In den vergangenen Monaten nehme ich in der Weinbauwelt etwas wahr, was mich doch reichlich irritiert. Allem Anschein nach ist es nach dem Ökotrend jetzt schwer angesagt,, “biodynamisch” zu sein. Zeit also, einmal einen kleinen kritischen Blick auf diesen “Trend” zu werfen.Öko ist klasse! Ganz einfach! Hier geht es um umweltschonendes, nachhaltiges und verantwortungsbewußtes Handeln und Wirtschaften. Wurde man früher noch belächelt und in die Schmuddelecke gestellt, wenn man sich als “Öko” outete, so ist das Ganze heute doch salonfähig geworden. Das ist auch gut so, zumal es sehr sinnvoll ist. Durch den spürbaren Trend und die gesteigerte Nachfrage nach Ökoprodukten, kam es in der jüngeren Vergangenheit auch zu einer Zunahme an Betrieben, die auf ökologischen Weinbau umgestellt haben. Auch gut. Neuerdings gibt es da wohl einen neuen Trend. Den zur “Biodynamie”. Öko als Alleinstellungsmerkmal langt wohl irgendwie nicht mehr. Überall ist zu lesen und zu hören, dass “biodynamisch” gearbeitet wird.
Grundlage des biologisch-dynamischen Landbaus ist die Anthroposophie. Deren Begründer, Rudolf Steiner, hatte ganz klare Vorstellungen, was diese Geschichte anbelangt. Grob vereinfacht könnte man es so ausdrücken: “bestimmte Stoffe sind Träger geistiger Kräfte, ein geschlossener Betriebskreislauf muss her, Wiederkäuer sind eigentlich verpflichtend (Mist=Dünger), kosmische Rhythmen müssen berücksichtigt werden, Vielfalt in der Produktion und noch vieles mehr. Alles in allem also nichts, was man mal eben so nebenbei macht. Den esoterischen Einschlag der ganzen Geschichte mal völlig ausser Acht gelassen. Eine derartige Form der Landwirtschaft, oder des Weinbaus ,ist ein Lebenswerk und keine Geschichte, die man in drei Umstellungsjahren schnell erledigt hat. Jahrlange, wenn nicht sogar jahrzehntelange Erfahrung ist notwenig.
Das alles sollte man berücksichtigen, wenn man von “biodynamisch” spricht. Hier geht es um ein großes Ganzes, das in der Regel auch ein Teil einer Lebenseinstellung ist. Eben kein marketingtaugliches Alleinstellungsmerkmal. Jeder, der sehen will, wie so etwas geht und was das bedeutet, kann sich das hier bei uns im Ort bei Walfried Sander gerne einmal umschauen. Mehr als 20 Jahre Biodynamie. Äcker-Weinbau-Rinder.
Nennen kann das natürlich jeder so. Diejenigen, die es mit der “Biodynamie” wirklich ernst meinen, lassen sich auch irgendwann zertifizieren und kontrollieren. Und zwar von DEMETER. Wenn “DEMETER” draufsteht ist auch garantiert “biodynamisch” drin. Ein bißchen “öko” oder “biodyn” geht nämlich nicht. Entweder oder! Und um eines mal in aller Deutlichkeit zu sagen: Wer sich nicht zertifizieren und dadurch auch nicht kontrollieren läßt, der ist nicht “öko”. Ganz einfach! Dieses: “Wir arbeiten ökologisch, aber wir schreiben es nicht aufs Etikett”, ist ein Unding und ein Affront gegen alle, die es “richtig” machen.
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jetzt warte ich doch gleich auf den Korrekturartikel des Herrn Supp
)))))))))))))))))))
Biodyn neuer Trend? Schon seit mehreren Jahren entwickeln sich gestern ultrakonventionelle zu heute beschwingte im Gleichgewicht stehende Biodynamiker. Im Burgenland hat das auch mangels Knowhow im ökologischen Pflanzenschutz den übernacht Esotherikern einiges an Ertrag vernichtet. Ebenso strittig, dass Heymann Löwenstein (dessen Person und Weine einzigartig ist/sind) von Fans und Vermarktern als Biodyn Vorreiter gefeiert wurde, er aber auf seinen Terrassen Round Up benutzen muss.
Es ist halt ein Vermarktungsturbo weil auf einmal das Profil des Weingutes berreichert wird. Da lobe ich mir Philipp Wittmann, der heimlich still und leise seit 2003 oder 2004 komplett auf biodyn umgestellt ist und das aus Qualitätsgründen vertritt aber in der Vermarktung sehr defensiv mit diesem Thema umgeht.
Gruß Felix
@Felix
Im Fall von Wittmann finde ich das auch sehr charmant
Ich stimme dir absolut zu.
Ich bin mir nur noch gar nicht so sicher, ob das wirklich eine neue Mode wird oder ein Trend.
Ich muss feststellen, dass sich immer mehr gut bis sehr gute Winzer für die Biodynamie bewusst entscheiden und dies auch öffentlich zugeben. Das ist neu denn früher hielt man die Biodynamiker für radikate esoterische Spinner, was man Rudolf Steiner ja auch durchaus auch vorwerfen kann. Aber weiss Gott nicht all jenen, die gewissenhaft diesen konsequenten Weg zu gesundem Boden und gesundem Traubengut gehen. Denn dieser Weg ist aufwendiger und teurer. Das erkennen zunehmend mehr Winzer, schauen, was die, die langjährige Erfahrung haben machen und probieren selbst aus. Das hat dazu geführt, dass sich immer mehr trauen, dies auch öffentlich zu machen. Selbst Häuser wie Pontet-Canet oder Schmitz-Haut-Lafitte tun dies – und sind zertifiziert, auch wenn sie das Label nicht zur Werbung nutzen.
Ich glaube also nicht, dass es eine Mode ist sondern eher ein zunehmend stärker werdendes Umdenken basierend auf zunehmend mehr Erfahrung der Winzer, die dies schon lang betreiben -wie zum Beispiel die Sanders bei euch in Rheinhessen und vielleicht auch der Einsicht, dass das Traubenmaterial bei jenen, die konsequent in diese Richtung gehen besser wird.
Dass es da welche gibt, die biodynamisch draufschreiben oder es als Marketing-Instrument nutzen ist ja irgendwie auch klar. Das passiert ja immer und überall.
Meinst du wirklich, dass das so viele sind?
@Christoph
Ja, das sind viele…
Lieber Dirk Würtz,
vieles ist richtig und gut in diesem Artikel, vor allem das klare Wort zur Zertifizierung. Es fällt in der Tat auf, wie inflationär und leichtfertig die Begriffe „ökologisch“ oder „biodynamisch“ von manchem Winzer, Weinhändler und auch Weinfreak benutzt werden. Nach den uralten und selbstverständlich wurzelechten Reben, dem einzigartigen Terroir auf dem ehemaligen Kartoffelacker oder dem Keller ohne jedwede Pumpe scheint der ökologische Aspekt das nächste Alleinstellungsmerkmal im Marketing zu sein, auch wenn der Betrieb gar nicht zertifiziert ist.
Dabei gibt es richtigerweise – je nach EU-Verordnung bzw. Verband – klar definierte Standards, die vor allem in der Traubenproduktion umgesetzt werden müssen, teilweise aber auch schon in der Kellerwirtschaft. Und diese können nur durch entsprechende Verbände bzw. dritte Kontrollstellen nachvollziehbar überprüft und dokumentiert werden werden. Eine Zertifizierung ist insofern sich selbst und dem Kunden gegenüber ehrlich. Zudem werden so die Verbände und damit das Gewicht des ökologischen Weinbaus gestärkt, was mir angesichts der zahlreichen Bewegungen und Reformen am Weinmarkt wichtig erscheint.
Neben Demeter gibt es übrigens hinsichtlich Weinbau auch den französischen Verband „SICVB Syndicat International des Vignerons en Culture Biodynamique“ (biodyvin.com), bei dem man sich für die biologisch-dynamische Arbeit zertifizieren lassen kann. Da ist dann auch garantiert Wein aus „biodynamisch erzeugten Trauben“ und sehr häufig auch schon „biodynamischer Wein“ drin.
Vielleicht veröffentlichst Du bei Zeit und Gelegenheit einmal einen „Fakten-Artikel“ über die grundsätzlichen Standards und Intentionen im ökologischen und biodynamischen Weinbau. Ich bin sicher, daß solche Informationen für sehr viele Endverbraucher hilfreich wären, um gewisse Aussagen von Produzenten- und Händlerseite auch hinterfragen und einschätzen zu können.
@Birger
Das mache ich gerne. Ich arbeite übrigens auch gerade an einem Buch über dieses Thema…
Klar, biodynamisch ist modern, sogar der Würtz hat seine Kuh
Aber im Ernst: du hast recht, biodynamisch zu arbeiten ist kein Trend, sondern eine Lebenseinstellung, hinter der eine ganze Philosophie steckt. Ob man dran glaubt oder das Ganze für Hokuspokus hält – das sollte einem klar sein.
Eine Einstellungssache ist es sicher auch, ob ein Winzer (bzw. Weinmacher!) das “Manifest der Winzer Europas” unterschreibt, das letztes Wochenende bei einer Slow Food Veranstaltung in Florenz erstellt wurde, unterschreibt: http://www.ithaka-journal.net/manifest-der-winzer-europas
Spannend ist beides in jedem Fall – und in der Regel sind individuelle, genussreiche Weine das Resultat…
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32 Weinbau-Betriebe gibt es die in Deutschland DEMETER zertifiziert sind. Von einem Trend kann man da wirklich nicht reden. Zu einer Umstellung auf Biodynamie gehört wesentlich mehr als eine andere Technik. Die Winzer sind wirklich überzeugt und überzeugen damit. Das ist ihre Stärke: wer wirkt denn heute auch in unserer Branche überhaupt noch authentisch? Die Verbraucher suchen selbst nach einem Sinn.
Und da wirken die DEMETER Leute eben sehr, sehr glaubwürdig.
Die Antroposophie war um 1900 revolutionär, heute ist sie eher konservativ. Immer noch steht aber viel Geld dahinter – auch und weil man hier wagt, alternative Konzepte auszuprobieren (Beispiel alternative Finanzierungen über Leih-Gemeinschaften). Vielleicht ist es tatsächlich egal, ob jetzt gerade Vollmond ist. Auf jeden Fall sind da Leute am Werk, die versuchen, möglichst viel richtig zu machen: im Rebberg, im Keller, in ihrem Leben. Und wenn das dann funktioniert – warum nicht?! Könnte es viuelleicht sein, dass andere sich vielleicht nicht so viel Mühe geben oder nur nach Schema F arbeiten ?!
Das wäre ein Beweis für meine Theorie, dass es nicht auf das “Was” ankommt, sondere auf das “Wie” – wieviel Leidenschaft und Energie ich für meine Projekte mobilisieren kann.
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