Alles über Wein und den Rest der Welt…

“Dann ist sie dick, dann ist sie ungepflegt”

… so beschreibt die Chefin einer Casting-Agentur eine Frau aus ihrer Kartei. Ein Glücksfall für die Agentur, ein Glücksfall für die Produktionsfirma, ein Glücksfall für den privaten Fernsehsender. “Das Lügenfernsehen“, eine Dokumentation vom NDR, die man gesehen haben sollte.

Es geht um echte Fälschungen, um vermeintlich echte Familientragödien und darum, dass man “ein wenig” nachhilft, um dem Zuschauer realistische Geschichten zu erzählen. Es geht um die Nachmittags-Formate der privaten Fernsehsender, allen voran RTL. Der NDR hat sich aufgemacht und einen Blick hinter die Kulissen dieser Formate geworfen. Das Ergebnis ist wenig überraschend. Im Gegenteil, ich habe nichts anderes erwartet. Jedem, auch nur halbwegs klar denkenden Menschen, musste das klar und deutlich sein.  Spätestens dann, wenn er sich ein solches Format einmal angeschaut hat. “Scripted reality” ist das Stichwort, beileibe keine neue Erfindung des Privatfernsehens.

Der Sender bietet ein Format an, von dem er sich einen großen Erfolg verspricht. Der Zuschauer konsumiert es. Alles im Lack…oder vielleicht auch nicht. Man kann sich trefflich darüber streiten, wer der größere “Idiot” ist. Der, der es anbietet und produziert, oder derjenige, der es konsumiert. Ein, wie ich finde, schwer zu entwirrendes Knäuel. Fakt ist, das Fernsehen hat einen Auftrag. Der Auftrag der öffentlich-rechtlichen ist klar per Gesetz definiert. Der Auftrag der privaten Sender ist eher schwammig. Sie haben eine “gesellschaftliche Verantwortung”, so erklärt es jedenfalls der Pressesprecher von RTL. Dieser Begriff bietet unendlich viel Raum für Auslegungen und Definitionen. Harald Schmidt nannte das Ganze einmal “Unterschichten-Fernsehen”. Zielgruppe einkommensschwache und bildungsferne Bürger. Ganz so einfach ist es sicherlich nicht, wenn auch wahrscheinlich nicht ganz falsch.

Im Grunde geht es doch, wieder einmal, um nichts anderes als soziale Kompetenz. Die geht mehr und mehr obsolet. Im Fernsehen schon länger, im Internet ist es nicht viel anders. Soziale Kompetenz kann man lernen, man bringt sie in der Regel seinen Kindern bei. Wenigstens dann, wenn man sie selbst gelernt hat. Ansonsten müssen pädagogische Einrichtungen diesen Job übernehmen… und da schließt sich dann wieder der Kreis. Die Eltern haben keine Zeit oder Lust, in der Schule geht das Thema meist auch unter, bleibt nur noch der “Erziehungsberechtigte Fernsehen”, der diesen Job übernimmt. Da greift dann die “gesellschaftliche Verantwortung” von RTL und Co. Dass sollte den Machern dieser Formate bewusst sein. Hier ist ihre Verantwortung ganz klar definiert und ersichtlich. Sie ergibt sich aufgrund ihrer Reichweite und ihrer öffentlichen Wahrnehmung als Wahrheits- und Informationstransporteur, als Erziehungsberechtigter, quasi ganz von selbst. Meiner Meinung nach ohne einen Millimeter Definitions-Spielraum.

Hier noch einmal der link zur Doku “Das Lügenfernsehen”

6 Kommentare zu ““Dann ist sie dick, dann ist sie ungepflegt”

  • Der Doc

    Bei RTL sieht man es ja doch relativ problemlos – wenn in ARD, ZDF, FAZ, SPIEGEL oder FAZ (oder was es eben sonst so an seriösen Medien gibt) über die Dinge berichtet wird, in denen ich mich auskenne (eben das berufliche Spezialgebiet), dann wird auch dort ohne Ende gelogen, missverstanden oder weggelassen. In dem Falle merke ich das – und schüttle den Kopf. Ich habe nur Angst, dass bei allen anderen Dingen, über die ich nicht mehr weiss als der Durchschnittsmittelstandsakademiker, die Quote an Unwahrheiten nicht anders ist. Und dann kann ich den seriösen genauso wenig glauben wie RTL.

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  • Anneli Dierks

    Lieber Doc, auch bei “all den anderen Dingen” ist es leider nicht anders. Zeitung zu lesen & Fernsehen zu gucken bedeutet in den meisten Fällen, sich unserer täglich Desinformation hinzugeben, die vom Staat bezahlt wird. Aktuelle Beispiele: E10, angebliche Verminderung der weltweiten Weizenernte durch den Klimawandel (und nicht den Anbau von Soja oder Pflanzen, aus denen dann Biobrennstoffe hergestellt werden), um eine Preiserhöhung der Lebensmittel zu rechtfertigen. Bin Laden ist auch ein schönes Beispiel dafür, wie man aus einem ehemaligen vom CIA (via Afghanischer Geheimdienst ISI und Pakistan bzw. Saudi Arabien) bezahlten Ausbilder und Vermittler/Geldbeschaffer den meist gesuchten “Terroristen” der Welt macht. Nun ist er tot, auf Befehl des CIA erlegt und “Der Tagesspiegel” rechtfertigte gestern in einem langen Artikel das Handeln Obamas, der eben in dieser von Gewalt doch so geprägten Welt KEINEN zerbarstenen Kopf auf dem Speer präsentiert, sondern uns diesen Anblick und damit auch den Beweis für den Tod des Osama Bin Laden erspart. Oder willst Du wirklich glauben, dass die USA seit sechs Jahren über dessen Aufenthaltsort bescheid wusste und die Füße still gehalten hat während Bin Laden ohne Telefon und Internet via Rauchzeichen durch Müllverbrennung die Terroranschläge von TwinTowers bis Flughafen Düsseldorf gesteuert und geplant hat? I don’t think so.
    Etwas Lesefutter zum Thema bietet der link http://www.kriegsreisende.de/wieder/alkaida-cia.htm
    alles Weitere entnimmst Du der lokalen, nationalen und internationalen Presse.
    Noch ein kleines Anekdötchen: Als ich im Sommer 1990 als Nachrichtenredakteurin für ein Medium des Gruner & Jahr verlages in Berlin tätig war (AVNET Bildwand, gegenüber Cafe Kranzler) berichtete ich am 2. August 1990 auch über den “plötzlichen” Einmarsch des Irak in Kuweit. Das war um 2 Uhr morgens, dann sass ich drei Stunden gebannt vor den Nachrichtentickern der Reuters und DPA sowie vor dem TV. Als der Irak einmarschierte war es 5 Uhr morgens und oh Wunder, der Sender CNN hatte die Trailer, die von nun an vor die Berichterstattung über diesen Krieg gesendet wurden bereits FERTIG. Und zwar nicht nur einen.
    Irgendwann war ich es leid, Fakten zu reproduzieren und widmete mich den schönen Dingen des Lebens: Wein, Reise und Gastronomie. In dieser Branche wird auch viel geschwindelt. Aber zu den zum Teil schlechten Honoraren gibt es wenigstens einen anständigen Tropfen und ein gutes Essen :-)

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  • Der Doc

    Man muss dazu sagen, dass die Verschwörungstheoretiker nichts anderes machen, sondern eben eine NOCH einfachere Lösung für ein komplexes Problem anzubieten. Die Wahrheit ist eben selten einfach, und Böse und Gut sind nicht zu trennen. Aber das soll hier nicht die Diskussion sein (mal davon abgesehen dass ich durchaus glaube dass CNN in der Lage ist, in 3 Stunden jede Menge Trailer zu fertigen ;) )

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  • Gilli vanilli

    Ich bin ja bekennender Hasser der öffentlich rechtlichen aufgrund des Geschwürs was sich GEZ nennt

    Aber als ich 5 Wochen daheim war wegen Schlüsselbein Bruch habe ich gelegentlich
    Tv angehabt und was da tagsüber auf RTL lief entbehrt allem was man beschreiben kann

    Unglaublich da fang sogar ich an meinen GEZ Hass zu überdenken

    Traurig traurig

    Ich hab mich dann für Bücher entschieden besser wars

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  • Marc Herold

    Dirk, mit dem Satz “Sie ergibt sich aufgrund ihrer Reichweite und ihrer öffentlichen Wahrnehmung als Wahrheits- und Informationstransporteur, als Erziehungsberechtigter, quasi ganz von selbst. Meiner Meinung nach ohne einen Millimeter Definitions-Spielraum.” machst du dir doch was vor. Die Privatsender gehören zu Konzernen, deren selbstsgestellte Aufgabe darin besteht Profit zu erwirtschaften. Das Privat-TV fischt dabei in ganz bestimmten Kreisen, die eben nicht informiert werden wollen. Es gibt eben auch ein Recht auf Nicht-Information oder Ignoranz, dass muss man in einer offenen Gesellschaft aushalten können.

    Grüße

    Marc

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  • Pingback: Ein Blick in die Leitmedien – Thomas Leif « Würtz-Wein

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