In seiner heutigen Ausgabe widmet sich das Hamburger Magazin “stern”, ebenso wie viele andere Medien in der letzten Zeit, der EU-Weinmarktreform. Konkret geht es um die überall kolportierte Angst vor dem Sterben der Steillagen. Das passt gut haben wir doch kürzlich dieses Thema auch wieder einmal aufgegriffen. Um eines gleich vorweg zu sagen: Ich finde den Artikel im “stern” große Klasse. Das wird einigen nach der Lektüre des selbigen sicherlich anders gehen. Den Artikel gibt es leider nicht online, aber die entscheidenden Stellen, zitieren wir gerne hier.
Zugegeben, der Artikel ist eher launig geschrieben, das macht ihn, jedenfalls für mich, aber auch gerade so kurzweilig. Am Beispiel Würtemberg erklärt der Autor, wie differenziert man den Wegfall der Pflanzrechte doch betrachten kann. Zum einen kommt Dr. Götz Reustle, Vorstandsvorsitzender der Felsengartenkellerei Besigheim, zu Wort. Er warnt eindringlich: “Es wäre eine Schande, wenn das hier nicht mehr bearbeitet würde. Diese Trockenmauern sind ein Weltkulturerbe. Am Neckar wurden mehr Steine aufgetürmt, als für alle Pyramiden zusammen.“ Weiter heißt es im Text: “Früher konnten wir das durch höhere Erträge ausgleichen,“ sagt Reustle, „heute nimmt uns die der Markt nicht mehr ab.“ Viel Ertrag heißt: wenig Qualität. „Wenn jetzt der Anbaustopp fällt und dadurch neue Flachlagen zur Verfügung stehen, geraten wir noch mehr unter Druck.“ So kann man das natürlich sehen, muss man aber nicht.
Wie es anders auch geht, zeigt im Artikel der Winzer Hans Kusterer: “Bei uns erscheint Trollinger nur noch als regionale Spezialität auf der Liste“, sagt Kusterer und zuckt mit den Achseln, „hier in den Terrassen haben wir gepflanzt, was deren Potential voll ausschöpft: Lemberger, Merlot und Spätburgunder.“ Zwischen sieben und 25 Euro kostet die Flasche. „Wir brauchen Preise, mit denen wir nachhaltig arbeiten können. Jedes Jahr reparieren wir fünf, sechs eingestürzte Mauern. Sobald es mehr als 50 Liter regnet, weiß ich: jetzt kommt die nächste. Wir müssen vom Wein leben können, sonst hat alles keinen Sinn.“ So einfach ist das: Topqualität aus Toplagen zu angemessenen Preisen. Kusterer ist überzeugt: „Nur so kann man die Steillagen erhalten.“
Das ist doch mal ein interessanter Aspekt. Trollinger in Steillagen… Zu dem Thema gibt es dann den fast schon interessantesten Passus im Artikel:
Im besten Fall ist Trollinger ein leichter, ehrlicher Vesperwein, ordentlich gekühlt ein schöner Begleiter zu Maultaschen und Kässpätzle. Außerhalb Schwabens findet er so gut wie nicht statt, ist sein Ruf – höflich formuliert – verheerend. Kurz: Trollinger in Spitzenlagen ist wie Kartoffelanbau im Park von Versailles. Götz Reustle: „Wir werden den Trollinger in den Steillagen sicher nicht im bisherigen Umfang halten können. Wir haben durch die Massenproduktion das Gefühl für den Wert unserer Steillagen verloren. Das Ende des Anbaustopps dient manchem als Ausrede.“ Wird andernorts noch fröhlich Trollinger aus Steillagen als Literware billig verramscht, versucht Reustles Felsengartenkellerei seit 2008 umzusteuern. „Wir haben damit begonnen, für die Bewirtschaftung der terrassierten Steillagen einen Zuschuss zu zahlen und die Erzeugungsmengen gesenkt.“ Dass der Weg beschwerlich ist, erkennt leicht, wer einen Blick in die Preisliste der Genossenschaft wirft: Wein aus der Steillage gibt es schon für 3,99.
Ach ja…noch was: Die unmittelbar bevorstehende Verödung der Steillagen wurde vom Esslinger Gemeinderat nämlich bereits mit äußerster Besorgnis zur Kenntnis genommen – so die Stuttgarter Zeitung in ihrer Ausgabe vom 18. August 1977. Da war von einem Wegfall der Pflanzrechte definitiv noch nicht die Rede…
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