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Widerspruch Frau Klöckner!

In Wiesbaden fand dieser Tage ein weinmarktpolitischer Kongreß des Ministeriums für Verbraucherschutz statt (das sind die, die uns beispielsweise vor Dioxin in Eiern “beschützen” sollen). Julia Klöckner (CDU), Staatssekretärin in diesem Ministerium und Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl hier in Rheinland-Pfalz, sprach zum Thema EU-Weinmarkreform.

Wieder einmal forderte sie eine Verlängerung des Anbaustopps hier in Deutschland. Hintergrund: Die EU-Reform sieht vor, dass ab 2015 die Pflanzrechte in Deutschland verschwinden sollen. Das bedeutet, dass man Wein theoretisch überall anpflanzen kann. Für viele ein Horror-Szenario, für mich einfach nur eine logische Konsequenz.

Selbstverständlich ist es legitim, über dieses Szenario zu diskutieren und unterschiedlicher Meinung zu sein. Führt das zu einer “Weinschwemme”? Kommen große ausländische Investoren und pflanzen tausende von Hektar Wein auf Zuckerrübenäcker? Ist das eine Gefahr für den heimischen Weinbau? Alles durchaus zulässige Argumente. Nicht zulässig ist allerdings die momentan vorherrschende Alibidiskussion um die Gefährdung der Steillagen. Das ist fast schon ein Witz und zwar ein populistischer.

Der Steillagenweinbau sei in Gefahr, und zwar einzig und allein durch diese Reform. Ich weiß ja nicht in welchen Gegenden Frau Klöckner so unterwegs ist, aber der Steillagenweinbau ist schon seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, in Gefahr. Eine Bootsfahrt über den Rhein, entlang des Mittelrheintals, zeigt dies mehr als deutlich. Brachen über Brachen. Das Bild an der Mosel ist nicht viel anders. Das ist ja auch kein Wunder, denn der Weinbau in Steillagen ist eine fiese, aberwitzige und fast schon masochistisch anmutende Quälerei. Das hat mit der Reform aber gar nichts zu tun, nicht mal im entferntesten. Weinbau in Steillagen ist etwas für Qualitätsfanatiker, Überzeugungstäter und “Liebhaber”. Und denen wird diese Reform wahrscheinlich reichlich egal sein. Wer sich seit Jahrzehnten im Namen der Qualität durch einen Steilhang quält, wird dies auch weiter tun. Davon bin ich fest überzeugt. Für diverse “Massenproduzenten” sieht da die Welt natürlich ganz anders aus. Die werden sich sicherlich überlegen, ob sie ihren “Steillagenwein” im Discounter künftig noch für 3,99 verramschend anbieten, oder nicht doch lieber einen hübsch flachen Acker neu kultivieren. Das sind doch aber nicht die Identitätsbewahrer einer Weinbauregion. Ich sage nur “Trollinger in Steillagen”.

Leider hat es den Anschein, als ob das keinen interessiert. Fast widerspruchslos wird das Klöcknersche Mantra in den Medien, auch den elektronischen, wiederholt. “Die Steillagen sind in Gefahr, sollte der Anbaustopp fallen”… Nein, sind sie nicht. Sie sind schon seit Jahrzehnten in Gefahr. Hier wird ein Argument vorgeschoben, das einfach nur davon ablenken soll, dass man es jahrelang versäumt hat, sich eingehend mit der EU-Reform zu beschäftigen, sie zu analysieren und unter Umständen auch deren Nutzen und Chancen zu erkennen. Nicht mehr und nicht weniger. Also Frau Klöckner, Wahlkampf hin, Wahlkampf her, ich widerspreche Ihnen ganz deutlich und energisch!

8 Kommentare zu “Widerspruch Frau Klöckner!

  • Mario Scheuermann

    BRAVO! Das musste mal so deutlich gesagt werden.

    Es ist wirklich unerträglich mit welcher Chuzpe derzeit Politiker und Funktionäre der Öffentlichkeit in dieser Frage die Hucke volllügen und die Winzerschaft für dumm verkaufen.

    Würde man statt gegen eine mehrheitlich beschlossene und längst in Kraft getretene Reform zu motzen und aus wahltaktischen Gründen nachzukarten, endlich die Winzer aufklären und dazu bringen ihre Hausaufgaben zu machen, würde schnell klar werden, welche Chancen (auch für die Steillagen!) diese Reform enthält.

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  • Eckhard Supp

    Vollkommen richtig! Das ist eine reine Alibifunktion, die unter anderem nur verdecken soll, in welche Schwierigkeiten Deutschland durch seine ach! so “trickreiche” Anpassung an die Weinmarktsreform kommen könnte. Ich habe vor einigen Wochen bereits mal versucht, das auseinander zu bröseln (http://www.enobooks.de/aktuell/editorial/eu-reform-das-ende-der-steillagen). Was mich bei der Sache am meisten ärgert, ist die unkritische Knuddelhaltung, die viele Weinjournalisten und Weinblogger in der letzten Zeit Julia Klöckner gegenüber eingenommen haben, nur weil die mal “eine von uns” (Journalistin) war und weil vielleicht der eine oder andere (noch) mit ihr befreundet ist. Mischpoke nennt man das gemeinhin.

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    • Dirk Würtz Post author

      @Supp
      So ist es!!! Ich habe heute beispielsweise auf yoopress einen Beitrag darüber gelesen. Da ist nicht der Hauch von kritischem Wort über dieses Thema zu lesen. Sorry Arthur, aber da wünsche ich mir von Dir, als Portal und Journalist, eine hinterfragendere Berichterstattung.

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  • Mario Scheuermann

    @Eckhard
    Absolut richtig, was Du da über einige Kollegen sagst. Ich bin zwar mit Julia Klöckner seit vielen Jahren befreundet und stimme politisch in vielen Punkten mit ihr überein. Aber das geht wirklich nicht! Bei aller Freundschaft.

    Und wie sich da Agenturen, Printmedien und jetzt auch einige Onliner instrumentalisieren lassen, ist eine Schande für unsere Zunft.

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  • Michael Pleitgen

    Viele Winzer-Betriebe gehören ja faktisch den Banken. Das trifft auch auf die Rebflächen und zugehörige Pflanzrechte zu. Bangemachen ist von daher einfach: viele Winzer fürchten um die Sicherheiten für ihre Kredite, sollte es infolge der Liberalisierung einen Preisverfall geben.
    Auch Politik und Verbände haben Befürchtungen, dass den bisherigen wirtschaftlichen Strukturen sprichwörtlich der Boden entzogen wird. Die neuen Möglichkeiten des Gesetzes werden nicht genutzt, da man aus Sicht der Verbände die Lagen- und Klassifizierungs-Diskussion nicht wieder haben möchte. Alle denken noch mit Grausen an die Flurbereinigungen und die Lagen-Festschreibung in den 70er und 80er Jahren – mühsam gezimmerte Kompromisse sind in Gefahr. Im Gesamt-Europäischen Rahmen ist das natürlich kurzsichtig – die Chance für einen Neuanfang wird vertan!

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  • Juppi

    Genau meine Meinung Dirk. Ich habe das auch unseren Funktionären gesagt, und jene drum gebeten mit dieser Panikmache aufzuhören. Die einzigen in D die sich gegen den Anbaustop öffentlich bekennen sind die Jungwinzer der Landjugend. Ich wurde im Herbst für die eigentlich gute und seriöse Sendung “Bericht aus Brüssel” im WDR interviewt. Mein Statement das auch in Zukunft Weinbau in Steillaen betrieben wird, und das der Verbraucher dies honoriert wurde nur ganz kurz eingespielt. Die Meinung eines Kollegen aus Winningen der laut eigener Aussage Existenzangst hat wurde breit und lang eingebaut. Scheinbar zählt auch beim öffentlich rechtlichen Rundfunk heute das negative Sensationen und Quote vor qualitativ richtiger Bürgerinformation geht.

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