Seit einigen Jahren veranstaltet Thomas Lippert, der Winzerblogger, die Weinrallye. Wir haben bisher noch nie mitgemacht, heute beteiligen wir uns aber sehr gerne, denn das Thema ist Pinot Noir. Die Lieblings-Rebsorte des “Blogggwart”. Gastgeber der heutigen Weinrallye ist Iris Rutz-Rudel.
Weinrallye#32 – Pinot Noir oder “Wie ich lernte, den Wein zu lieben”
Als Weintrinker, Weinfreak und Weinsammler bin ich so ziemlich der klassischste aller Prototypen. Als Teenie, meistens heimlich, haben wir in der Vorderpfalz so ziemlich alles getrunken. Bier, Wein, Schnaps – Hauptsache Wirkung, Hauptsache verboten, Hauptsache “erwachsen” fühlen. Es war ein Trauerspiel. Keiner hat es wirklich vertragen, jede Party war nach zwei Stunden vorbei und die Geschichten, die wir uns und unserer Clique danach erzählten, waren meistens reine Fantasie. Erinnern konnte sich so oder so keiner. Wein haben wir oft getrunken, denn der war billig. In der Regel kam der aus Italien in “formschönen” Großflaschen mit Bastkörbchen. Gruselig, eigentlich untrinkbar, aber egal. Irgendwann, ich war 16 Jahre alt, hat mich ein väterlicher Freund an die Hand genommen und gemeint: “Bub, isch erklär der jetzt emol wie des geht, mit dem Woi”.
Dieser väterliche Freund war Fred Emmerich. Ein, in meiner Heimatregion, sehr bekannter und ziemlich verrückter Künstler. Er hatte eine Galerie- und Studiowohnung in Mannheims Quadraten. Für mich als Pubertierender war das eine faszinierende Welt. In dieser Wohnung tobte das Leben. Immer waren jede Menge Menschen da, Künstler, Freunde von Emmerich, Neugierige… und ich mittendrin. Ich war um die Ecke in der Schule und wenn ich keine Lust auf Unterricht hatte, war ich in dieser “anderen Welt”. Fred Emmerich hatte viel Ahnung von Wein. Er hatte überhaupt viel Ahnung von Allem und so begann meine “Ausbildung”. Ganz klassisch mit den alten Weinen aus dem Bordelais. Damals war das alles noch ganz anders als heute. Man mußte kein Millionär sein, um einen Flasche Cheval Blanc aus dem Jahr 1947 zu bekommen. Man mußte nur wissen wo es diese Flasche gibt. Ich war begeistert von dem Geschmack eines alten Weines. Am Anfang dachte ich noch: “Der will mich vergiften”, aber irgendwann, nach der ersten “Weltengelskonferenz auf meiner Zunge”, hatte ich es verstanden und der Virus hatte mich gepackt.
Fred Emmerichs Standardsatz war immer: “Bub, wenn De glaabscht, der Bordo do is guud, dann warte mol ab, bis De alt genug bischt um de Pino zu verschtehe”. Und genau so war es. Über ein Jahrzehnt war ich mit den Bordeaux-Weinen beschäftigt. Rauf und runter. Es gab nichts, was ich nicht kannte, getrunken hatte oder vom mühsam zusammengesparten Geld kaufte. Bis zu dem Tag, an dem mein Erweckungserlebnis stattfand.
Ich saß mit meiner damaligen Freundin (meiner heutigen Frau) im Elsaß in einem kleinen Restaurant und meine Ex-Freundin bestellte einen Pinot Noir aus dem Burgund. Weder kann ich mich an den Jahrgang noch an den Erzeuger erinnern. Ich weiß nur noch wie er geschmeckt hat. Unglaublich gut! Unbeschreiblich gut! Ich hatte Gänsehaut und war hin und weg. Mein einziger Gedanke war: “Wo gibt es das, was ist das, ich muß das haben”. Seit diesem Tag liebe ich Pinot Noir über alles. Meine einzige Konzentration galt fortan den Weine aus dem Burgund. Bordeaux war langweilig und eindimensional für mich geworden. Diese Tiefe, die Nuancen, die unzähligen Facetten und Aromen, die ein Pinot zu bieten hat, ließen mich nicht mehr los.
Natürlich habe ich auch deutschen Spätburgunder zur Kenntnis genommen. Nebenbei, wenn überhaupt am Rande. In den neunziger Jahren gab es zwar schon einige gute Pinot-Produzenten hier im Lande, aber das war mehr für die “geheimen Zirkel”. Als ich dann anfing, in der Weinproduktion zu arbeiten, habe ich den Pinot immer ein wenig stiefmütterlich behandelt. Für mich stand fest, dass ein deutscher Spätburgunder nie mehr als ein verzweifelter und aussichtsloser Versuch sein kann, einen trinkbaren Rotwein herzustellen. Riesling, das konnten wir, und wie! Aber Pinot Noir… niemals!
Was habe ich mich geirrt! Wie ignorant war ich gewesen! Eines Tages stellte mir mein damaliger Chef eine Flasche Spätburgunder hin. 1989 Assmannshäuser Höllenberg, Auslese Goldkapsel von den Staatsweingütern. Und wieder hatte ich ein Erweckungserlebnis. So einen Wein hatte ich noch nie zuvor getrunken. Diese Frucht, dieser Schmelz und diese total abgedrehten Aromen waren einfach nur sagenhaft. Ich war gefangen und versaut für alle Zeiten.
Was soll ich sagen… heute trinke ich mehr deutschen Pinot als burgundischen. Erzähle jedem, der es hören und auch nicht hören will, wie gut wir das in Deutschland können. Und irgendwie bin ich ein wenig neidisch auf die Kollegen an der Ahr, die damit gesegnet sind, hauptsächlich Pinot produzieren dürfen.
Na, das hat sich doch für Deine Leser gelohnt, dass das heutige Weinrallyethema auf Deine Lieblingssorte gestossen ist. Hab Deine Erweckungsgeschichte mit Spannung gelesen – die Korb (und 2 Liter Flaschen) gehören auch schon zu meinen Jugenderinnerungen aus den 60zigern – kein Wunder, dass ich Wein danach kopfschmerzerzeugend und langweilig fand.
Meine Erweckung dann viel später in Frankreich – durch meinen verstorbenen französischen Winzermann – und da wir uns zu selten guten Pinot aus Burgund leisten konnten, haben wir einfach selber welchen angepflanzt.Nicht leicht zu domptieren in unserem südfranzösischn Klima – das habe ich inzwischen gelernt – aber wenn’s klappt dann ein Genuss, der sich durch geduldiges Warten immer noch steigert…
Danke für den schönen Rallyebeitrag – irgendwann habe ic sicher auch noch Gelegenheit, gute deutsche Spärburgunder zu entdecken – ich freu mich drauf!