Robert Parker, 62, ist Amerikaner, Rechtsanwalt und zweifelsfrei der einflußreichste Weinkritiker der Welt. Seine Benotungen entscheiden seit bald 30 Jahren maßgeblich über die Abverkaufspreise und die Verfügbarkeit der besten Weine der Welt. Tolle Sache, sollte man meinen, gäbe es da nicht immer diese zahlreichen Schimpftiraden auf ihn und seinen Geschmack. Warum eigentlich? Ich finde das reichlich dämlich!
Der Job eines Kritikers ist anspruchsvoll, egal was er krititisiert. Im Idealfall weiß er wovon er spricht. Wenn nicht, dann tut er zumindest so, in der Hoffnung, dass ihn keiner entlarvt. Parker weiß ganz genau wovon er spricht. Das liegt nicht etwa daran, dass er gelernter Winzer oder Weinmacher wäre, sondern an seiner Gabe, Weine zu verkosten. Ich hatte vor einigen Jahren mal die Gelegenheit, ihn während einer Verkostung zufällig zu erleben. Ich gebe gerne zu, ich war schwer beeindruckt. So wie es Leute in der Musik gab und gibt, die ein absolutes Gehör haben, so verhält sich das bei dem Amerikaner mit dem Geruchs- und Geschmackssinn. Unser kleines zufälliges rencontre war in Frankreich, im Süden, und es war reichlich locker und entspannt. Keine Spur von Arroganz oder Wichtigtuerei. Im Gegenteil, das war eine der angenehmsten Proben, die ich erleben durfte. So viel vorab zu meinem persönlichen Befinden in der “causa Parker” und zur Erklärung, warum ich mir ziemlich sicher bin, dass er genau weiß, was er da macht.
Warum ich das so lange und deutlich erläutere, ist ganz einfach. Dieses ewige “Parker bashing” geht mir gewaltig auf die Nerven.
Jedes Jahr wiederholt sich das immer gleiche Spiel. Der aktuelle Jahrgang im Bordelais wird von Heerscharen von Kritikern, Journalisten und Händlern verkostet. Jeder hat eine Meinung, tut diese kund oder behält sie für sich. Dann kommt Robert Parker, verkostet, bewertet und veröffentlicht. Diese Veröffentlichungen sind dann das Maß aller Dinge. Reflexartig geht der Aufschrei durch die Szene: “Der wieder, mit seinem merkwürdigen Geschmack”, “Klar, dass der Wein so viele Parker Punkte hat, die produzieren das ja nach seinem Geschmack” undsoweiterundsofort. Ja und? Ist doch in Ordnung so. Wer nach Parker-Punkten produziert, kauft und verkauft ist doch selbst schuld. Es hat ja den Anschein, als ob es funktionieren würde. Da wird immer, gebetsmühlenartig, nach dem “eigenen Geschmack” verlangt, aber wo ist der denn? Wer hat den denn? Es ist doch große Klasse, wenn einer vorab testet und einem sagt, was gut sein könnte und was nicht. Ich muss es ja nicht glauben und kann mich im Zweifelsfall selbst davon überzeugen. Im übrigen ist diese ewige Schimpferei auf Robert Parker doch langsam öde und langweilig.
So wie ich das sehe, kann die überwiegende Mehrheit der Weinwelt mit Parkes Bewertungsmonopol gut leben. Vielleicht ist es ja so, dass diejenigen, die das nicht können, einfach nur neidisch auf den Erfolg des Amerikaners sind und auch gerne so wichtig wären. Ich finde, dass ist eine durchaus interessante und nachvollziehbare These (für die ich sicherlich ganz ordentlich Dresche bekommen werde…). Wo sind denn die Parker-Alternativen? Ich sehe da nicht wirklich viele, die da auch nur annähernd rankommen könnten. Rene Gabriel ist vielleicht so einer und im klassischen Printbereich würden mir hier in Deutschland bestimmt auch noch ein oder zwei einfallen. Allerdings hat keiner diese Marktdurchdringung wie der Anwalt aus Baltimore. Das ist nun einmal Fakt und das wird sich im Printbereich auch so schnell nicht ändern. Wen das so stört, der muss halt einfach schauen, dass er genauso “wichtig” wird. Wie auch immer er das anstellt. Ein Vorteil wäre es sicherlich, als Alleinstellungsmerkmal mehr zu bieten zu haben als das übliche: “Parker hat seinen eigenen Geschmack, unserer ist besser”. Hier ist übrigens ein tolles Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Ich will den Autoren dieses Artikels nicht die Kompetenz absprechen, die sind sicherlich kompetenter als ich. Aber wäre es nicht viel einfacher und nachhaltiger, sich selbst durch Inhalte zu profilieren, als nur durch bloße, leicht eingefärbte Abgrenzung??
Damit wir uns hier richtig verstehen: Ich bin KEIN Parker-Jünger! Ich habe Respekt, großen Respekt vor seiner Arbeit und Lebensleistung. Der Mann sichert Arbeitsplätze und tut etwas fürs Bruttosozialprodukt. Alleine schon deswegen mag ich ihn. Mir persönlich sind Punkte schnuppe, egal vom wem sie kommen. Schließlich kann ich Punkte nicht trinken. Und ich gönne auch jedem seinen eigenen Geschmack und Erfolg. Aber bitteschön nicht auf Kosten anderer, das ist zu einfach und nicht wirklich kreativ.
Robert Parker ist ein Phänomen in der Weinwelt. Aber es gibt sicherlich noch Platz und Notwendigkeiten für mehr Phänomene dieser Art. Zur Zeit ist er eben ziemlich alleine. Wie immer aber bietet hier das Internet eine tolle Alternative. Vielleicht kommt ja das nächste Phänomen aus dem web 2.0… wer weiß…
(das Bild stammt aus wikipedia von winestern)
Ich teile da völlig Deine Meinung. Letztendlich kann man nur kritisieren, dass mit Parker eine Weinbewertung sich durchsetzte, die sich gerne auf Punkte reduziert. Aber daran ist Robert Parker nicht persönlich schuld, liefert er doch immer sehr detaillierte Beschreibungen zu den Weinen. Vielmehr ist es eher eine Frage der Händler, ob sie die Weine plakativ mit Punkten bewerben. Mittlerweile nutzen die meisten Weinkritiker ein Bewertungssystem, seien es nun 5 Sterne, 20-Pkt. oder 100 Pkt. Systeme. Eine breite Anpassung hat hier stattgefunden. Also scheinen viele Kritiker, dieses System für gut befunden zu haben.
Wer Parker nicht mag, der soll ihn halt ignorieren. Letztendlich sollte jeder Weinkäufer der auf Bewertungen oder Empfehlungen von Kritikern wert legt schauen, dass er einen Kritiker findet, der seinem individuellen Geschmack entspricht. Niemand ist gezwungen, den Bewertungen Parkers zu folgen.
dito
Ich kenne RP leider nicht persönlich, finde ihn aber aufgrund dessen, was ich von ihm gelesen habe, nicht unsympathisch und vor allem kompetent. Über Geschmack kann man freilich immer streiten. Was mir aber nicht gefällt, ist das System Parker, verbunden mit der absoluten Hörigkeit seiner Jünger. Ich würde da gar nicht RP als “Schuldigen” sehen, sondern die oft kritiklose community. Und was den nächsten Parker betrifft, wird der sicher aus der Web 2.0 Gemeinde stammen, und hoffentlich ein weniger absolutisches “Wertungs”-System populär machen.
beim Stochwort Web 2.0 fällt mir Gary Vaynerchuk ein – ist da nicht schon ein (weiterer) Stern am Himmel?
@Weecks
Gary ist sicherlich eine Option!
Volle Zustimmung!
Den ewigen Parker Bashern rate ich, macht es doch besser, wenn es so einfach ist. Leider scheitern aber die meisten schon daran nur 20 Weine hintereinander vernünftig zu beschreiben und zu bewerten.
Ich bin kein Parker Fan aber respektiere ihn sehr für seine Leistungen. Eine wirkliche Alternative zu Parker kann ich nicht erkennen, zumindest nicht international.
Ach ich mag Robert Parker und zwar als Person und als Kollege. Ich hatte die Gelegenheit ihn persönlich kennen zu lernen und frinde, dass es ein sehr angenehmer Mensch ist. Zweitens habe ich mehrfach zusammen mit ihm verkostet und bin mir sicher, dass er einer der besten Degustatoren ist, denen ich je begegnet bin. Wenn ich ihn kritisiert habe, dann bezog sich dies immer auf das “System Parker” also auf die Interessensspähre, die ihn umgab und umgibt. Da war er sicher das eine oder andere Mal nicht konsequent genug.
@Weecks Ich denke auch, dass Gary eine zukünftige Leitfigur sein kann, zum Teil ist er das ja auch schon. Ähnlich wie Dirk für Parker es beschreibt, zeigt auch Gary die Gabe, die perfekte Sensorik zu besitzen. Und dadurch, dass er seinen persönlichen Geschmack wenig in den Vordergrund stellt, erreicht er auch besser die Menschen, bzw. ein breiteres Publikum. Ich glaube nur, dass er eher ein Multiplikator für Weinpassion, als wirklich eine Leitfigur im Sinne eines Kritikers ist. Dies hat aber den Vorteil, dass der individuelle Geschmack wieder die Chance bekommt, sich vom Mainstream zu emanzipieren. Also den Mut zu haben, seine Vorlieben deutlich zu machen und sich nicht einem wie auch immer gearteten Stil krampfhaft anpassen zu müssen – sei es aus Scham, Angst dumm auszusehen, Mitläufer- oder eher Mittrinkertum etc pp.
Und vielleicht bedeutet dies auch, dass manche Weine / Regionen wieder zu einer eigenständigeren Typizität finden könnten.
@Peter Jakob
hmm, Kritiker – ist das WEB 2.0 ?- ich frage das, weil ich mich da zuwenig zurechtfinde in dem Thema. Ansonsten fehlt eigentlich nur die Übersetzung in andere Sprachen für Gary (& anderen) – vermutlich lesen doch nur ein kleinerer Prozentsatz der deutschsprachigen Interessierten die englischen Texte von zB Parker – vermute ich mal so.
Mit seiner Form der Kommunikation ist Gary V. sehr stark auf die USA und auf das Internet beschränkt. Parkers durchschlagender Welterfolg beruht auf den Verkürzung auf 100 Punkte und einen einprägdsamen Namen. Parker 100 ist wie Michelin und 3 Sterne. Auch da ist unschlagbar, egal was andere Kritiker urteilen.
Was eigentliuch dahinter steckt ist der ignorante Amerikanische Konsumenent – muss man auch verstehen, Prohibition, usw, der ploetztlich den Wein entdeckt hat, wahnsinning viel Geld hat und nach Fuehrung gesucht hat. In diese Luecke ist Parker gestossen. Was er gut mochte, fanden 200 Millionen Amerikaner gut. Daher sein Einfluss auf den Welmarkt. Das Gleiche laeuft jetzt in China ab. Ebenfalls unsichere Konsumenten, die nach Fuerhung suchen, mit rapide stiegender Kaufkraft. Wer wird der neue Parker dort? Jeanny Cho Lee? http://www.schiller-wine.blogspot.com/2010/04/chinas-wine-boom-is-jeannie-cho-lee-new.html
Da muss ich natürlich gegenreden. Gleich später am Captain..
Ging nicht anders. ich bitte um Verzeihung, wenn ich jemanden beleidigt habe (und das habe ich sicher)
Parker und kein Ende. Eine Widerrede der Widerrede und eine Erinnerung, dass man Monopole gefälligst hinterfragen und stürzen muss. Oder was?..
http://www.captaincork.com/Weinleute/Robert-Parker-eine-Widerrede-der-Widerrede
@Der Captain
ich habe gerade Dein posting gelesen… so what? Dann machs doch und stürze das Monopol. Das ist doch das, was ich gesagt habe… wenn man es genau liest
@Captain
Ich muss leider aus dem Haus, deswegen jetzt nur kurz, aber morgen ist ja auch noch ein Tag:
Hier gehts um zwei Dinge:
1. Wenn Du weißt und beweisen kannst, dass Parker korrupt ist (oder sein System) – und so lese ich das hier alles – dann her damit und ich bin der erste der Dir dabei zur Seite steht ein Riesenfass aufzumachen
2. Wenn Du der nächste Weltweinführer bist, werden willst oder was auch immer, dann ist das prima. Aber das geht auch super gut ohne Parker bashing. Ich finde sogar viel besser.
wie schon drüben auf meiner seite gesagt: die ungereimtheiten um parker blieben bislang unrecherchiert. und ich will keinen einführer gründen/machen, sondern wein..
Ich glaube, dass bei der ganzen Diskussion Eines oft vergessen wird: Robert Parker hat diese Marktmacht, weil der Markt sie ihm gegeben hat, nicht, weil er sie usurpatorisch an sich gerissen hat. Ihn dafür an den Pranger zu stellen, dass er den Massengeschmack trifft, halte ich schon für etwas seltsam.
Es ist aus meiner Sicht sehr schade, dass sich auch die Weingüter mit den großen Namen und den großen Terroirs seit 20 Jahren zum Teil vollständig diesem Massengeschmack verkauft haben. Nur wer kann es ihnen verdenken, nachdem für weichgespülte “Leckerschmecker” nun einmal horrende Summen bezahlt werden, nachdem sie von Parker, dem sie offensichtlich schmecken, hoch bewertet wurden? Und sind wir doch einmal ehrlich: den meisten Weinfreunden schmecken diese “supermegaleckeren” Langweiler nun einmal auch besser als die viel schwierigeren “Terroirweine” von denen so oft geredet wird und die am Ende doch fast keiner haben will.
Würde Robert Parker diese anspruchsvolleren Weine favorisieren, würden sich sicher einige Weintrinker dazu hinreißen lassen, Weine abseits des Mainstreams zu probieren, nur hätte Parker wohl niemals die Macht erlangt, die er heute inne hat – was diese Überlegungen reichlich akademisch werden lässt.
Interessant finde ich dann aber auch immer wieder die Hysterie und Lautstärke der Parker-Kritik und es fällt schon auf, dass eben Diejenigen immer sehr schnell mit pauschalen Herabwürdigungen bei der Hand sind, die ganz offensichtlich selbst gern im Mittelpunkt der Weinwelt stehen würden. Ich glaube nicht, dass sich irgendwer in der Weinwelt solchen pauschalen Verunglimpfungen bis hin zu offenen Beleidigungen ausgesetzt sieht, wie das bei Parker der Fall ist.
Auch mir kamen so manche Dinge in der Vergangenheit etwas verdächtig vor und auch ich habe leise Zweifel an der Unabhängigkeit Robert Parkers, aber bislang konnten ihm alle Verdächtigungen nichts anhaben – womöglich, weil sie gegenstandslos sind, wer weiß.
Ich kenne Robert Parker nicht persönlich, ich habe ein einziges Mal einen Satz mit ihm gewechselt, aber nie auch nur einen Wein mit ihm probiert. Ich kann mit vielen seiner Lieblingsweine wenig anfangen und wunderte mich vor allem an der Rhone schon oft über brandig-alkoholische, fette, holzige und nicht selten fehlerhafte, weil gnadenlos flüchtige Totschläger, die exorbitante Noten erhielten.
Nebenbei bemerkt disqualifiziert sich aber der Parker-Kritiker in der “Welt” als solcher schon durch den Hinweis auf das “spröde Stahltank-Tannin”. Da fällt mir dann schon immer wieder auf: die Geradlinigkeit und das offene Geschmacksbekenntnis eines Robert Parker ist mir hundert Mal lieber als das hanebüchene Geschwätz und die Scheinheiligkeit vieler seiner Kritiker.
Herzlichen Gruß
Marcus Hofschuster
Was ist blos mit unserem Captain Cork los? Soviel Schaum vorm Mund wg Parker als hätte ihm der höchst persönlich ein Materazzi-Zitat gegen die Stirn geschleudert. Man kann in alles etwas hinein geheimnissen. Die meisten dieser gebetsmühlenartig wiederholten Verdächtigungen gegen Parker sind sehr wohl recherchiert und für zu leicht befunden. Im Falle der Rovani-Connection im Bezug auf die deutschen und österreichischen Weine hat sich das Thema von selbst erledigt. Auf meine damals niedergelgte Kritik noch bei wein-plus bezog sich allein mein Kommentar.
Und noch eins: die Behauptung Parker bevorzuge marmeladige Weine ist Nonsense und hält einer einer empirischen Überprüfung nicht stand. Unter den mit 95 – 100 Punkten bewerten Weine gibt es solche und solche – dicke und elegante, feine und robuste, solche mit Kraft und solche mit Finesse. Er weiss sehr wohl verschiedene Stilistiken und Phasen eines Weins zu würdigen. Diese Unterstellung wird nicht deshalb zur Wahrheit, weil man sie immer wiederholt.
Nicht Robert Parker und seine oft skurrilen, weil eben “amerikanischen” Weinbewertungen sind das Problem, sondern die Heerscharen etikettengläubiger Konsumdeppen, die Weine nach Punkten und Prestige kaufen. Ohne sie wäre die Weinwelt schöner.
Mag sein, dass Parker ein liebenswüediger Kerl ist (ich kenne ihn nicht), aber von daher auf die Qualität seiner Arbeit zu schließen, wäre nicht richtig. Aber auch die Qualität seiner Arbeit schließe ich nicht aus. Er kann sicherlich 100mal genauer verkosten als ich. Meine Kritik geht auch nicht gegen Parker himself – obwohl ich gestern einen 90-Punkter getrunken habe, der mich sowas von nicht überzeugt hat -, sondern was mich erschüttert, ist die blinde weltweite Gefolgschaft, die ihm hinterherzieht und damit einen weltweiten Stil nivelliert. Vor allem in Fernost scheint man keinen eigenen Geschmack zu haben, sondern den von Parker schlichtweg zu assimilieren. 95 Punkte? Muss gut sein, wird gekauft und schmeckt. Ob er wirklich schmeckt oder nicht. Parkers Punkte und Weinbeschreibungen werden nicht als von der eigenen Zunge zu überprüfender Hinweis, sondern als Gesetz wahrgenommen, und das ist die Crux. Und die weitere Crux ist, dass er sehr monopol da steht. Würde es 100 verschiedene, aber gleichrangige Parkers geben, gäbe es Vielfalt. So gibt es Monotonie, und verkaufsorientierte Kellereien beugen sich dem anstatt ihre Eigenart auszuspielen.
@Alex Koch
Natürlich ist ein Monopol immer eine schwierige Geschichte, keine Frage. Aber anscheinend gibt es keine 100 Alternativen. Blinde Gefolgschaft ist auchWas Du forderst ist der “mündige” Konsument, der nur seinem eigenen Geschmack vertraut. Den gibt es nicht! Das ist genauso ein sozialromantischer Kokolores wie der “mündige” Bürger. Der Mensch ist wohl so strukturiert, dass er lieber hinterherläuft als selbst voraus zu gehen…
Parkers Erfolg ist vor allem ein Resultat der konsumentfremden Qualitätsweinbranche.
Natürlich braucht der Konsument, vor allem im Laien Status, einen Wegweiser. Das ist in vielen anderen Fällen genauso. Als ich das erste Mal in London stand, hatte ich auch einen Stadtführer im Gepäck. Solange die Menschen das System Parker für sich selber als leicht verständlich definieren, werden sie es sich zu eigen machen. Vollkommen okay und nur ein Zeichen, dass sämtliche anderen “Führer” es nicht geschafft haben die Massen zu bewegen, mitzunehmen und vor allem zu beraten!
Parker wurde vom Markt erschaffen und getragen, nicht anders herum!
@Werner Elflein
“Nicht Robert Parker und seine oft skurrilen, weil eben “amerikanischen” Weinbewertungen sind das Problem, sondern die Heerscharen etikettengläubiger Konsumdeppen, die Weine nach Punkten und Prestige kaufen. Ohne sie wäre die Weinwelt schöner.”
Da zeigt sich doch wieder das Problem. Laien und Fortgeschrittene, die auf der Suche sind nach schneller Beratung und diese dann in Parker, Gault Millau, Eichelmann etc. suchen und finden, werden dann von so arroganten Oberlehrern, Elflein als “Konsumdeppen” betitelt.
Ich bin zwar kein Freund von Parker, kann aber jeden verstehen, der sich im Jungle der Weinwelt Hilfe sucht. Der individuelle Geschmack entwickelt sich beim Konsument, bis er dann autark genug ist, sich selber Schwerpunkte zu setzen. Im Idealfall.
Denk doch mal daran, als wir alle angefangen haben Wein zu trinken! Was war man da dankbar für gewisse Tipps und Verkostungsteilnahmen, bis man aus der Erfahrung definieren konnte, wo die individuelle Reise hingehen soll.
Elflein`s Aussage ist wieder typisch dafür, warum Menschen absolute Berührungsängste mit dem Thema Wein haben, wenn sie als erstes auf solche “Fortgeschrittenendeppen” treffen!
@Dirk: Ich gehe vollkommen konform mit dir, dass der mündige Weinbürger ein unerreichbares Ideal ist. Genauso gehe ich konform mit dir, dass er lieber hinterherläuft. Bis zu einem gewissen Grad ist das auch gesund und lehrreich. Auch würde ich, wenn ich Parker wäre, genauso weitermachen und die Welle des Erfolges nutzen. Ich kann ihm keinen Vorwurf machen. Es ist einfach die entstandene Konstellation, die mir Sorgen macht. Ein Führer, alle rennen ihm hinterher. Und ich denke da jetzt gar nicht an Ereignisse von vor 70 Jahren. Es ist diese Vereinheitlichung, die stattfindet. Ich mag halt Vielfalt und vor allem Vielfalt durch regionale Eigenheiten. Und ich bedaure wirklich, dass es nicht 100 Parkers gibt, jeweils anders gestrickt, auch wenn ich weiß, dass wir da momentan nicht sind. Denn dann würden viele schon von vorneherein verstehen, dass gut und schlecht außer dem Ausdruck von richtig angewandtem Handwerk auch mit der individuellen Persönlichkeit zu tun hat.
Aber Herr Direttore, wie soll sich denn ein individueller Geschmack entwickeln, wenn nur den Weinbewertungen eines Gurus wie Robert Parker hinterhergelaufen wird? Und mal zur Klarstellung: Es geht hier nicht um Eichelmann, Gault-Millau und anderen Weinführern, die meines Erachtens nur einen begrenzten bzw. regionalen Stellenwert haben, sondern um den einen “Weinpapst” Robert Parker. Statt den Weintrinkern Punkte um die Ohren zu hauen, könnte man ja zum Beispiel auch mal etwas mehr Inhalte bringen. Wer aber die Notizen Parkers liest, dem fällt auf, dass sie sich oft sehr stark gleichen und im Grunde sprachlich kaum besser sind als die von Eichelmann. Dass sich Konsumenten “Hilfe” holen, ist völlig in Ordnung. Aber ist die Reduktion eines Kulturgetränks allein(!) auf Punkte (sieht man einmal von dem oberflächlichen amerikanischen Gestammel ab) wirklich eine Hilfe?
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Ich habe mal gerade den Welt-Artikel gelesen – und dann die Verkostungsnotzien von dem zitierten Thomas Boxberger von extraprima.com:
Von einem nicht so guten Jahrgang ist dort ÜBERHAUPT NICHTS zu lesen, vielmehr sind die Punkte im Schnitt vielfach höher als bei Parker. Etwa weil da jemand Wein verkaufen will?
Es ist eigenartig zu sehen, wie sich die Bewertungsmanie explosionsartig entwickelt. Medaillenregen und Punkte aus allen Ecken. „Nur Kenner können Weine bewerten“ ist daher der üble Beigeschmack der dem unbedarften Weintrinker die Lust vergrault und einen langen Nachhall produziert. Daher auch der ängstliche Einwand:“Ich habe keine Ahnung vom Wein“. Wer diese Leute als Deppen bezeichnet, sollte überlegen, ob er dem Wein damit etwas Gutes tut. Wenn jemand etwas für die Weinkultur erreichen möchte, dann sollte er gerade diese unbedarften Weintrinker an die Hand nehmen und ihnen beibringen, dass jeder seinen eigenen Geschmack hat.
Neben den physiologischen und psychologischen Komponenten (z.B. Tagesform, Alter, Gesundheitszustand usw.) gibt es auch genetische Dispositionen die bestimmte Empfindungen verstärken oder abschwächen. Der Einfluss der Umgebungsfarbe bei der Verkostung wurde unlängst drastisch bewiesen. Die Damenwelt hat rein genetisch bedingt ein feineres Empfinden für Gerüche und Geschmäcker als die „Herren des Weines“.
Es sollte auch jeder wissen, dass ausgebildete Verkoster in der Lage sind das Ergebnis einer Blindverkostung nach 6 Wochen nur annähernd zu reproduzieren.
Der elitäre Touch wird gerne gepflegt genauso wie das Image der Holzfässer und der idyllischen Weingärten. Das Geld klimpert überall in dieser weinseligen Welt. Die Weinindustrie hat in den letzten Jahrzehnten sowohl in der Biologie als auch in der Chemie sowie dem Marketing enorm dazu gelernt. Die Produktion, der durch Reinzuchthefen und anderer ausgeklügelte Verfahren nach Himbeeren oder anderen Früchten schmeckender Weine, ist selbst dem kleinsten Winzer heute kein Geheimnis mehr. Was da wirklich läuft weiß nur der Erzeuger, und der weiß wann er Schweigen muss.
Lassen wir uns daher weiter verzaubert sein von der der Wahrheit im Weine und der Unfehlbarkeit der Weinpäpste.
Jeder ist ein „Parker“, auch wenn er die Weinansprache nicht beherrscht!
@Georg L. Menzel
Mag abgesehen davon, dass ich Parker mag, haben Sie ja sowas von recht! Das ist ja auch der Grund, warum wir hie und da auf unserem Blog das Thema Wein versuchen zu entmystifizieren und bei unseren Twitter Wine Awards ganz bewußt eine Publikums-Normalmensch-Jury einberufen haben. Nur so macht das Thema final Spaß. Was aber nix daran ändert, dass es auch so Leute wie Parker braucht
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Ich habe in meiner Anfangszeit im Hobby Wein vor gut einem Jahrzehnt gerne mit Gleichgesinnten im Netz über Wein diskutiert, jahrelang im Wein-Plus-Forum. Und diese auch damals schon bestehenden ewigen Anti-Parker-Pamphlete und Wichtigtuereien ohne echte Substanz von bestimmten lauten Zeitgenossen war genau das, was mich – wie auch viele andere – letztendlich bewog, mich aus dieser Community zurück zu ziehen. Was mich daran hier besonders belustigt, ist, dass der lauteste dieser besagten Zeitgenossen von damals oben reflexartig einen entsprechenden Kommentar abgeben musste. Alles Konsumdeppen halt außer einem selbst, das muss es sein. Ein Jahrzehnt ist vergangen und nichts hat sich verändert.
Das Hauptptoblem ist, dass Wein von manchen Weinliebhabern (ausschließlich männlichen Geschlechts) nicht mehr als Genussmittel verstanden wird, sondern als Medium zur sozialen Distinktion, zur persönlichen Selbstdarstellung in einem gesellschaftlich als einigermaßen elitär betrachteten Thema. Da geht es dann nicht mehr um den Wein und die Emotionen, die er beim Genuss auslöst, sondern nur darum, wer beim Verkosten “Recht hat” und “besser ist”, individueller sowieso. Und diese Profilierung ist natürlich am einfachsten möglich, wenn man den bekanntesten und erfolgreichsten Verkoster und die Weinfreunde, die gerne von seinen Einsichten profitieren, öffentlich disqualifiziert, damit zeigt man ja, wie sehr man über den Dingen steht.
Mich langweilt das fürchterlich. Parker ist nicht mein Messias, aber ich kam mit seinen Bewertungen als Fingerzeig (und mehr ist es ja nicht) immer gut klar. Er war für mich in den Regionen, die er versteht, überwiegend nachvollziehbar und konsistent, was ich von den meisten anderen Verkostern nicht in gleichem Maße sagen kann. Viele Regionen haben sich in den letzten Jahrzehnten erst dadurch entwickelt, dass Parker durch eine verlässliche Einschätzung der Weine gegenüber seinen Lesern den Winzern dieser Regionen erst eine kritische Masse an Kunden schaffen konnte, damit sich der Aufwand, hochwertige Weine zu machen, auch lohnt. Dadurch steht uns heute in der gehobenen Mittelklasse eine nie gekannte Anzahl interessanter Weine zur Verfügung. So sehr ich mich auch anstrenge, ich kann daran nichts Schlechtes finden. Und nach wie vor wird jeder reichlich Weine finden, die seinem persönlichen Geschmack entsprechen, wenn er nur danach sucht, das werden auch die notorischsten unter den Parker-Kritikern nicht bestreiten wollen. Was bleibt also? Nur viel Rauch um nichts.
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