen kann bei der Auflage – ist es natürlich schwierig, sowas zu finanzieren.
Ohne mich da in Deutschland einmischen zu wollen, habe ich halt schon oft das Gefühl, dass ihr auch extrem heikel seid, denn die meisten sogenannten “Interessenskonflikte” erscheinen mir als durchaus vernachlässigbar, weil die Leute, soweit ich sie kenne, das wohl nie ausnützen (glaube ich halt). Aber wie gesagt, einer Meinung: Unabhängigkeit geht nur mit ordentlicher Bezahlung. Hoffentlich findet bald einmal wer den Mäzen, der das zahlt.
Gruss aus Wien.
Da fällt mir gerade auf das ich vergessen habe mich für den guten Journalismus in dieses Artikel zu bedanken. Professionelle Kommentare kommen noch dazu. Da behaupte mal einer das web 2.0 sein nicht erwachsen.
@alle
Noch einmal einige grundsätzliche Dinge, die mir extrem wichtig erscheinen:
1. Das hier ist keine journalistische Plattform, ich bin kein Journalist und werde auch nie einer werden. Ich habe auch nicht diesen Anspruch. Ich bin ein Blogger, das ist ein Blog. Dennoch werden wir hier in diesem Blog, gerade bei solchen Themen, weiterhin versuchen, größte Sorgfalt walten zu lassen-
2. Die Intention der aktuellen Serie ist es nicht(!), mit Dreck zu werfen, sondern unsere Sicht der Dinge so nüchtern und sachlich wie es geht darzustellen
3. Finanzielle Unabhängigkeit von Kritikern wäre, unserer Meinung nach, eine wesentliche Voraussetzung. Das ist allerdings nur die Basis von allem. Danach geht es um ganz grundsätzliche, in der Persönlichkeit des Kritikers zu manifestierende Voraussetzungen für eine unabhängige Kritik. Da muss jeder mit sich in Klausur gehen und entscheiden, ob oderob er nicht befähigt nicht.
Dirk, war das eine ernsthafte oder eine rhetorische Frage? Du weißt doch längst, wen ich meine. (Ja, genau DEN!)
@Werner
Nein, ich weiss nicht, wen oder welches Gebiet Du meinst! Sag es halt!
Die Pfalz meine ich natürlich, Dirk. Gibt es zu der Konstellation dort nichts zu sagen?
@Werner
Und… was gibt es da?
Das erzähl’ ich dir besser mal in aller Ruhe.
@ Werner Elflein
jetzt sagen Sie’s schon, Sie haben öffentlich gegackert, jetzt müssen Sie auch das Ei legen
Jörg, es gibt zu diesem Zeitpunkt kein Ei in der Öffentlichkeit zu legen, und ich habe auch nicht gegackert, sondern Dirk lediglich gefragt, ob es zu der Konstellation in der Pfalz nichts zu sagen gäbe. Es gibt fast kein deutsches Anbaugebiet, in dem mir nicht bereits von Winzerseite die tollsten Geschichten aufgetischt worden wären. Dass es in der Pfalz eine Häufung gibt, sagt mir zunächst einmal nur, dass dort viele Winzer mit ihren Gault-Millau-Verkostern unzufrieden sind und möglicherweise auch deswegen Unsinn verbreiten. Sollte sich jedoch das eine oder andere bewahrheiten … – aber das zu recherchieren sehe ich nicht als meine Aufgabe an. Meine Zeit ist mir zu schade, um sie mit solchen Nachforschungen zu vergeuden. Ich weiß ohnehin, was ich vom Gros der für den Gault-Millau WeinGuide tätigen Verkostern zu halten habe, und das genügt mir persönlich vollkommen. Es ist nur schade, dass die wenigen seriösen Verkoster unter dem schlechten Ruf der anderen leiden müssen. Carsten Henn halte ich zum Beispiel für einen der ersteren. Aber er steht für meine Begriffe (fast) allein auf weiter Flur. Sein Statement oben zu seinem “Weinhandel” (hier bewusst in Anführungszeichen) finde ich absolut glaubhaft.
Als einer derer die sich in irgendeiner Sicht überhaupt an Tester halten muss, weil ich kaufe die Brühe möchte ich einfach mal ein paar nüchterene Kommentare geben.
@ Carsten Henn ergo Weinentdeckungsgesellschaft.. geniale Sache bin selber dabei, aber wenn, dann wäre doch seine Tätigkeit für Vinum als für den Millau das Problem, welches ich aber nicht sehe.
@ Felix Peters, soweit ich weiss war Herr Lüer lange vor seiner Vivart Zeit beim Millau und wenn ich es richtig seh ist das Heft sogar recht angenehm gemacht.. zumindest liegt es im Rheingau und in Rheinhessen an vielen stellen rum.
Und jetz die ernsthafte Frage an alle.. Wie wichtig ist der Millau wirklich, meine Kaufentscheidungen treffe ich im März/April da hilft auch dem engagiertestem Konsumenten kein Millau der im November kommt, natürlich ist der alte ein Hinweis aber nicht das Gesetz und bei aller Liebe wie gross ist die Auflage? Das Gros landet doch bei Winzern… die relevaten Käufer, für die ja jeder schreibt, ob Blogger ob Journalist, wer davon ist denn überhaupt bereit Geld für den Millau zu bezahlen. Weil ich glaub der Wein wird woanders verkauft.
Und zu guter letzt Wein und auch Restaurantkritik ist immer subjektiv, auch ich hab beim TWA Weine von mir bekannten Gütern unbewusst bevorzugt.
Partick, verdeckte Verkostung ist in meinen Augen das A und O, auch wenn hierdurch Informationen etwa über die Lagenherkunft nicht vorliegen. Wie aber soll eine Herkunftstypizität überprüft, wenn diese schon vorab bekannt ist? Wenn ich etwas über den Wein weiß, bin ich voreingenommen. Die Ergebnisse sind … – wie du selbst sagst. Wenn du aber forderst, die Erfahrung der Verkoster mit der betriebsspezifischen Altersentwicklung der Weine solle mit in die Wertung einfließen, dann finde ich das höchst problematisch. Zum einen würde dies deine Forderung nach einer verdeckten Verkostung ad absurdum führen, zum anderen nützt dir das Wissen um die Altersentwicklung früherer Jahrgänge im konkreten Fall wenig, weil, wie du als Winzer selbst weißt, sich die Weine eben nicht immer gleich entwickeln. Ich selbst hadere ja immer mit den Bewertungen der Rieslinge aus dem Erdener Prälat, weil die im Gault-Millau WeinGuide 2010 schlechter abschnitten als die Weine aus dem Erdener Treppchen. Jeder, der sich in der Materie auskennt, weiß, dass der Prälat nicht nur die überragende Lage der Mittelmosel ist, sondern dass fast jeder Winzer, der dort begütert ist, seinem Spitzenprodukt besondere Sorgfalt angedeihen lässt. Die Prälat-Rieslinge brauchen anfangs nur ein wenig mehr Zeit als die aus dem Treppchen. In einer verdeckten Verkostung würde diesem Sachverhalt nicht Rechnung getragen, das ist leider richtig, aber die Herren Gault-Millau-Verkoster haben das ja selbst mit offenem Visier nicht hinbekommen. Interessant wäre es in meinen Augen, jeden Wein einmal offen und verdeckt zu verkosten und anschließend die Ergebnisse zu vergleichen. Ich bin mir sicher, da treten signifikante Unterschiede auf, auch wenn dies vom Anspruch her nicht sein dürfte. Hier bin ich aber der Ansicht, dass gerade geübte Verkoster ein Problem bekommen, weil sie die Erzeuger über viele Jahre kennen und sich bereits ein feste Meinung herauskristallisiert hat. Gerade die führt aber zu der nicht erwünschten Voreingenommenheit, gegen die sich kein Mensch wehren kann.
“Professionelles Verkosten” heißt in den meisten Fällen leider immer: Man trifft sich zur Degustation, probiert eine Reihe von 50 Weinen und mehr an einem tag durch und fertig ist die Bewertung. Mir reicht das nicht. Zunächst sollte einmal festgestellt werden, inwieweit verdeckte und offene Verkostung ein und desselben Weines auseinanderliegen. Gibt es eine siginifikante Differenz, muss ein anderer Verkoster den Wein beurteilen (ohne zu wissen, dass es sich um eine Kontrollverkostung handelt). Das ist ein hoher logistischer Aufwand, und dieser Aufwand muss natürlich bezahlt werden. Aber bitte von den Nutzern der Dienstleistung. Ob das Geschäftsmodell dann noch rentabel ist, steht auf einem anderen Blatt. Wenn nicht, dann gibt es hierfür eben keinen Markt. Aber den Dilettantismus zum professionellen Standard zu erklären, ist in meinen Augen keine Lösung.
Hallo Dirk,
erst mal einen schönen Gruß aus Fellingshausen. Lange nichts gehört.
Zur Sache: Ich schließe mich den Vorredner in vielen Punkt an. Ich gehöre zu denen die sich jedes Jahr den Gault Millau kauft, durchaus in dem Bewusstsein, das da nicht immer alles so abläuft wie man es sich vorstellt. Was die Verkostungsergebnisse angeht liegen meine Eindrücke der Weine sehr oft ganz dicht bei den Bewertungen des Gault Millau. Viele zwei und drei Trauben Betriebe werden aus genannten Gründen nie in weitere Regionen vordringen können aus diesem Grund sollte man die Traubenbewertung weglassen oder ausblenden können. Hier stehen Betriebe automatisch weit vorne, ohne das die aktuelle Kollektion dies widerspiegelt. Eine Online Version des Gault Millau sollte in Zukunft jedem die Möglichkeit geben sich eine Rangfolge nach seinen geschmacklichen Vorlieben zu erstellen Pinot, Riesling Spätlesen usw. Ohne Träubchen könnte diese einiges am Gesamtergebnis durcheinanderwirbeln.
Pingback: Da war noch was… « Würtz-Wein
es ist untertrieben wenn ich ausplaudere das ich äußerst gespannt bin auf den nächsten Teil dieser bloggernovella…
Pingback: 75cl | Wein in Ostwestfalen | Für Genießer & passionierte Druckbetanker» Blogarchiv » Gault Millau: Die Bibel des deutschen Weins
Pingback: Schwer was los… « Würtz-Wein
Pingback: Der “neue” Gault Millau… « Würtz-Wein