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Spargel im Januar…

Erdbeeren an Weihnachten und Kirschen im April. Wir sind es gewohnt, zu jeder Jahreszeit alle Produkte problemlos kaufen und konsumieren zu können. Aber zu welchem Preis?

Billig natürlich! Was sonst! Ein Pfund Spargel aus Peru kostete 99 Cent im Handel. Das war ein Aktionspreis an diesem Wochenende, nachzulesen hier auf Facebook. Daraus entstand eine Diskussion, die teilweise sehr sachlich und vernünftig geführt wurde, teilweise aber, wenigstens für mich, wieder einmal offenbarte, wo der “Fress-Hammer” hängt. Ich will alles, immer, billig, und wenn es zufällig auch noch schmeckt, umso besser!  Völlig egal, wie und wo es hergestellt wird und wie es transportiert wird. Das war der polemische Teil.  Aber zunächst doch einmal ganz sachlich…

Peru ist, nach China, das weltweite Spargel-Mekka. Dank der klimatischen Bedingungen, kann man in Peru mehrmals im Jahr Spargel ernten. Große Firmen haben riesige landwirtschaftliche Projekte errichtet, um dieses Produkt herzustellen. Davon profitieren in diesem Land sehr viele, manchmal auch kleinere Bauern. Hübsch nachzulesen in einem Artikel auf “Welt-Online”. Grundsätzlich finde ich solche Projekte gut, sofern auch die kleinen Bauern und der Rest der Bevölkerung etwas davon haben. Ich war noch nie in Peru, ich kenne niemanden aus Peru, ergo muss ich das einfach mal so stehen lassen und glauben.

Theoretisch müsste man jetzt natürlich wie folgt argumentieren: “Spargel aus Peru kann nicht gut sein, da stimmt die CO2-Bilanz nicht, bis er hier im Regal liegt”. Das ist leider nur bedingt richtig, nämlich dann, wenn er mit dem Flugzeug kommt. Kommt er mit dem Schiff und das noch zur passenden Jahreszeit, kann die CO2 -Bilanz durchaus besser sein, als die beim heimischen Spargel. Das entscheidende Wort hierbei heißt “kann”, denn Spargel aus Peru ist wohl eher ein typisches Luftfrachtgut.

Wie man es dreht und wendet, es gibt wohl wenig Argumente, die gegen peruanischen Spargel sprechen…oder etwa doch? Mir fallen da einige ein…

Spargel ist ein Saisongemüse und deswegen heiß begehrt… in der Saison. So heiß begehrt, dass es sogar schon im alten Rom so etwas wie eine Höchstpreisgrenze gab. Spargel ist KEIN Grundnahrungsmittel. Es gibt keinerlei verbrieftes Recht auf freien und immer gültigen Zugang zu Spargel. Warum ich das schreibe? Ganz einfach. In der Facebook-Diskussion war ein Argument, dass Spargel für 99 Cent das halbe Kilo doch ganz toll sei, da er  somit auch erschwinglich für Hartz4 Empfänger ist. Ein, wie ich finde, eher merkwürdiges Argument. Wenn alles, inklusive Spargel, immer und jederzeit verfüg- und kaufbar ist, führt das zur finalen Industrialisierung der Landwirtschaft.

Natürlich ist es wichtig, dass die Menschen in Peru einen Job haben und Geld verdienen. Umgerechnet 150 Euro im Monat, liest man. Das sind gerade einmal einhundert Euro weniger, als ein Rumäne in der rumänischen Landwirtschaft verdient. Geht doch! Und wenn er nur noch 130 Euro bekommt ist das doch auch noch genug… Der sechsjährige, der in Indien mein T-Shirt zusammennäht, bekommt doch auch Geld. Und schön ist das T-Shirt auch! Ich gebe es zu, meine Polemik in diesem Teil ist von einer gewissen weltfremden Sozialromantik geprägt, die ich nach wie vor verinnerlicht habe. Aber der Bogen zur Realität ist schnell gespannt. Warum funktionieren so viele Dinge so reibungslos, warum gibt es diverse Skandale und lebensmitteltechnische Terror-Anschläge? Doch nur, weil wir als Konsumenten durch permanentes Relativieren und Akzeptieren von angeblich feststehenden Fakten und Sachzwängen annähernd regungslos alles ertragen, akzeptieren und final auch kaufen.

Mein Fazit: Ich kaufe im Winter keine Erdbeeren und auch keinen Spargel. Wenn schon Spargel, dann in der Saison hier beim Bauern. Ich mag übrigens keinen Spargel

15 Kommentare zu “Spargel im Januar…

  • Bolliskitchen

    Ich glaube einfach, das Problem links vom Rhein ist halt das, das der typische deutsche wie Du schon sagst, alles schön billig haben will. “99cts für Spargel? geil, her damit, egal zu welcher Jahreszeit…. “, wenn die Nachfrage nach “Exoten” wie Jakobsmuscheln, gutem Gemüse, ordentlichem Biofleisch, leckeren Hühnereiern und schön fetten Hühner etc wirklich in D. bestünde, hättet Ihr besseres Angebot auf Markten und in den Läden! Aber leider denkt so wie Du, nur ein Minderheit…..und noch nichtmal 10% der Foodblogger!

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  • Petra Mayer

    … und dann immer noch dieses Schwachsinnsargument… “Spargel für 99 Cent das halbe Kilo sei doch ganz toll, da er somit auch erschwinglich für Hartz4 Empfänger ist!” Jawohl und dann sollen die Rentner ja auch noch was davon… haben!!!! Halloooo: Billige Lebenmittelpreise können keine vernünftige Sozialpolitik ersetzen…. Fair made, fair trade… alles nur nachhaltiges Geschwaffel um unsere Gier zu beschönigen! Spargel aus Peru, meinetwegen, wenn es den Bauern ein Einkommen sichert, dann aber bitte zu einem fairen Preis, zu fairen Bedingungen… und zukünftig aus einem Discounter, der nicht die Sozialstandards auf ein Minimum drückt! So vergeht einem doch allmählich der Apetit! Egal in welcher Saison!

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  • Marcus Hofschuster

    In Wahrheit ist fast allen von uns doch vollkommen egal, wo etwas herkommt, wie es gemacht wird, was drin ist und ob irgendwer einen Schaden davon hat (uns selbst eingeschlossen), solange es nur billig genug ist. Wir sind ein Volk von vollkommen rücksichtslosen Dreckfressern. Wir stopfen alles in uns hinein, solange es nur wenig genug kostet, um unsere Urlaubsplanung oder die Wahl der neuen Felgen fürs Auto nicht negativ zu beeinflussen. Wir haben alle 3 Jahre einen Dioxinskandal, zwischendurch Gammelfleisch, alltäglich übelste Bedingungen in der Massentierhaltung. Wir empören uns, ein wenig, während wir Dschugelcamp-glotzend Dreck in uns hineinschaufeln der mal wieder bei Plalidl im Sonderangebot war. Wir merken nicht einmal, dass es auch nach Dreck schmeckt: der Spargel ist ein Witz, das Turbofleisch schmeckt grauenhaft, der Fertigfraß aus Dose und Kühlregal ist häufig völlig ungenießbar, stinkt nicht selten buchstäblich zum Himmel, aber wir stopfen alles in uns hinein und lästern über die Bio-Spinner und freuen uns diebisch, wenn auch im Bioregal mal Ware auftaucht, die da eigentlich nicht hingehört, weil wir dann wieder eine neue Rechtfertigung dafür haben, dass wir Billigdreck fressen, von dem uns die restlos korrupte Deppenpresse auch noch immer wieder glauben machen will, dass es sich eigentlich um Luxusware handelt und wir hirn- und rücksichtslosen Geizkrägen, die wir am wirklich Lebens-Essentiellen am liebsten sparen, weil uns der Nachbar nicht auf den Teller, wohl aber auf den Parkplatz schauen kann, eigentlich die ganz schlauen Füchse sind.

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  • felix

    Herr Hofschuster – was ist denn in Sie gefahren? Beruhigen Sie sich!
    Ein Ursprung des Problems liegt doch wieder nur beim Geld! Wo und wie kann man viel Geld verdienen. Es wird nicht überlegt, ob das moralisch und in Hinsicht auf die Umwelt verträglich ist.
    Viele Winzer (um den Bogen mal zum Wein zu spannen) die ich kenne wollen von ihrem Wein eine Mindestqualität erzeugen. Da müssen sie dann in jahren wie 2010 oder 2006 zurückstecken und erzeugen bestimmte Weine und bestimmte Mengen eben NICHT. Das heißt sie werden garnicht angeboten. Und genau das möchte ich beim Einkaufen auch so haben: Ich möchte garnicht so einen Quatsch wie Erdbeeren oder Spargel im Winter angeboten bekommen. Denn mal ehrlich, auch wenn ich mich damit beschäftige, so kann ich garnicht wissen was denn jetzt gut und schlecht und jahreszeitlich passend usw. hergestellt wurde. So gerne würde ich mir keine Gedanken machen müssen – und Ja, liebe Supermärktler, bietet doch mal etwas NICHT and und macht WERBUNG damit! Das funktioniert mindestens bei Leuten die hier den Blog lesen – ganz bestimmt!
    Es wär so schön wenns so schön wär!

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  • Knalli

    Sehr gut, lieber Dirk. Was ich dazu zu sagen hatte, steht im facebook-thread. Ich habe gerade einen Spargel & Wein Artikel geschrieben, den ich aber leider noch nicht posten darf, weil er für eine Zeitschrift ist, aber da steht so was ähnliches drin ;-) Viel Spass noch. Ich liebe Spargel – frisch gestochen aus dem Marchfeld – oder beim Ziereisen, mit seinem genialen Gutedel…

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  • Der Captain

    Hofschuster hat natürlich Recht. Und ich mache mich gleich wieder unbeliebt, wenn ich sage, dass manche Lebensmittel, die ich in Deutschland kaufen kann, in Österreich oder Italien nicht diese Verbreitung hätten (soll heißen: die fressen so nen Fraß gar nicht). Dieser absolute Kulturpessimismus ist aber nicht angebracht; als ich vor 30 Jahren nach Deutschland kam, hatte ich Angst vergiftet zu werden. Vor zwanzig Jahren dachte ich, ich müsste in Fulda verhungern (so schlecht, billig und kaputt war das Essen dort -> Stern-Reportage über Dyba). Und jetzt ist alles schon sooooo viel besser geworden. Ich habe ganz viel Hoffnung. Ich will ja auch hier bleiben..

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  • fressnet

    Das mit dem Spargel – das ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Das Tierfutter, genmanipuliert und auf Ex-Urwaldflächen angebaut, das hiesigen Viechern verfüttert wird, ist genauso Grund, sich aufzuregen.
    Bei “Wintererdbeeren” sieht man förmlich, dass sie in Chemie gebadet sind.
    “Wir sind ein Volk von vollkommen rücksichtslosen Dreckfressern”
    - ähm, ich bin auch das Volk! Was soll das also? Das mit dem “gesunden Wir-Gefühl” ist wohl gänzlich ein Ding der Unmöglichkeit?

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  • Gerald

    Also ich finde viele der Kommentare hier und in fb einfach lächerlich und scheinheilig. Da ereifern sich Leute über die schlechte CO2-Bilanz des peruanischen Spargels, die gleichzeitig vor ihrem großen Steak sitzen (das bekanntlicherweise für schlimmste Umweltschäden verantwortlich ist) und mehrmals im Jahr mit dem Flugzeug verreisen. So viel Spargel kann man gar nicht essen wie das Gewicht, das für eine Person anfällt. Wie war das noch gleich mit dem Glashaus und den Steinen?

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  • Marc Herold

    @ Captain: Reportage über Dyba & die gute osthessische Küche: Mein Beileid, war lange genug selber im Bistum Fulda. Aber jetzt zum Thema, diese Empörung über Spargel im Winter ist ja schön und gut. Hier sind aber die Folgen der weltweiten Warenvernetzung nur besonders plakativ zu sehen. Bei der gekauften Hose oder den Schuhen ist die Herkunft der Warenbestandteile eben nicht auf den ersten Blick zu sehen. D.h. wenn man diese Empörung über die die Weltweite Vernetzung und die Handelsungleichgewichte zuende denkt, dürfte man auch nur Fairtrade Kleidung, keine elektronischen Geräte und in Deutschlang gubengegerbte Schuhe von Schuster kaufen. Zwiegenäht natürlich, sonst müsste man ja auch gen guten Epoxykleber aus dem unfair gehandelten nigerianischen Öl verwenden. Ich will damit sagen, dass wir alle aufgrund unseres mitteleuropäischen Lebensstils Umweltschweine sind. Beim Spargel fällt es aber besonders auf und die Empörung darüber ist besonders einfach.

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