Nach mehreren Weinjournalisten und Kritikern kommt heute in unserer Reihe “… im Gespräch” ein Funktionär zu Wort. Steffen Christmann, Präsident des VDP (Die Prädikatsweingüter). Steffen Christmann ist eigentlich Jurist und leitet das familieneigene Weingut A. Christmann in Gimmeldingen in der Pfalz.
Würtz-Wein: Steffen, Du bist seit knapp zwei Jahren Präsident des VDP (Die Prädikatsweingüter). Was hat Dich zu diesem Engagement bewogen, was sind Deine Wünsche und Ziele?
Steffen Christmann: Aus meiner Erfahrung in der Pfalz kann der Weinbau einer Region und damit auch in ganz Deutschland nur voran kommen, wenn alle führenden Winzer an einem Strang ziehen, man sich einbringt und nicht jeder seinen alleinigen Vorteil sucht. Der VDP ist seit 100 Jahren ein Verein, der sich bewährt hat. Von Anfang an hat er Verantwortung für den gesamten Deutschen Weinbau übernommen. Unser augenblickliches Ziel ist neben dem Weiterentwickeln und Etablieren der internen Klassifikation, Einfluss zu nehmen, dass der deutsche Weinbau einen Ausweg aus der Sackgasse des 1971er Weingesetzes findet. In diese Themen stecken wir all unsere Kraft und Kreativität. Wir haben ein gemeinsames Ziel und dafür lohnt es sich, persönlich Energie und Zeit in den Verband zu stecken. Nach der großen Leistung meines Vorgängers Michael zu Salm-Salm, lies ich mich 2007 in die Verantwortung nehmen, um diese Arbeit fortzuführen und ihr neue Impulse zu geben.
Würtz-Wein: Der VDP versteht sich als „Elite“ des deutschen Weinbaus. Warum?
Steffen Christmann: Der VDP ist vor 100 Jahren bereits mit dem Ziel gegründet worden, die Wertschätzung und Qualität des deutschen Spitzenweins weiter zu entwickeln. Sich gegen alle Anfechtungen des Zeitgeistes, des Kommerzes und der Nivellierung von Qualität zu richten. Dieses Phänomen zieht sich durch die Geschichte unseres Verbandes wie ein roter Faden. Den Winzern des VDP war zu vielen Zeiten das gültige Weingesetz nicht konsequent genug. Nach einer Phase der Schwäche haben meine Vorgänger eine konsequente Qualitätspolitik nach Innen betrieben und so erreicht, dass deutscher Spitzenweinbau und die Mitgliedschaft im VDP nahezu deckungsgleich ist. Natürlich gibt es noch den einen oder anderen Winzer, der noch fehlt und bei einzelnen Mitgliedern muss qualitativ noch Manches passieren. Insgesamt haben wir hier aber sehr viel erreicht. Dieser Weg entwickelt sich sehr erfolgreich, so dass es auch außerhalb des VDP immer mehr Winzer gibt, die sich den vom VDP ausgelobten Qualitätsrichtlinien freiwillig unterwerfen. Deshalb verstehen wir uns als Vorbilder und Pioniere innerhalb des Deutschen Weinbaus im besten Sinne.
Würtz-Wein: In der VDP Charta heißt es: “Wir erzeugen Spitzenweine, die zu den besten Weinen der Welt zählen“. Woher kommt dieses Selbstverständnis und wie rechtfertigt ihr das?
Steffen Christmann: Ich selbst würde mich als „weinfanatisch“ beschreiben. Große Weine aus der ganzen Welt zu probieren und zu trinken ist für mich eine Leidenschaft. Hierdurch und durch meine Auslandsreisen bekomme ich jedesmal bestätigt, dass deutsche Weine zur absoluten Weltspitze gehören. Frage Fachleute, die einen noch größeren Überblick weltweit haben: diese werden Dir das alles bestätigen. Gleichzeitig bekommen wir stets Signale, dass unsere Weine im internationalen Vergleich noch extrem preisgünstig sind. Gerade während der Vorpremiere der GROSSEN GEWÄCHSE, die jedes Jahr Ende August stattfindet, reisen viele Journalisten und Händler aus der ganzen Welt extra nach Wiesbaden, um bei dieser Premiere dabei zu sein. Allein das stetig anwachsende internationale Interesse an diesen Weinen belegt unsere Stellung.
Würtz-Wein: In Eurer Klassifikation sprecht Ihr von „ökologisch verantwortlichem Weinbau“. Was hat man sich darunter vorzustellen? Wäre es denn nicht wünschenswert, wenn alle VDP Betriebe zertifiziert ökologisch arbeiten würden?
Steffen Christmann: Spitzenweine können nur im Einklang mit der Natur erzeugt werden. Davon sind wir alle fest überzeugt. Aktuell gibt es im VDP eine gewaltige Entwicklung hin zu biodynamischem und ökologischem Weinbau. 26 Prädikatsweingüter betreiben aktuell Ökoweinbau. Diese bewirtschaften 20% der deutschen Ökoweinfläche. Ein überproportionales Engagement, wenn man bedenkt, dass bundesweit nur 4% der Rebfläche im Besitz von VDP-Gütern sind. Der Bio-Gedanke hat große und facettenreiche Ausrichtungen. Alle VDP-Winzer beschäftigen sich mit dem Erhalt und der Pflege ihrer Weinberge. Alleine deshalb, weil die meisten von ihnen ihre Weinberge an die nächste Generation vererben werden. Da sind langfristige Entscheidungen gefragt. Ob, wie und wann man seinen Betrieb auf eine ökologische Wirtschaftsweise umstellt, bleibt allerdings jedem selbst überlassen, da auch die Herausforderungen und Schwierigkeiten von Region zu Region äußerst unterschiedlich sind. Allerdings führt die Vorbildwirkung dazu, dass das Interesse daran in unserem Verband rapide steigt. Im Frühjahr 2009 hat es dazu schon einen Workshop für VDP Winzer in Geisenheim gegeben.
Würtz-Wein: Ein viel diskutiertes Thema in der deutschen Weinwelt ist die EU-Weinmarktreform. Welche Chancen bieten sich Deiner Meinung nach dem deutschen Weinbau durch diese Reform? Wo siehst Du die Reform kritisch oder gar skeptisch? Glaubst Du, dass durch die totale Marktliberalisierung, die ja der eigentliche Kern der Reform ist, die deutsche Weinkultur gefährdet ist?
Steffen Christmann: Das neue Bezeichnungsrecht bietet die historische Chance, klare und allgemeinverständliche Regelungen zu treffen, die Produzenten wie Konsumenten zugute kommen. Darin sehe ich die große Chance dieses neuen Gesetzes. Allerdings ist diese Chance gekoppelt an eine wichtige Entscheidung: die neuen Bezeichnungen müssen unbedingt an klare Ertrags- und Qualitätsrichtlinien gebunden werden. Je enger die Herkunft, desto strikter die Beschränkung. Sowohl Winzer, also auch Weintrinker müssen sich auf die Aussagen auf den Etikett verlassen können. Nur dann ist diese Chance positiv genutzt, die deutsche Weinkultur, die in den letzten Jahren trotz der gesetzlichen Reglungen wieder an gloreiche Zeiten anknüpfen konnte, weiter voran zu bringen.
Würtz-Wein: Was zeichnet für Dich überhaupt die deutsche Weinkultur aus?
Steffen Christmann: Aus Deutschland kommt eine großartige Vielfalt von Weltklasse Weiß- und zunehmend auch Rotweinen. Geprägt durch eine einzigartige Lagenkultur. Wir wissen seit vielen 100 Jahren, welches Stück Erde, welcher Weinberg sich ideal für die Erzeugung bestimmter Weine eignet. Ein unglaubliches Kapital in einer immer industrielleren Welt.
Würtz-Wein: Wenn Du die drei größten Fehler des deutschen Weinbaus in der Vergangenheit aufzählen müsstest, was wären die?
Steffen Christmann: Das Weingesetz von 1971 eröffnete folgende Problemfelder, die es den Weinliebhabern im Laufe der Jahre schwer machte, aus einem vielfältigen und unübersichtlichen Angebot, die besten deutschen Weine zu identifizieren.
1. Durch die großräumige Zusammenfassung und damit Sozialisierung von Lagen, hatten die Lagen ihre Aussagekraft und damit ihre Wertigkeit verloren.
2. Die traditionellen Qualitätsbezeichnungen wurden völlig nivelliert und haben damit ihre Qualitätsaussage verloren.
3. Lange Jahre hat der Technikglaube zu Weinen geführt, die nur noch farblose Abbilder ihrer großartigen Vorfahren waren.
Diese Fehlentwicklungen wurden von den Qualitätserzeugern in den letzten Jahren weitgehend korrigiert. Der VDP ist Speerspitze und Motor dieser Entwicklung. Teilerfolge sind erzielt worden, aber die Arbeit wird weitergehen.
Würtz-Wein: Wie sind solche Fehler in Zukunft zu vermeiden?
Steffen Christmann: Sicherlich werden wir, wie jede Generation, in bester Überzeugung auch Fehler machen. Doch dürften wir durch unsere eindeutige Qualitätsorientierung, durch klar definierte Wein-Typen in der Klassifikation, die jeweils von ihrer Herkunft geprägt sind, und den größeren internationalen Überblick, den wir haben, weniger Gefahr laufen, Fehler diesen Ausmaßes zu wiederholen.
Würtz-Wein: Wie siehst Du die Chancen des deutschen Weins generell. Ist er wettbewerbsfähig auch abseits des Ultra-Premium-Segments, dass der VDP für sich mit beansprucht?
Steffen Christmann: Natürlich birgt ein immer globaler werdender Markt andere Herausforderungen für einen Winzer, als noch vor 40 Jahren. Dennoch bin ich der Meinung, dass wir in Deutschland vor allem aufgrund unserer optimalen Bedingungen für fruchtig, elegante Weißweine, handwerklich gemachte Weine, die ihre Herkunft zeigen, immer einen Markt finden werden. Wer eine gute Arbeit macht, wird auch immer jemanden finden, der dies zu schätzen weiß. Auch außerhalb des Ultra Premium Segments.
Würtz-Wein: Ganz anderes Thema jetzt: Ihr habt kürzlich eine neue Kommunikations-Kampagne realisiert. Man sieht einen finster dreinblickenden Türsteher, einen eher martialisch wirkenden Adler und eine offensichtlich betrunkene junge Dame, die mit ihrem Schuh versucht, eine Flasche aufzumachen. Das wirkt, freundlich ausgedrückt, gewöhnungsbedürftig. Bisher war die Kommunikation des VDP doch eher konservativer. Woher kommt dieser Sinneswandel und was versprecht Ihr Euch von diesem Stil?
Steffen Christmann: Dass Werbung nicht immer „everybodys darling“ ist und sein kann ist klar. Uns ist bewusst, dass diese Kampagne die Gemüter erregt hat. Das war auch Sinn und Zweck des Ganzen.
Wir haben bewusst versucht, mit dieser Kampagne zu zeigen, dass der VDP zwar Hort der Tradition im deutschen Weinbau ist, gleichwohl aber Winzer und auch Kunden moderner geworden sind und durchaus auch ein wenig Selbstironie vertragen. Dass dies nicht jeder versteht, war auch von Anfang an klar.
Würtz-Wein: Es wird viel diskutiert über das Thema „Wein im web 2.0“ und das Sterben der Printmedien. Wie siehst Du diese Entwicklung? Nimmst Du eine Veränderung in der bisherigen Weinmedienlandschaft wahr und wie beurteilst Du diese?
Steffen Christmann: Natürlich spielt web immer mehr eine Rolle, aber genauso wie viele nicht auf ein gutes Buch verzichten möchten, möchte man auch ein Weinmagazin in Händen halten und es durchblättern können. Ich denke, dass die neuen Medien das Alte nicht ganz verdrängen werden. Veränderungen wird es natürlich geben, diese zeigen sich ja jetzt schon. Aber Stillstand wäre Rückgang – und das wollen wir alle nicht – in keiner Hinsicht.