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Serie Teil 2: Der Gault Millau Weinguide Deutschland

In zwei Jahren ist es soweit: Der Gault Millau Wein Guide wird dann sein 20-jähriges Jubiläum feiern. Dieses Buch über deutsche Weine und Winzer, daran gibt es keinen vernünftigen Zweifel, ist zu einem Standardwerk geworden.

Die „ZEIT“ bezeichnete den Gault Millau als „Bibel des deutschen Weins“, „BILD“ als „wichtigsten deutschen Weinführer“, die „Süddeutsche Zeitung“ gar als „eine nationale Institution“. „Wer hier lobend erwähnt wird, kann sich weitere Werbung sparen“, titelte die „Badische Zeitung“. Über einen Mangel an Superlativen von Seiten der Presse, diverser Verbände und Winzer kann sich dieser Weinführer sicherlich nicht beklagen.

Es verdient höchste Anerkennung, wie konsequent und nachdrücklich die Macher dieses Buches in den vergangenen zwanzig Jahren an ihrem Projekt gearbeitet haben. Wer im Gault Millau nicht gelistet ist, spielt keine wesentliche Rolle in der deutschen Spitzenweinproduktion. Auf diesen einfachen Nenner könnte man das Ganze durchaus bringen. Vielleicht gibt es Ausnahmen, mir fällt aber gerade keine wichtige ein. Der Gault Millau ist die letzte und höchste Instanz der  bundesrepublikanischen Weinkritik. Geliebt von den Siegern die über den grünen Klee gelobt werden, gehasst von den vermeintlich ungerecht Bewerteten - eigentlich findet jeder Winzer seine eigenen Weine am besten. Und natürlich ist der Gault Millau auch mit viel Häme von Besserwissern und weniger erfolgreichen, unter Umständen auch neidischen Kritiker-Kollegen, bedacht worden.

Schon immer rankten sich allerdings auch Gerüchte über die Unabhängigkeit der Gault Millau Macher. Von Interessenkonflikten war die Rede, mitunter sogar von Bestechlichkeit. Was hat man Robert Parker in ähnlichem Zusammenhang nicht schon alles unterstellt… Wo geurteilt wird, menschelt es. Und wenn es menschelt, dann wird es subjektiv: den einen Winzer kennt man besser, man ist vielleicht sogar mit ihm befreundet, den anderen sieht man lieber von hinten. Ähnlich wie in der Literatur- und Theaterkritik, gibt es den restlos objektiven Weinkritiker schon deshalb nicht, weil es sich um persönliche Sinneseindrücke handelt, die auch maßgeblich durch die unterschiedlichen Erfahrungen des jeweiligen Kritikers geprägt werden. Der perfekte, unemotionale Verkoster wäre so etwas wie eine – noch zu entwickelnde – Degustationsmaschine. Was es sicherlich gibt, sind geschulte und sensorisch versierte Verkoster, die versuchen, ihre persönlichen Präferenzen in den Hintergrund zu stellen, was an sich schon schwer genug ist.

Wer ein anerkannter Kritiker ist, besitzt in der Regel auch eine gewisse Macht. Er ist gehasst und geliebt, im Idealfall genießt er Respekt – sogar in der Weinbranche. Problematisch wird es allerdings dann, wenn der Kritiker in einem wie auch immer gearteten Interessenkonflikt steht. Daraus folgt quasi wie von selbst die wichtigste Eigenschaft eines Kritikers: seine Unabhängigkeit. Meines Erachtens ist diese fast noch wichtiger, als die eigentliche Befähigung zur Kritik. Letzteres kann man halbwegs lernen, wenn man nicht gänzlich talentfrei ist.

Rein wirtschaftlich betrachtet haben es Weinjournalisten recht schwer in Deutschland, insbesondere die sogenannten freien Journalisten. Die Verlage zahlen ihnen meist karge Honorare, und die Konkurrenz ist groß. Möchtegern-Weinkritiker sollen mitunter sogar bereit sein, auf ein Honorar gänzlich zu verzichten, nur weil sie endlich einmal ihren Namen in einer vermeintlich wichtigen Publikation sehen möchten. Hinter vorgehaltener Hand regt sich mancher  Profi über solche „Kollegen“ auf, doch kaum einer wagt öffentliche Kritik. Die Angst, keine Aufträge mehr zu bekommen, scheint doch zu groß zu sein. Ergo: Besser viele kleine Honorare, als gar keines.

Keiner der Gault-Millau-Verkoster macht dieses Job natürlich kostenlos. Aber, das Honorar ist offenbar alles andere als fürstlich: „Gemessen am Zeitaufwand, verdient meine Putzfrau mehr in der Stunde“, schrieb mir einmal der Gebietsverkoster einer großen Region. Vom Gault Millau kann man offenbar als Journalist nicht leben, erst recht nicht als kleiner Gebietsverkoster. Damit ist völlig klar, dass Gault Millau Verkoster noch anderen bezahlten Tätigkeiten nachgehen müssen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen, etwa die beiden für die Mosel zuständigen Verkoster, üben die meisten anderen Tester Tätigkeiten aus, die auf unterschiedliche Weise  mit Wein zu tun haben. Das mag beim Sommelier weniger problematisch sein, als bei einem im Weinhandel tätigen Zeitgenossen.

Einen schier unüberwindlichen Interessenkonflikt stellte beispielsweise der Umstand dar, dass der ehemalige Chefredakteur Armin Diel selbst ein Weingut betreibt. Ein Winzer, noch dazu der Regionalvorsitzende eines VDP-Verbandes, urteilte also über seine Kollegen. Das Diel´sche Weingut wurde zwar nie im Gault Millau bewertet, jedenfalls nicht mit Punkten und Trauben, das machte die ganze Sache aber auch nicht besser. Man stelle sich einmal vor, Martin Winterkorn, der Vorstandsvorsitzende des Volkswagen Konzerns, würde einen Führer mit Ranglisten und Noten über die deutsche Automobilindustrie herausgeben. Undenkbar!

Es verwundert einen schon sehr, wie lange Diel diesen häufig kritisierten Interessenkonflikt ausgeblendet hat, bis er sich im Jahr 2009 vom Gault Millau verabschiedete, in dem er von der ersten Ausgabe an stets auf seine verschiedenen Tätigkeiten hingewiesen hatte. Dies ist ein treffliches Beispiel dafür, dass Transparenz alleine einen bestehenden Interessenkonflikt nicht unbedingt auflösen muss. Interessanterweise ist übrigens auch Robert Parker an einem Weingut beteiligt, nämlich an dem Weingut Beau-Frère in Oregon, das mehrheitlich – wie der Name schon sagt – seinem Schwager gehört. Auf diesen Sachverhalt weisst Parker im Impressum seines “Wine Advocat” zwar ausdrücklich hin und bekräftigt, dass er über diese Wein nicht schreibt. Den darin begründeten Interessenskonflikt löst diese Aussage aber ebenso wenig auf, wie dies bei Armin Diel der Fall war.

Im nächsten Teil unserer Serie beschäftigen wir uns mit weiteren interessanten Details zum Thema Weinkritik versus Interessenkonflikt im Gault Millau

11 Kommentare zu “Serie Teil 2: Der Gault Millau Weinguide Deutschland

  • Gilli Vanilli

    Tja ja das ist ja eine interessante Geschichte gewesen damals die dann zum Rücktritt geführt hat

    ich bin gespannt auf deine Fortsetzung Dirk

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  • felix

    Hallo,
    zur Info: “Beaux Frères” ist in Oregon. Ansonsten hab’ ich nix zu meckern. Viele Grüße,
    Felix

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  • Thomas Günther

    Hi Dirk,
    guter Artikel. Zwei Aspekte möchte ich noch ergänzen. Aus meiner Sicht ist die Weinkritik in den vergangenen Jahren wesentlich transparenter geworden. Das bedeutet, dass die Kritik am Kritiker zugenommen hat. Ursache hierfür sind die Möglichkeiten im Internet. Das beschränkt auch die Macht, die früher Weinführer hatten. Weinjournalisten können sich immer weniger verstecken, sondern müssen sich mit ihren Lesern auseinandersetzen und ständig selbst überprüfen wie sauber sie arbeiten. Und so hat beim Fall Diel das Internet eine gewisse Rolle gespielt.

    Zudem kann man auch feststellen, dass um so bekannter ein Medium/Kritiker ist, um so häufiger gibt es auch Kritik. Man kann ja mal schauen, was alles über Parker geschrieben und geredet wird. Ich bin ja auch kein Freund von dem dieser Instanz. Aber interessant ist dieser Aspekt schon.

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    • Dirk Würtz Post author

      @Thomas
      Absolut richtig. Das Netz hat da für deutlich mehr Transparenz gesorgt. Das ahebn meiner Meinung nach aber noch nicht alle Weinjournalisten mitbekommen… leider… Der letzte von Dir genannte Aspekt ist klar. Kritik an der Kritik ist auch ein Zeichen des Erfolges.

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  • Fabian Herbel

    Lieber Dirk,
    eine Bitte für Deine mit Spannung erwartete Serie: Kannst Du bitte auch immer ein Wort über die allgemeinen Aufnahmekriterien schreiben? Ich meine mich erinnern zu können, dass dies allein dazu führt, viele Weingüter in manchen Führern nicht zu finden, die dort eigentlich reingehören (Stichwort: Einsendung des Sortiments, Verbandsmeierei, usw.). Als Laie habe ich davon kaum Ahnung, mir ist aber im DLG-Führer (http://www.dlg.org/wein.html) sehr deutlich aufgefallen, dass dort kaum einer der üblichen Verdächtigen erscheint. Bitte erklären!

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  • matthiasfm

    Hi Dirk, ausgewogener Bericht, Kompliment. Sonst wird ja meist nur draufgehauen. Niemand sollte zudem als GM-Leser glauben (oder sich als GM-Tester für so wichtig/unfehlbar halten), dass die Bewertungen die “Wahrheit” widerspiegeln. Es sind Momentaufnahmen, die von mehreren Nasen und Gaumen oft zu solch Zeitpunkten gemacht werden, zu denen man sich noch viel Gedanken über die zukünftige Entwicklung der Weine machen muss. Den meisten Spaß macht es übrigens, als Verkoster Jahr für Jahr neue Betriebe zu entdecken und ihren Weg (zumeist nach oben!) zu begleiten. Das Thema “Macht” wird dabei extrem überschätzt. Wer nicht mit Herzblut bei der Sache ist, sondern nur eigenen Ruhm anhäufeln möchte, hat von vornherein verloren. Mindestens den Respekt der Betriebe, und ohne den geht gar nichts.

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  • Werner Elflein

    Gerade was die zukünftige Entwicklung der Weine angeht, lache ich mir regelmäßig den A… ab. Es ist zweifellos keine Kunst, einem trockenen 2009er Riesling eine positive Entwicklung bis ins Jahr 2012 zu bescheinigen. Dies aber dann konsequent durch sämtliche Anbaugebiete und unabhängig von der jeweiligen Stilistik.

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  • Pingback: Serie Teil 3 – Der Gault Millau und die Interessenkonflikte « Würtz-Wein

  • Udo Schewietzek

    Mir fällt eine Ausnahme ein: Sven Leiner aus der Pfalz.
    Hier beurteilt der GM nach meinem persönlichen Geschmack micht richtig:
    Die Beurteilung:
    “Weingut Jürgen Leiner
    Inhaber: Sven Leiner
    Im hübschen Weinort Ilbesheim unter der Kleinen Kalmit haben jüngere Kellermeister wie Sven Leiner viel für die Entwicklung von Qualität und Stil getan. Leiners biodynamische Anbauweise führte zu prägnanterem Charakter seiner Weine, was wir sehr begrüßen. Allerdings hat sich Leiner unserer Ansicht nach stilistisch verrannt. Wir verstehen das Bemühen, abseits der üblichen Trampelpfade einen eigenen Stil zu entwickeln. Aber auch wenn Sven Leiner sich unverstanden fühlt, sind wir entschieden der Meinung, dass den zweifellos dichten Weinen Finesse und Struktur fehlt.”

    Mir und meinen Kunden schmecken die Weine von ihm, daher breche ich mal diese Lanze für Leiner…

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