Seit Wochen ziehen sich zwei Themen durch die Weinlandschaft. Der Streit zwischen Print und web und was ist ein richtiger Profiverkoster. Um der Sache auf den Grund zu gehen, habe ich heute ein elektronisches Gespräch mit einem geführt, der sich mit der Thematik auskennen müßte. Dem Weinjournalisten Rudi Knoll. Er war gerade kürzlich hier im Focus einer Diskussion über das Thema Kultweine und Weinblogger. Da ich Rudi Knoll schon sehr lange kenne habe ich für das Gespräch die “Du-Form” gewählt. Ähnlich wie das Waldemar “Waldi” Hartmann auch immer macht.
Würtz-Wein: Rudi, Du bist seit vielen Jahren als Weinjournalist, Autor diverser Weinbücher und Verkoster im Geschäft. Du gehörst quasi zu den Urgesteinen des deutschen Weinjournalismus. Wie kamst Du dazu?
Rudi Knoll: Der erste Kontakt mit Wein kam Ende der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts zustande, als ich bei der Bundeswehr nicht, wie einige Kameraden, kastenweise Bier saufen wollte. Ich habe mir stattdessen Wein geleistet, auch wenn das damals nur simpler Großlagenwein aus dem Supermarkt war. Ein Schoppen am Abend reichte, weil ich damals auch intensiv Fußball spielte und meine Barras-Zeit mit der Deutschen Heeresmeisterschaft 1969 abschließen konnte. Ich war zwar beim Endspiel nicht im Team, konnte aber vorher einige Male mit unseren Stars Katsche Schwarzenbeck und Bulle Roth vom FC Bayern kicken. Danach war ich bei einer Münchner Tageszeitung nebenberuflich Sportreporter, eine sehr gute Journalistenschule, weil ich lernte, unter Zeitdruck im Fußballstadion Berichte exakt auf vorgegebene Länge zu schreiben, und zwar unter schwierigen Rahmenbedingungen mit der Kofferschreibmaschine auf dem Schoß und einem Höllenlärm um die Ohren.
Hauptberuflich avancierte ich zum Leiter der Beilagenredaktion und war hier u.a. mit dem Themenbereich Essen und Trinken befasst. Das war letztlich der berufliche Einstieg in das Thema Wein, der 1980 in die Selbstständigkeit mündete. Damals war das Schreiben über Wein eine Marktlücke…
Würtz-Wein: Welche Voraussetzungen muss man erfüllen um ein guter Weinjournalist zu werden und zu bleiben?
Rudi Knoll: Man muss zunächst einmal das journalistische Handwerk zumindest einigermaßen beherrschen. Dazu gehören die gute, flotte Schreibe und eine gute Beobachtungsgabe auch für Kleinigkeiten. Ein Redakteur, für den ich anfangs schrieb, meinte einmal, er schätze mich wegen der flapsigen Art meiner Berichte. Natürlich sollte man viel über Wein wissen. Ich habe das durch unzählige Gespräche mit den Produzenten gelernt, und durch ungebrochene Neugierde.
Wissen sollte man auch, dass Berichterstattung Konsequenzen haben kann und man möglicherweise Produzenten oder sonstigen Leuten der Weinszene missfällt. Deshalb ist Kritik immer auch unter diesem Gesichtspunkt abzuwägen. Manchmal ist sie notwendig, aber nicht immer angebracht.
Würtz-Wein: Wie schätzt Du grundsätzlich die Situation des deutschen Weinjournalismus ein?
Rudi Knoll: Die wirtschaftliche Situation ist durch die Krise, die voll auf die Medien durch schlägt, für viele sicher nicht einfach, nicht nur beim Wein. Qualität ist leider Gottes in vielen Zeitschriften nur mehr bedingt gefragt. Davon profitieren die zahlreichen selbst ernannten sog. Weinjournalisten, deren Berichte sich dann lesen wie ein Schulaufsatz. Aber Hauptsache die Seite wird irgendwie voll. Manche dieser „Journalisten“ kommen nur deshalb als Freie unter, weil hauptberufliche Kollegen, die selbst nichts oder wenig über Wein an sich wissen, bereit sind, die Mängel in den Berichten auszumerzen oder weil sie nichts oder kaum etwas kosten und damit zufrieden sind, ihren Namen gedruckt zu sehen. Problematisch wird es, wenn solche Artikel dann als Referenz dienen. Reinfälle sind vorprogrammiert.
Würtz-Wein: In der letzten Zeit wurde häufiger über Verkoster und deren Fähigkeiten, insbesondere im web 2.0, durchaus kontrovers diskutiert. Ist das Deiner Meinung nach angebracht oder fällt das eher in die Rubrik „Profilneurosen“ und Neid? Was zeichnet einen Profiweinverkoster Deiner Meinung nach aus?
Rudi Knoll: Er – oder sie, weil die Frauen auf diesem Feld durchaus professionell agieren können – sollte einen weiten Horizont und viel Erfahrung haben. Er sollte wissen, dass Qualität nicht vom Alkoholgehalt oder der Fülle eines Weines abhängt und auch zarte Gewächse genial sein können. Er sollte dennoch lernfähig bleiben, keine allzu große Ehrfurcht vor bedeutenden Namen oder Herkünften haben, in der Lage sein, Mängel richtig einzuordnen, ihre Ursache erkennen und nicht, wie es gerade bei großen Proben oft passiert, nach dem Motto urteilen „der schmeckt mir aber nicht“. Ein Problem sind die Aufmärsche internationaler Juroren bei bestimmten Wettbewerben, bei denen dann plötzlich Leute aus fernen Ländern das allererste Mal zum Beispiel Riesling probieren und mit der Säure nicht zurecht kommen. Ich saß schon einige Male neben solchen „Verkostern“ und habe mich über abartige Bewertungen gewundert. Ein paar meiner grauen Haare habe ich vermutlich von solchen Leuten.
Ein guter Verkoster sollte, wenn er Mitglied einer Jury ist, auch Teamgeist haben und diskussionsfreudig sein, ohne sich deshalb zu verbiegen in seinem Urteil. Wenn er mit seiner Meinung von der Truppe abweicht, muss er das allerdings fachlich begründen können. Schmeckt nicht, reicht nicht.
Profilneurosen oder Neid mögen gelegentlich eine Rolle spielen bei Personen, die eben nicht das Forum eines Weinjournalisten haben. Aber ich darf anmerken, dass dieser Beruf nicht nur Honiglecken ist, da es viel mehr mäßige als gute Weine gibt und manche Verkostung eigentlich mit Schmerzensgeld zu honorieren wäre.
Würtz-Wein: Wie gehst Du persönlich damit um, dass den etablierten Weinverkostern und Journalisten eine gewisse Arroganz und Meinungshoheitsdenken im Umgang mit dem Thema Wein vorgeworfen wird?
Rudi Knoll: Ich versuche ganz einfach, nicht arrogant zu sein oder zu wirken und den Eindruck zu kontern, dass wir Journalisten unnahbare Götter sind – was manche Winzer tatsächlich glauben. Das merkt man an Fragen a’la „Wie komme ich denn überhaupt an sie ran?“ Ich sage solchen Leuten, sie sollen anrufen oder schreiben. Eine Antwort gibt es immer. Wenn sie Weine zur Probe schicken, bekommen Sie eine ehrliche Meinung, die vielleicht nicht auf Gegenliebe stößt. Aber manchmal ist sie wirksam und ein paar Jahre später macht der gleiche Erzeuger, dem man auf die Beine trat, plötzlich gute Weine und vermeldet stolz, der Journalist sei „schuld“ gewesen, dass er sich Zuhause endlich durchsetzen konnte.
Sicherlich gibt es Weinjournalisten, die tatsächlich arrogant sind und sogar unseriöse Forderungen für positive Berichte stellen. Aber mit denen muss sich ein guter Winzer nicht einlassen.
Manchmal wird auch Kritik als arrogant empfunden. Hier sollte sich der Erzeuger selbst die Frage stellen, ob nicht doch viel Wahrheit in der Kritik steckt.
Was in letzter Zeit zu beobachten ist, ist im übrigen das Gegenteil: Journalisten, die dem Winzer nach dem Mund reden. Erzählt er beispielsweise viel über Terroir, wird das gläubig notiert und ein eigentlich banaler Wein plötzlich in höchsten Tönen gelobt.
Würtz-Wein: In einer der letzten Ausgaben des Weinmagazins VINUM hast Du Weinblogger, die unwichtige Rebsorten zum Kult erheben als „Spinner“ bezeichnet. Daraufhin gab es einen heftigen Sturm der Entrüstung. Hat Dich dieser Aufschrei verwundert? Wie gehst Du damit um?
Rudi Knoll: Die „Spinner“ haben wohl einige blindwütig aus dem Zusammenhang gerissen und sich selbst damit in die Nähe der Spinner gerückt. Ob’s tatsächlich ein Aufschrei war, sei dahin gestellt. Es gab auch sachliche, seriöse Meinungsäußerungen. Für mich ist die Sache abgehakt und unter „grotesker Humor“ abgelegt.
Würtz-Wein: Du arbeitest für Print Medien. Die befinden sich offensichtlich in der Krise. Mehrere Publikationen sind bereits eingestellt oder drohen eingestellt zu werden. Die Auflagenzahlen sinken konstant. Wie siehst Du persönlich deren Zukunft, insbesondere im special interest Bereich Wein? Glaubst Du Print hat noch eine Chance oder gar eine Berechtigung?
Rudi Knoll: Gute Weinmagazine haben sicher weiter eine Chance, wenn sie der Qualität treu bleiben und in der Lage sind, wichtige „Duftmarken“ zu setzen. Ich denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an den Deutschen Rotweinpreis, mit dem wir bei Vinum zum Rotweinboom beigetragen haben und hier besonders zur Steigerung der Qualität auf breiter Front. Der Rieslingpreis, den wir alle zwei Jahre seit 1989 mit ProRiesling organisieren, hat dem guten deutschen Riesling Schubkraft gegeben und weniger oder unbekannten Winzern die Chance verschafft, bekannt zu werden. Die Meisterschaft im Weindegustieren hat eine Vielzahl von Konsumenten motiviert, sich intensiv mit Wein auseinander zu setzen.
Ein Problem des speziellen Wein-Print ist, dass immer mehr Tageszeitungen und Illustrierte, die mit Wein eigentlich nichts am Hut haben, sich des Themas annehmen und zum Beispiel einen „Wein der Woche“ oder Ähnliches produzieren. Die Leser haben dann gar nicht mehr das Bedürfnis, noch zusätzlich ein Weinmagazin zu lesen. Und manche der auf dem Markt befindlichen Weinmagazine werden teilweise von den Verlagen verschenkt, nur damit eine hohe „verbreitete Auflage“ genannt werden kann.
Würtz-Wein: Wie ist Deine Affinität zum web 2.0? Könntest Du Dir vorstellen auch zum Thema Wein zu bloggen oder zu twittern?
Rudi Knoll: Ich blogge jetzt extra für Dich, alter Freund. Und da ich beruflich im Print und mit Seminaren und dem Organisieren von Veranstaltungen gut ausgelastet bin, wäre das allenfalls ein Thema für den Ruhestand. Aber den will ich noch weit hinaus schieben.
Grundsätzlich gibt es gut gemachte Internet-Auftritte, mit denen ich mich anfreunden könnte. Andere sind mir zu oberflächlich, plappern nur vieles nach. Und gelegentlich hat man den Eindruck, nicht nur in Deutschland, dass es elektronische Medien gibt, die vor allem darauf aus sind, Proben zu bekommen, mit denen kostenfrei häuslicher Konsum bestreitet wird. In einem Fall hat ein nicht unbekannter Journalist sogar einen Wettbewerb ausgeschrieben, eine zweistellige Summe pro Anstellung kassiert, aber den Wettbewerb dann sausen lassen.
Hier hätte eigentlich ein Aufschrei durch die Weinszene gehen müssen…
Pingback: Dirk Würtz im Gespräch mit Rudolf Knoll
der winzer interviewt den journalisten. auch mal eine variante.
sehr schönes interview. gefällt mir und grüße an rudi!
Na, das ist doch jetzt auch schon wieder so eine versteckte Anspielung, wenn Rudi Knoll meint, dass bloggen „ …allenfalls ein Thema für den Ruhestand“ wäre. Es impliziert doch, Blogger haben sonst nix zu tun. Oder?! Und möglicherweise hat er sogar recht damit.
Auf jeden Fall sollte er aber jetzt und sofort bloggen. Leute mit Verständnis für grotesken Humor haben wir in der Bloggerszene viel zu wenig.
Apropos Aufschrei: Ich habe zwar so eine bestimmte Ahnung, aber wüsste doch zu gerne ganz konkret um welchen nicht unbekannten Journalisten es sich gehandelt hat…
Ich finde es doch deutlich mehr als grotesk, dass ein Mensch, der meint Journalismus zu beherrschen, Leuten einen “grotesken Humor” unterstellt, die lediglich wissen wollen, welche Blogs er denn mit der Siegerebe als Kultwein gemeint hat. Für mich ist die Sache eigentlich erledigt gewesen. Spinner hin oder her. Ich bin nicht nachtragend, auch wenn man mich kollektiv anrempelt. Kontinuierlicher Auflagenverlust der Vinum hin oder her. Aber Herr Knoll: Legen Sie bitte Ihre Quelle mit der Siegerrebe offen. Dann ist das für alle Leser endlich nachvollziehbar. Und nicht nur Ihnen, sondern auch mir ist in Form einer Erkenntnis geholfen. Das ist genau der Punkt wo viele Worte um all das Andere im Leben eben nicht helfen.
Ich denke, dem Thema “Blogger – Spinner – Journalisten” wird viel zu viel Aufmerksamkeit gewidmet. Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, das Thema Wein in das Bewusstsein möglichst vieler Konsumenten zu bringen. Und wenn das mal erreicht ist, sind auch genügend Zielgruppen für alle Weinschreibenden vorhanden.
Keep cool!
@ Charles
Ich weiß von einem Fall eines Hamburger Weinjournalisten, der einen “Sauvignon Blanc”-Preis ausgeschrieben hat, zu dem zumindest einige Rheinhessenwinzer gegen Bezahlung Weine angestellt haben. Und dieser Preis ist nie vergeben worden, bzw. hat auch nie wieder ein Winzer Feedback bekommen.
@Cirsten @Charles
So wie ich informiert bin, handelt es sich schlicht und einfach darum, dass die Abwicklung und finale Verkostung dieses Preises einfach noch nicht abgeschlossen ist. Ist aber wohl noch in Arbeit.
Noch ein Nachtrag: Die Ergebnisse des Wettbewerbs sollen in der kommenden Woche publiziert werden!
@ Dirk
Danke für die Info! Dann besteht ja doch noch Hoffnung, dass einer “unserer” Winzer einen Preis gewinnt und nicht alles “umsonst” war! Prima. Da ist die journalistische Weinwelt doch hoffentlich in diesem Punkt wieder gerade gerückt.
Hmmm, in der Tat, ich könnte auch noch einen Wettbewerb eines Weinjournalisten in den Ring werfen, dort sollte es um 2003er Weine gehen.
Aber, es ist ja egal. der Wein ist längst ausgetrunken, interessiert keinen mehr!!
@Cirsten @Dirk @Thomas
Merci, das deckt sich doch teilweise mit den Infos meiner Informellen Mitarbeiter.
Auf jeden Fall sind Winzer wohl ein äußerst geduldiges und leidensfähiges Völkchen.
zur Klärung des nicht vorgenommenen Sauvignon-Blanc-Preises wäre es am besten, der “Hamburger Weinjournalist” würde dazu direkt befragt und um eine Stellungnahme gebeten. Falls er sich nicht äußert, sollte wirklich ein
Aufschrei durch die Winzerszene gehen.
Tja der Herr Knoll ! Eigentlich ein wunderbares Beispiel dafür, dass die meisten Journalisten nicht vom Wein kommen und erst einmal eine Zeit brauchten um sich mit der Materie zu beschäftigen. …. siehe auch Stuart Pigotts vorhergehendes Thema “Kelten”!
Dann kommt “Rudi´s” Aversion zu süßen Weinen hinzu, die er schon früh bekannt gab und die Dank des Weinskandals von 1984, Nahrung erhielt. Und dann war er in dieser Zeit und dank der “Vinum” immer noch das kleinste der journalistischen Übel seiner Zeit. ( Man denke nur an Herrn Siebeck und seine Hass-Tiraden über deutsche Produkte. ) Aber wenn es um eigene Obliegenheiten ( um mit Armin Diel zu reden ) geht, da vergessen wir gerne die Fehler, die wir alle einmal gemacht haben …. Ich fürchte ich werde die Vinum Ausgabe aus den 80er nicht mehr finden in dem “unser Rudi” den Jahrgang 1971 in Deutschland zerriß ! Muß er wohl übersehen haben, dass es einen Jahrhundert-Jahrgang war… Aber das kennen wir doch schon – Politiker, die öffentlich Fehler begehen stellt man so lange an den Pranger, bis sie klein beigeben – Journalisten sind mit ihren Äusserungen über jeden Zweifel erhaben ….. nicht wahr ??
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