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Neues von Hardy Rodenstock

Wir haben hier auf unserem Blog ja schon mehrfach und ausführlich über den Weinsammler und Raritätenhändler Hardy Rodenstock berichtet. Ihm wird seit einiger Zeit vorgeworfen, Weine und Etiketten gefälscht zu haben. Das ganze Thema ist allem Anschein nach so spannend, dass immer mal wieder in diversen Publikationen darüber berichtet wird. So auch vor kurzem im “Focus”.

rodenstock3Das Magazin meldet, dass William J. Koch, der Miliardär aus den USA, der seit Jahren im Streit mit Rodenstock liegt, jetzt eine Schadensersatzklage anstrebt. Grund dafür sei, laut “Focus”: “Koch wirft Rodenstock unter anderen vor, eine angebliche Flasche 1787er Château Lafite, die aus der Sammlung des US-Präsidenten Thomas Jefferson stammen soll, von ihm gekauft zu haben, deren Inhalt aber nicht echt sei.”

Wir haben Hardy Rodenstock erneut zu diesem Vorwurf befragt. Seine Auskunft war eindeutig. Es handelt sich hier nicht um eine Schadensersatzklage, sondern um einen Fragenkatalog den er beantworten soll. Dies muss allerdings ersteinmal vom zuständigen Gericht in München entschieden und die Fragen übersetzt werden.

Die besagte Flasche wurde mehrfach untersucht. Uns liegt eine Analyse des besagten Weines und des Korkens vor. Laut dieser Analyse von der Eidgenössischen technischen Hochschule in Zürich liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der Wein aus der Zeit von 1673 bis 1755 stammt bei 33,7 Prozent, dass er aus der Zeit von 1796 bis 1945 stammt bei 66 Prozent und dass er jünger ist bei 0,3 Prozent. Beim Korken wird es noch interessanter. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Korken aus der Zeit von 1648 bis 1739 stammt, liegt immerhin bei 27,3 Prozent (!). Wir reden hier über einen Wein aus dem Jahrgang 1787…

Sehr viel spannender ist aber folgende Passage im “Focus”-Beitrag: “Nach FOCUS-Informationen wurde Rodenstock darüber hinaus von der österreichischen Justiz im vergangenen Jahr der Urkundenfälschung überführt. Der Raritäten-Sammler hatte über Monate hinweg ein Ehepaar anonym per Fax und Brief mit unflätigen Beschimpfungen und falschen Anschuldigungen verfolgt. Rodenstock gab diese Taten zu. Das Innsbrucker Oberlandesgericht verhängte eine zweijährige Bewährungszeit. Sollte Rodenstock rückfällig werden, droht ihm eine Strafe – eine rechtliche Besonderheit in der Alpenrepublik.” “Urkundenfälschung und Bewährungsstrafe”, das klingt heftig!

In der Tat hatte Hardy Rodenstock eine Auseinandersetzung mit einem befreundeten Ehepaar, den späteren Klägern. “Genaugenommen waren es sogar Freunde”, so Rodenstock uns gegenüber am Telefon. “Ich bin aber zu keiner Bewährungsstrafe verurteilt, sondern darf diesen Nachbarn zwei Jahre lang keine Briefe oder Faxe schicken”, erklärt Rodenstock weiter.

Jetzt könnte man natürlich glauben, da will sich einer rausreden. Uns liegen sämtliche Dokumente und gerichtliche Schreiben, inklusive dem Urteil, in dieser Sache vor. Eine “Bewährungsstrafe” kommt darin nicht vor. Genau genommen ging es in diesem Verfahren um Urkundenfälschung und Verleumdung nach §§ 107a Abs. 1 und 2 Z 2, 223 Abs. 1, 297 Abs. 1 Fall StGb. Die “Urkundenfälschung” war eine Einladung für eine Einweihungsparty, die Hardy Rodenstock im Namen der Kläger in diesem Fall verfasst und verschickt hat. In diesem Einladungsschreiben, das übrigens sehr lustig und ziemlich frech geschrieben ist, werden alle Freunde der Kläger eingeladen, an einer Einweihungsparty in deren neuen Haus teilzunehmen.

Sowas macht man natürlich nicht, genausowenig wie man Fremden mehrer Pizzen ins Haus schicken lässt oder ihnen sonstige “Streiche” spielt. Da diese Einladung mit dem Namen der Einlader von Rodenstock unterzeichnet wurden, hatte das Ganze natürlich ein juristisches Nachspiel. Dass das Unterschreiben mit einem fremden Namen eine “Urkundenfälschung” ist, ist klar. Betrachtet man sich den ganzen Vorgang, inklusive der Hintergründe, bleibt die Dramatik allerdings deutlich auf der Strecke. Sowas nennt man normalerweise einen “dummen Jungenstreich”. Die Kläger waren mit diesem Urteil übrigens nicht wirklich zufrieden und wollten eine Instanz weiter. Hier hat das Oberlandesgericht Innsbruck am 19.05.2009 folgendes entschieden: “Der Antrag auf nachträgliche Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens gegen den Erstbeschuldigten wird zurückgewiesen”.

Richtig lustig wird das Ganze, wenn man sich die Protagonisten in diesem Streit einmal näher betrachtet. Die Klägerin, Frau Ina Putz-Lane, kann man sich wunderbar “ergoogeln”. Man muss nur den Namen Putz weglassen. Laut “Müchner Abendzeitung” war sie weiland die Muse des verstorbenen Verlegers Droemer.  Auch hier haben wir mittlerweile einen ganzen Berg von Informationen, Ansprechpartner und Zeitungsbelegen. Das ist aber eine ganz andere, übrigens sehr amüsante, Geschichte. Eher geeignet für die Kollegen des “Boulevard-bloggens”. Wir recherchieren trotzdem einmal weiter und werden “den” Spezialisten für solche Geschichten, Michael Graeter, anrufen.

Fakt ist: Diese Meldung im “Focus” klingt ziemlich reiserisch und eher schlecht für Hardy Rodenstock. Macht man sich die Mühe und “recherchiert” ein wenig, sieht das alles doch ganz anders aus. Es fällt schon auf, dass die Berichterstattung in den Medien sehr einseitig ist und wir fragen uns ernsthaft, warum dies denn so ist. In allen bisherigen Berichten ist Rodenstock der Buhmann. Teils wird das sehr subtil kommuniziert, manchmal ganz deutlich. Über den Milliardär Koch hingegen wird immer neutral berichtet. Dabei gäbe es da auch genug zu schreiben und zu bloggen. In einem Artikel aus dem Jahr 2000, erschienen in der “Morning Sun” in Pittsburg, wird beispielsweise ein Polizist namentlich zitiert, der erklärt, dass Koch damit gedroht habe, seine Familie mit dem Gürtel zu erschlagen. Ebenso finden sich dort Auflagen aus seinem Scheidungsurteil: Er darf sich seiner Frau nicht näher als 100 yards nähern und seine Kinder nur besuchen, wenn er nachweisen kann, dass er 24 Stunden zuvor keinen Alkohol getrunken hat. Wir wissen natürlich nicht, ob das exakt so stimmt. Das wäre, wenn es richtig ist, aber auch eine Information in diesem Stück…

16 Kommentare zu “Neues von Hardy Rodenstock

  • jens funke

    Hallo Dirk!

    Mit einseitiger Berichterstattung läßt sich halt Auflage machen. Sehen wir doch jeden Tag bei der Bildzeitung. Und das der Focus diese Leserschaft (die die Bildzeitung lesen) anspricht ist ja für mich auch nicht neu.

    Grüße Jens

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  • Werner Elflein

    Als Dumme-Jungen-Streich kann ich dieses Verhalten beim besten Willen nicht mehr betrachten. Allerdings hat dieses gefakte Einladungsschreiben nichts mit dem Thomas-Jefferson-Evergreen zu tun. Hier fällt zunächst einmal auf, dass zwar die ungleich langen Zeiträume 1673-1755 und 1796-1945 mit höheren Wahrscheinlichkeiten genannt werden, aber nicht der Zeitraum, in den das Jahr 1787 fällt. Warum nicht? Welche Erklärungen gibt es für diese in meinen Augen doch sehr ungewöhnliche Verteilung der Wahrscheinlichkeiten? (Analoge Fragestellung für den Korken!)
    Wenn die Untersuchungsergebnisse stimmen (und da erhebt sich natürlich grundsätzlich die Frage der Genauigkeit der angewandten Methoden), ist der Wein übrigens definitiv kein 1787er. Schließlich wird für dieses Jahr die Wahrscheinlichkeit 0 genannt – und das ist eine sehr eindeutige Aussage. Wenn sie korrekt ist.

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    • Dirk Würtz Post author

      @Werner Elflein

      Mir ist das logischerweise auch schon aufgefallen, aber ich bin noch nicht dahintergestiegen, warum das so ist. Aber mal ganz grundsätzlich: Eine exakte Altersbestimmung eines Weines ist wohl so exakt gar nicht wirklich möglich (vielleicht verstehst Du als Mathematiker das hier ja.

      Ich versuche das aber noch genauer rauszubekommen.

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  • Eckhard Supp

    1787 ?? Vor dem 19. Jahrhundert war die Abfüllpraxis nach meinen Informationen eine gänzlich andere als heute, und es ist wahrscheinlich aus heutiger Sicht unmöglich, Weine überhaupt einem bestimmten Ernte(!)jahrgang zuzuordnen. Es kann sich genausogut auch um das Abfülljahr, das Verkaufsjahr oder sonst etwas handeln. Von daher ist an den Zeitspannen gar nichts Ungewöhnliches. Wer solche Flaschen kauft, weiß auch um diese Tatsache, die angebliche Diskrepanz ist weder unerklärlich noch gar ein Skandal. Das gilt auch für Uralt-Weine, die ich bislang verkosten konnte, z. B. einen Madeira vom Ende des 18. Jh. Da kann durchaus das Ursprungsfass aus dem angegebenen Jahr stammen, aber was dann im Laufe der Jahrzehnte noch dazugefüllt wurde, und wie viel am Ende noch vom Ursprungswein vorhanden ist, weiß kein Mensch. Deshalb aber gleich “Betrug” oder “Skandal” zu schreien macht nur, wer um jeden Preis Skandale will oder braucht. Nein: Eine Mücke ist kein (!) Elefant.

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  • Werner Elflein

    Es geht hier ja nicht um Madeira oder oxidativ ausgebaute Weine, die über Jahre oder Jahrzehnte reifen (wobei die Fässer immer wieder mit neuem Wein aufgefüllt werden), sondern um Jahrgangsfüllungen bekannter Bordeauxgüter. Da wird in einem 1787er Premier Grand Cru von Hause aus bestimmt kein 1744er oder 1820er enthalten sein, sieht man einmal von Auffüllungen während des Neuverkorkens ab. Wenn aber der Korken bereits mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 30 Prozent älter ist als der Wein sein soll, dürfte vermutlich noch immer der Originalkorken in der Flasche stecken.

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    • Dirk Würtz Post author

      @Friedrich Bolle

      Ach, so ein wenig gelb schafet doch nie :-)
      Ich bin an der Geschichte dieser Dame immer noch dran. Die ist so spannend und amüsant, dass es schade wäre, wenn ich sie nicht schreiben würde…

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  • Michael Rosenthal

    Der STERN berichtete vor Jahren bereits über einen Rechtsstreit zwischen Koch und Rodenstock, bei dem es um 1784er Chateau d’Yquem ging, die auch aus der Jefferson Sammlung stammen sollten.

    Laut Stern war die Jahrgangsgravur auf den Flaschen mit modernen, diamantbestückten Werkzeugen vollzogen, die es zu Jeffersons Zeiten nicht hätte geben können.

    Auch wurde von Verkostungen mit Prominenten geschrieben, bei denen der Korken unbedingt in die Flasche gedrückt werden sollte.
    Ob eines bröseligen alten Korkens kann ich das auf der einen Seite gut verstehen, verweise andererseits aber auch gern auf folgendes Video:
    http://www.youtube.com/watch?v=IKqSfHrK_bo&feature=related

    Als Experiment habe ich das mehrfach selbst erfolgreich durchgeführt – es funktioniert.

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    • Dirk Würtz Post author

      @ Michael Rosenthal

      Na ja, was hat das zu heißen? Zunächst einmal gar nichts! Ich bin zwar nicht prominent, habe aber mehrfach solche Proben erlebt und konnte keinerlei Unregelmäßigkeiten feststellen. Im Übrigen ist der Korken, einmal aus der Flasche gezogen, beschädigt. Das bringt also gar nichts, den noch einmal verwenden zu wollen. Darüber hinaus habe ich auf solchen Proben niemals Hardy Rodenstock auch nur eine Flasche aufmachen sehen. Das hat immer das Servicepersonal gemacht. Einmal auch ich, das weiss ich noch ganz genau. Das war eine Magnumflasche Lafleur von 1947.

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  • Michael Rosenthal

    @Dirk Würtz
    Es geht ja eben darum, daß der Korken nicht beschädigt wird.
    Dann wird ein Schuh draus ;-)

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    • Dirk Würtz Post author

      @Michael Rosenthal

      Also, jetzt mal “Butter bei die Fische”. Wenn ich aus einem uralten Wein einen Korken unbeschädigt aus der Flasche holen kann – was mit der von Ihnen verlinkten Methode bei vollen Flaschen durchaus schwierig wird – dann habe ich definitiv trotzdem ein Problem. Der Korken wird nicht mehr zu gebrauchen sein. Er ist über Jahrzehnte oder Jahrhunderte zusammengedrückt im Flaschenhals gewesen. Das heißt der Korken geht nicht mehr auf, wenn ich ihn wieder in eine Flasche stecke. Somit dichtet er auch nicht mehr ab; Problem Nummer eins!

      Problem Nummer zwei: Der Korken wird mit hoher Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht mehr in der Flasche halten, sondern bei geringstem Druck eher wieder reinfallen.

      Problem Nummer drei: So eine Flasche ist definitiv nicht mehr zu transportieren

      Problem Nummer vier: Einen Korken, der so alt ist, unbeschädigt aus einer Flasche zu bekommen (mit welcher Methode auch immer) ist mehr als schwierig

      Das ist alles viel zu kompliziert und viel zu viel Aufwand. Da stecke ich doch lieber einen neuen Korken rein und schreibe drauf “neuverkorkt im Weingut XY”

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  • Michael Rosenthal

    @Dirk Würtz
    Ein Aufwand ist das keineswegs.
    Es käme auf einen Versuch an, allerdings könnte ich dazu höchstens einen 73er aus meinem Keller beisteuern.
    Wer hätte was älteres ?

    Bei dem verlinkten Beispiel geht es ja um eine geleerte Flasche, diese schnell befüllt und den alten Korken drauf…
    Genau das wäre doch der Versuch wert.
    Der reingedrückte Korken ist aufgequollen, läßt sich u.U. aber wieder in den Hals drücken. Probleme bereitet letztendlich immer die Kapsel.

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  • Michael Rosenthal

    Übrigens bezieht sich der von mir angesprochene Versuch nicht direkt auf Hardy Rodenstock.

    Bei ebay finden sich wesentlich mehr “jüngere” Weine, auf die so etwas zutreffen könnte. Oft genug habe ich dort GCCs, Petrus u.a. gesehen, die ohne Kapsel angeboten wurden.

    Serena Sutcliff hat vor einigen Jahren schon mal gesagt, daß auf dem Auktionsmarkt mehr Weine eines Jahrgangs (großer Güter) angeboten werden, als je vinifiziert wurden ;-)

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  • Jürgen Klotzek

    Besonders spannend fand ich die Aussage: “Es liegt eine Analyse … des Korkens vor.”
    Ich versuche derzeit das Alter eines Korkens einer Whisky-Flasche bestimmen zu lassen. Kann mir hierzu Jemand mit einer Anlaufstelle helfen?

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